In einer Nacht am Straßenrand. Ben Worthmann

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In einer Nacht am Straßenrand - Ben Worthmann

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der Garten mit seinen blühenden Blumenbeeten und üppigen Büschen aus. An der Seite zum Nachbargrundstück, das durch eine Hecke abgegrenzt war, gab es neuerdings ein schmales Nutzbeet, auf dem sie Erdbeeren angepflanzt hatte.

      Der Rasen allerdings sah zurzeit nicht so gut aus, fand Leonhard. An einigen Stellen wucherte Löwenzahn, außerdem konnte er ruhig mal wieder gemäht werden. Und etwas Bewegung würde ihm selber auch ganz gut tun. Hanna ermahnte ihn bisweilen, ein bisschen mehr darauf zu achten. Hin und wieder joggte er ein paar Kilometer oder verbrachte eine halbe Stunde im Keller, wo ein Boxsack unter der Decke baumelte, den ihm die Kinder zum vierzigsten Geburtstag geschenkt hatten. Doch er musste sich ehrlicherweise eingestehen, dass er dabei keinen übermäßigen Ehrgeiz entwickelte. Sein Leben bestand nun einmal im Wesentlichen aus seiner Familie und dem „Morgenkurier“, viel Zeit und Energie für anderes blieb da kaum.

      Vor einigen Jahren hatte er noch gelegentlich mit dem Gedanken gespielt, zu einer größeren Zeitung zu wechseln, um „richtig Karriere“ zu machen, wie Hanna es nannte. Aber diese Pläne hatten sich spätestens seit dem Hauskauf erledigt. Außerdem war er gern Reporter bei diesem zwar nicht sonderlich bedeutenden, aber solide und ordentlich gemachten Blatt, und seine neue zusätzliche Aufgabe im Online-Bereich empfand er nicht als belastend, im Gegenteil. Mit den größtenteils jüngeren Kollegen, die ihn wegen seiner Erfahrung schätzten, kam er gut aus. Aber wenn er es alles in allem betrachtete, musste er Hanna Recht geben, die, wie sie gern zugab, seine Umgänglichkeit zwar zu schätzen wusste, ihm bisweilen allerdings auch vorhielt, dass er zu leicht bereit sei, sich mit gewissen Dingen abzufinden, oftmals zu nachgiebig sei und sich dabei manchmal sogar etwas blauäugig verhalte.

      Nach dem Mähen war er völlig durchgeschwitzt. Es war höchste Zeit, nun endlich ins Bad zu gehen. Er duschte lange und rasierte sich sorgfältig, wie immer nass. Hanna mochte es nicht, wenn sein Kinn stoppelig war. In letzter Zeit kam es ihm so vor, als würde sein Bart schneller nachwachsen. Vielleicht lag das ja am Alter, wenn man auf die Mitte der vierzig zuging.

      Vor dem großen Badezimmerspiegel musterte er sich kritisch. Die ersten grauen Strähnen in seinem dunkelbraunen, noch relativ vollen Haar ließen sich nicht mehr übersehen. Er trug es ziemlich lang, sowohl im Nacken als auch über den Ohren, aus alter Gewohnheit und weil er ungern zum Friseur ging, egal, ob längeres Haar gerade wieder einmal der Mode entsprach oder nicht. Über sein Gesicht hatte Hanna einmal gesagt, es sehe ein bisschen so aus wie das von Kevin Costner, aber das war schon eine Weile her; inzwischen fand sie Costner nicht mehr so attraktiv, und er selber hatte nie verstanden, worauf diese Ähnlichkeit angeblich beruhte. Sein Gesicht war schmal und wies ein paar leichte Falten auf, und er hatte graublaue Augen, ähnlich wie Hanna. Den Anblick seines Körpers - gut mittelgroß, relativ kräftig, ohne Bauchansatz - fand er einigermaßen passabel, auch wenn er nicht allzu viel für seine Form tat. Zum Glück hatte er keinerlei Veranlagung zum Dickwerden.

      Am Abend, nachdem die Kinder zurück waren, gingen sie alle zusammen zum Italiener, um Pizza zu essen. Später saßen Hanna und er noch lange draußen, bevor sie zusammen zu Bett gingen. Den Sonntag verbrachten sie ebenfalls zu Hause. Paul hatte sich mit ein paar Freunden zu einer Radtour aufgemacht, Marie war bei einer Freundin, die ihren Geburtstag feierte.

      Nach dem Mittagessen zog sich Leonhard zum Lesen auf die Terrasse zurück und ließ die Markise so weit herunter, dass sie ihm in seinem Liegestuhl genug Schatten spendete. Und dann war das Wochenende auch schon fast vorbei – viel zu schnell.

      3. Kapitel

      Am Montagmorgen, kurz nach halb zehn, machte sich Leonhard auf den Weg zur Arbeit. Trotz des erholsamen Wochenendes fühlte er sich etwas lustlos und ohne rechten Antrieb. Er mochte die Montage nicht. Hanna mokierte sich manchmal, wenn er das allzu nachdrücklich betonte.

      „Also tschüss, ich bin dann mal weg!“, rief er die Kellertreppe hinunter. Hanna sortierte leere Gläser, sie wollte Erdbeermarmelade einkochen. Vom Obstteller in der Küche schnappte er sich zwei Bananen und packte sie zusammen mit dem Handy in die Aktentasche. Dabei stieß er auf das Pillendöschen. Das ganze Wochenende über hatte er tatsächlich gar nicht mehr daran gedacht. Er steckte es in die Tasche seines hellen Leinensakkos, das er nur über den Arm nahm. Auch jetzt schon war es wieder viel zu warm, um mit mehr als einem Polohemd und Jeans am Leib aus dem Haus zu gehen.

      Eine Viertelstunde später kam er in der Redaktion an. Sie befand sich am alten Marktplatz mit seinen historischen Häuserfronten und Kolonnaden und war in einem großen Gebäude untergebracht, das früher einmal einem wohlhabenden Kaufmann gehört hatte. An der ehrwürdigen Fassade prangte unübersehbar in Leuchtbuchstaben der Schriftzug „Morgenkurier“. Durch eine Toreinfahrt gelangte man in den Hof zur Druckerei und zu den Parkplätzen für die Beschäftigten. Es gab dort auch einen Anbau jüngeren Datums für die Verlagsverwaltung. Im Unterschied zu den meisten Kollegen arbeitete Leonhard nicht im Großraum, sondern hatte ein eigenes Büro. Es lag im dritten Stock, mit Blick auf den Marktplatz mit seinem Treiben und dem ewig plätschernden Brunnen in der Mitte.

      Als er sein Sakko über den Stuhl hängte, klackte das Döschen gegen die Lehne und er überlegte, ob er jetzt sofort oder erst nach der Konferenz bei der Polizei anrufen sollte. Am besten erledigte er das jetzt gleich, sonst vergaß er es womöglich noch. Der Beamte, den er an den Apparat bekam, kannte ihn, so wie die meisten anderen im Präsidium auch. Er hatte dort einen guten Ruf und galt als absolut vertrauenswürdig. Ganz korrekt war es zwar nicht, die Daten einer Halterabfrage an Dritte weiterzugeben, aber in Leonhards Fall gab es da keine besonderen Bedenken. Der Beamte versprach, ihn später zurückzurufen.

      Die Konferenz zog sich wieder einmal in die Länge. Gerd Weidemann, der Chefredakteur, hatte die Angewohnheit, sich gern reden zu hören, was ihn für seine Mitarbeiter ein bisschen anstrengend machte. Wie auf einem Thron saß er an der Stirnseite des langen Tischs, knapp sechzigjährig, wohlgenährt, mit ganzjähriger Bräune aus dem Solarium und wie immer im dreiteiligen Anzug. Wenn ihn jemand unterbrach, dann war er das meistens selbst – um Kunstpausen einzulegen und dabei auf einem Bügel seiner Lesebrille zu kauen.

      Grundsätzlich kamen Leonhard und er ganz gut miteinander aus, aber ihr Verhältnis war manchmal ein wenig angespannt. Leonhard konnte sich vorstellen, woran das lag. Weidemann schien sehr wohl zu ahnen, dass sein Reporter Marthaler der bessere Journalist von ihnen beiden und außerdem viel beliebter bei den Kollegen war als er selbst. Leonhard seinerseits mochte nicht die Honoratiorenmentalität, diese etwas weihevolle Attitüde, die der Chefredakteur sich im Laufe der Jahre zugelegt hatte.

      Die Konferenz näherte sich gerade ihrem von allen ersehnten Ende, als sich Leonhards Handy meldete. Er machte Weidemann ein Zeichen und verließ den Raum. „Also, die Frau heißt Nina Winkler, wohnhaft Rubensstraße 7 a. Aber, wie gesagt, von mir haben Sie das nicht, Sie wissen ja.“

      Leonhard bedankte sich bei dem Beamten und setzte sich an seinen Computer, um den Namen zu googeln. Er fand ihn sofort im amtlichen Telefonverzeichnis, mit Festnetz- und Mobilnummer, und speicherte sie beide auf seinem Handy. Aber ansonsten war die Suche ziemlich unergiebig. Ein paarmal tauchte der Name in irgendwelchen Hochschulnetzwerken auf, und es gab auch ein Facebook-Profil, das aber vergleichsweise nichtssagend war und außer einem Porträtfoto und einigen belanglosen Posts so gut wie nichts über Nina Winkler verriet. Auf dem Foto hatte sie längere Haare und wirkte noch um einiges jünger. Leonhard fand es immer ganz angenehm, ja beruhigend, dass es noch Menschen gab, die im Internet Zurückhaltung übten. Er selber hielt es ebenso. Facebook kam für ihn nicht in Frage, jedenfalls nicht privat. Der „Morgenkurier“ war dort zwar präsent, das gehörte längst zum Standard und diente der Leser-Blatt-Bindung im digitalen Zeitalter, wie es hieß. Aber Leonhard postete dort selten und nicht besonders gern.

      Mit der Online-Ausgabe der Zeitung war es etwa anderes. Er hatte dieses neue, schnelle, immer aktuelle Medium schnell zu schätzen gelernt, das die Printausgabe ergänzte und neue Leser anlockte,

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