Korridorium – letzte Erkenntnisse. Cory d'Or

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Korridorium – letzte Erkenntnisse - Cory d'Or

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bösen Blick von Norbu ein.

      Ich nahm noch einen Schluck vom Rotwein. Ganz schön trocken. Aber Norbu mag ihn so.

      »Erst unabhängige Beobachter konnten die Durchgaben – wie gesagt: Mitschriften verschiedener Medien in allen Teilen der Welt – zusammensetzen, und plötzlich ergab sich ein Zusammenhang. Sie bezogen sich alle aufeinander.« – »Wow«, entfährt es mir, »Telepathie!« Norbu schüttelt unwirsch den Kopf: »Eben nicht. Von wem immer diese Durchgaben stammten: Sie sollten ausschließen, dass die Medien telepathisch Kontakt zueinander hatten.« – »Also keine Telepathie«, sage ich und runzle die Stirn: Was denn dann?

      »Setzen wir Ockhams Rasiermesser an und gehen von der einfachsten Erklärung aus: Myers ist nach seinem Tod auf die Idee gekommen, wie er ein Fortleben der menschlichen Psyche beweisen kann: durch diese verstreuten Durchgaben an verschiedene Medien, die nur in ihrer Gesamtheit einen Sinn ergeben. Es waren Informationen darunter, zu denen nur sehr wenigen Menschen Zugang hatten. Und in rund dreißig Jahren kamen so mehr als dreitausend Texte zustande. Nur, dass davon nichts in der Wikipedia steht, weder der deutschen noch der englischen. Genauso wenig wie beim Artikel über ›Automatisches Schreiben‹ etwas vom Spiritismus steht und und und.«

      Norbu sieht mich auffordernd an. Doch ich kann ihm nicht so richtig zustimmen: »Vielleicht ist das auch besser so. Ich finde das sehr, äh, verstörend, was du mir da erzählst. Das mit den 3000 Durchgaben.« Ich nehme einen großen Schluck vom Wein und schenke mir nach. Je länger ich darüber nachdenke, desto unwohler wird mir unter dem Blick Myers’ von seiner Wikipedia-Seite.

      »Du bist genau wie die«, sagt Norbu und klappt sein Laptop enttäuscht zu. »Was nicht in dein schlaues Weltbild passt, wird rausgekickt.« – »Apropos«, sage ich, »Lust auf eine Partie?« Das Ablenkungsmanöver ist ein voller Erfolg: Kurze Zeit später stehen wir an Norbus Kicker und spielen die letzten Spiele der Champions League nach.

      Erst auf dem Heimweg – ein wenig schwankend, aber gutgelaunt – fällt mir dieser Myers wieder ein. Seltsamer Kerl. 3000 unsinnige Texte? Klingt wie etwas aus dem Internetzeitalter. Mit einem Blog aus dem Jenseits hätte er bestimmt mehr erreicht und es vielleicht sogar in die Wikipedia geschafft …

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       6.2.12

      Ich betrete den Korridor, und sogleich stoße ich auf – wie soll ich es beschreiben? – ein Tuch aus glasigem Frost, durch das die Sicht verschwimmt und Töne, wenn überhaupt, dann nur gedämpft hindurchdringen. Die hinter diesem Schleier sitzen – was ich ihnen zum Diktat, zur wortgetreuen Übermittlung zuzurufen versuche, bringen sie nur widerwillig und manches Mal begriffsstutzig zu Papier.

      Wie soll ich euch den Beweis nur zukommen lassen, solange dies die einzige Möglichkeit für mich ist, die Botschaft durchzugeben? Ich kann unmöglich wissen, wie viel ihr empfangt von dem, was ich euch sende. Wie nur kann ich euch überzeugen? Meinen fortwährenden Versuchen stehen unsagbare Schwierigkeiten entgegen, und dieses Gefühl einer schrecklichen Machtlosigkeit belastet mich schwer. Oh, es ist ein dunkler und grausamer Korridor! Aber ich will, ich darf einfach nicht nachlassen in meinem Bemühen …

      Myers

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       15.2.12

      Ich betrete den Korridor. Mein Freund Norbu scheint nicht an Bord zu sein, doch als ich etwas ratlos in seinem Wohnzimmer stehe, höre ich plötzlich Hammerschläge. Einbrecher? Nein, geht mir auf, wahrscheinlich Norbu, der er ein Leck abdichtet und dafür sorgt, dass sein Hausboot nicht untergeht.

      Da kommt er auch schon, seine Werkzeugkiste in der Hand, und wir machen es uns mit einem Glas Rotwein gemütlich. »Ich hab uralte Aufzeichnungen von mir gefunden«, erzähle ich ihm. Als Jugendlicher war ich fasziniert von Atlantis und habe – wie ein kleiner Privatgelehrter – die Stadtbibliothek nach archäologischen Hinweisen auf die Bewohner dieses untergegangenen Kontinents durchforstet. Ich zeige Norbu Höhlenzeichnungen, von mir damals fein säuberlich aus verschiedenen Büchern abgemalt und mit gelehrten Kommentaren versehen. Sie stammen sowohl aus der Alten als auch aus der Neuen Welt. »Dazwischen lag Atlantis«, erkläre ich, »und deshalb gibt es so eigenartige Ähnlichkeiten in den Symbolen und Darstellungen, lange bevor Kolumbus kam oder die Wikinger Amerika entdeckt hatten: überlebende Atlanter, die sich auf die umliegenden Kontinente flüchteten.« Die These überzeugt mich auch heute noch.

      Mein Freund Norbu reibt sich das Kinn. »Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass es für diese Ähnlichkeiten vielleicht gar keine Kontakte auf dem Seeweg brauchte?«

      »Du meinst, das ist alles reiner Zufall?« Enttäuscht nehme ich mein vergilbtes und schon langsam auseinanderfallendes Notizbuch zurück.

      »Nein, mitnichten. Aber du hast dich doch auch mal mit Schamanismus auseinandergesetzt …«

      Ja, richtig, Schamanen gab es auch in fast allen Kulturen der Welt, Heiler, die in Kontakt mit der Geisterwelt und mit den Ahnen standen.

      «Und möglicherweise auch«, meint mein Freund Norbu, »in Kontakt miteinander

      Es dauert einen Moment, bis die Erkenntnis in mich einsickert. »Du meinst: über die Weltmeere hinweg, von Volk zu Volk? Und das – telepathisch?!« Norbu weist bestätigend auf mein Notizbuch. »Hm. Schamanen der europäischen Megalith-Kultur tauschen sich geistig mit denen der Proto-Amerikaner aus …«, stelle ich mich vor. Und klar: Das könnte auch die Ähnlichkeit der Pyramiden erklären, oder die Tatsache, dass nicht nur die Ägypter ihre Toten mumifizierten, sondern auch einige Indiostämme. Die Schamanen kennen neben der Unterwelt der Toten und der oberen Welt mit hilfreichen Geistern nämlich auch die mittlere Welt – das astrale Gegenstück zu unserer Tages-Wirklichkeit und ihr Widerschein in der geistigen Welt. Auf Reisen in die Mittelwelt könnten die Schamanen früherer Zeiten, losgelöst von Raum und Zeit, fremde Kontinente und Zivilisationen besucht haben – und damit auch ihre jeweiligen Kollegen.

      »Vielleicht aber auch nicht«, reißt mich Norbu aus meinen Überlegungen. »Es gibt Hinweise darauf, dass es noch vor den Wikingern Kontakte zwischen Europa und beiden Amerikas gab. Die Chinesen, die Römer, Griechen, Ägypter und Phönizier – sie alle sollen dagewesen sein und Handel mit den Kulturen dort getrieben haben. Und vielleicht auch schon die xithvölker. Und das alles, ohne dass ein Atlantis als Eselsbrücke fungieren musste.«

      Ich sehe wahrscheinlich etwas enttäuscht aus, denn mein Freund Norbu fügt tröstend an: »Aber natürlich ehren dich deine frühen Recherchen. Wer weiß, ob sie nicht doch noch einmal wichtig werden und neue Antworten geben? Oder neue Fragen aufwerfen?«

      Ich weiß, dass mein Freund Norbu das nicht ernst meint, aber fühle mich trotzdem auf seltsame Weise bestärkt, und der junge, neugierige Vierzehnjährige, der irgendwo noch in mir steckt, freut sich, eine späte Bestätigung dafür zu bekommen, bedeutende Grundlagenforschung betrieben zu haben.

      Ich halte mein Notizbuch fest in der Hand, als ich davonradle, und beschließe, es nicht wieder zurück in eine verstaubte Schublade zu stecken, sondern ihm einen Ehrenplatz auf meinem Regalbrett mit Frühwerken großer Genies einzuräumen.

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       2.3.12

      Ich betrete den Korridor nur unwillig. Unter Protest. Mit hängenden Schultern. Widerstrebend. Nur ungern. Zögernd. Und

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