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Ein beschwingtes Lied auf den Lippen. Voll Zuversicht. Energisch. In bester Laune. Ohne viel Federlesens. Und kann es kaum erwarten.

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       5.3.12

      Ich betrete den Korridorium-Bus und entrichte den Fahrpreis bei der Fahrerin. Sie hat rotgefärbte Haare und berlinert. Ich traue mich nicht, sie zu fragen, ob vielleicht sie Cory d’Or ist, die Autorin des Korridorium-Blogs ist, sondern erkundige mich nur bei ihr, ob es Texte aus dem Blog zu hören gibt. »Weeß ick nich jenau. Lass dich ma übaraschen«, rät sie mir.

      Es ist ein alter Doppeldecker, der übers Land tourt und eine »mobile meditative Musikreise« anbietet, die eine ganze Nacht lang dauern soll. Seine Fenster sind verhängt, und ich betrete den abgeteilten Fahrgastraum von der Fahrerkabine aus durch einen schweren Vorhang. Erst einmal sehe ich – so gut wie nichts. Während sich der Bus wieder in Bewegung setzt, gewöhnen sich meine Augen langsam an das Dunkel. Leise Ambientmusik mischt sich in die Fahrgeräusche.

      »Die Nummer zwee, Treppe hoch und links die dritte«, hatte mir die Fahrerin gesagt. Inzwischen kann ich die Treppe erkennen – und die einzelnen Kojen, die den Mittelgang säumen. In den Flugblättern wurde erklärt, dass es sich um ein Konzert handelt, dass man im Liegen hört. Ich kann nicht erkennen, wie viele von den Liegen besetzt sind.

      Als ich die Treppe hochsteige, komme ich wohl nah an einem Lautsprecher vorbei, denn an meinem linken Ohr flüstert eine Stimme die Frage: »Wer bin ich (und warum nicht gleich so)?« Die Klammern kann ich natürlich nicht hören, aber so stand es auf dem Programmzettel. Darum geht es bei dieser nächtlichen Reise, das ist sozusagen der Titel und das Angebot des Konzerts: darüber zu meditieren.

      Der Bus legt sich in eine Kurve, und ich muss mich festhalten. Zwischen den Kojen begegne ich im Dämmerlicht einer Frau, die der Fahrerin aufs Haar gleicht und mir mit einer einladenden Bewegung Tee aus einer großen Thermoskanne anbietet. Sind es Zwillinge? Während ich den Becher von ihr entgegennehme, fragt sie mich flüsternd ins Ohr: »Wer bist du – und warum nicht gleich so?« Mir fällt keine passende Antwort ein. Aber die Nacht ist ja noch jung.

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       6.3.12

      Ich betrete den Korridor nach einem viel zu kurzem Schlaf. Aber so ist das hier im Schlaflabor: Die Arbeit fällt hauptsächlich nachts an – die Probanden schlafen, die Forscher wachen und sammeln Daten. Diesmal versuche ich mit einer Probandin zu kommunizieren, die das Klarträumen beherrscht. Ich trete in unseren Kontrollraum, von dem aus wir nach drei Seiten durch halbverspiegelte Scheiben in enge Schlafzimmer sehen. Nur ein Bett ist belegt.

      Als mir der Enzephalograph anzeigt, dass die Studentin träumt, lasse ich drei helle rote Blitze ihr kleines Zimmer erhellen – als vorher abgesprochene Hilfe für sie, innerhalb des Traumes zur Luzidität zu erwachen, und eine Art Anklopfen bei ihr, dass wir sie kontaktieren möchten. Sie ist eine unserer erfahrensten Klarträumerinnen.

      Die Bewegungen ihrer Augäpfel lassen, zeigt mir der entsprechende Monitor, jetzt ein Muster erkennen. Erst achtmal ein Ruck nach links, dann einmal, dann zwölfmal und noch einmal zwölfmal, dann fünfzehnmal. Ein simpler Code: Sie hat mir gerade »Hallo« gesagt.

      Über Lautsprecher frage ich, ob sie mich hören kann. Der Enzephalograph zeigt, dass sie schläft und träumt. Trotzdem signalisiert sie mir mit ihren Augen: »Ja«. – »Dann los!«, sage ich. Sie kennt ihre Aufgabe. Sie soll – im Traum und ohne aufzuwachen – ihren Körper hochschweben lassen bis über den Schrank in ihrem Raum und uns durchgeben, was für eine Zeichnung sie sieht. Die haben wir – ohne sie selbst zu kennen, denn sie wird per Zufall ausgewählt – dort oben für sie platziert.

      Kurze Zeit später signalisiert sie mir mit unserem etwas umständlichen, dafür aber simplen Code: »toter Vogel«. Gespannt eile ich zum Schrank.

      Es ist kein toter Vogel, sondern die Buchstaben-Zahlen-Kombination F-B3T-42. Ich bin ein wenig enttäuscht, aber als Wissenschaftler darf man sich nicht von Erwartungen leiten lassen, sondern muss sich allein an den Fakten orientieren. Und diese legen nahe, dass sie zwar geträumt hat, die gestellte Aufgabe zu erfüllen, dies aber nur in ihrer Vorstellung tat und nicht etwa bei so etwas wie einer außerkörperlichen Erfahrung. Unsere Probandin gibt später zu Protokoll, sie habe einen toten Eichelhäher gesehen, doch das Wort schien ihr zu lang, um es per Augenbewegung an uns durchzugeben.

      Anderthalb Wochen nach diesem Versuch beobachte ich zufällig im Hof vor dem Flachbau, der unsere Labore beherbergt, unseren Hausmeister mit einem toten Eichelhäher in der Hand. Ich frage ihn danach, und er erklärt, seit unsere zwei Schornsteine mit chromglänzenden Metall verkleidet wurden, brechen sich auf dem Dach hin und wieder Vögel, die die Spiegelung für den Himmel halten, das Genick. Ich lasse mir von ihm auf dem Grundriss des Gebäudes die Fundstelle zeigen. Tatsächlich: Der tote Vogel lag genau über dem Schrank, auf dem wir unsere zufälligen Zeichnungen platziert hatten. Nur eben ein paar Meter höher auf dem Dach.

      Der Hausmeister, ein Mensch, der von uns Forschern allerhand Unsinn gewohnt ist, sah sich den Eichelhäher auf meine Frage hin genauer an, bohrte prüfend seinen Finger unter die Federn und meinte: »Klar kann der schon anderthalb Wochen da oben gelegen haben. Aber was macht das schon fürn Unterschied?« Ich bleibe ihm die Erklärung schuldig.

      Die Versuchsreihe hatten wir bereits abgebrochen, weil wir keine signifikanten und wiederholbaren Ergebnisse erzielen konnten. Zu vorschnell? Den Kollegen erzähle ich nichts von dem toten Vogel. Mit so einer Anekdote würden wir uns in Wissenschaftlerkreisen nur lächerlich machen.

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       15.3.12

      Ich betrete den Korridor. Es ist ein eigenartiges Gefühl, nach all den Jahren hierher zurückzukommen. Es sieht – auf den ersten Blick – alles noch genauso aus wie damals: die weiße Gewölbedecke, die schlichten Steinsäulen, die sich in regelmäßigen Abständen bis in die Ferne fortsetzen, der glatte, kühle Marmorboden unter meinen nackten Füßen – und das Wärterhäuschen, dem ich gleich zu Anfang gegenüberstehe. Der Troll öffnet das ovale Holztürchen im Fenster, um mit mir zu sprechen.

      »Wer sind Sie, und was suchen Sie hier?« Er klingt streng, aber das muss er ja auch sein. Er ist der Kontrolleur hier. Ich hatte ganz vergessen, dass er mir als Troll erscheint. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Zumindest nicht bewusst.

      »Ich bin’s, der Boss. Ich wollte hier mal wieder nach dem Rechten sehen.«

      Der Troll sieht mich stirnrunzelnd an. »Haben Sie einen Termin? Haben Sie die Formulare ausgefüllt? Haben Sie einen Berechtigungsausweis oder eine Empfehlung? Sie können hier nämlich nicht einfach so …« – »He he he, mal langsam«, unterbreche ich ihn, »ich brauche das alles nicht. Ich bin hier der Chef. Und ich möchte mich gerne mit meinem Kontrolleur unterhalten.«

      »Das bin ich«, sagt der Troll in seinem Wärterhäuschen, bar jeden Humors.

      »Was ist deine Aufgabe?«, frage ich ihn. Er erläutert es mir. Der Troll hat, wie alle hier im ersten Teil des Korridors, einen recht begrenzten Horizont. Von daher ist es nicht überraschend, dass er mir erklärt, seine Aufgabe sei es, alles Mögliche zu kontrollieren, Tag und Nacht, weil es sonst sofort völlig aus dem Ruder laufen würde. Kontrolle sei das Allerwichtigste, und ohne ihn würde hier völliges Chaos ausbrechen. »Ich versuche nur, so gut wie möglich meinen Job zu machen«,

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