Die Tochter, die vom Himmel fiel. Jürgen Heller
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Jürgen Heller
Die Tochter, die vom Himmel fiel
Hallsteins vierter Fall
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Inhaltsverzeichnis
Landkreis Rosenheim, Sonntag, 20.07.2014
Berlin, Donnerstag, 24.07.2014
Berlin, Donnerstag, 31.07.2014
Vorbemerkung
Die Handlung in dem vorliegenden Roman ist vollständig frei erfunden, ebenso alle auftretenden Darsteller und ihre Namen. Entstehende Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt. Die Orte der Handlung sind fiktiv aber in die real existierenden Umgebungen der jeweiligen Regionen eingebettet.
Jürgen Heller
Landkreis Rosenheim, Sonntag, 20.07.2014
Es ist noch relativ hell und obwohl der Himmel vom nahen Inntal her immer mehr zuzieht, macht es den beiden Frauen keine Probleme, die sich mehr und mehr in unübersichtlichen Kurven nach oben windende Straße mit ihrem Kleinwagen zu bewältigen. Vor einigen Jahren, als sie in diese Gegend gezogen sind, war es noch etwas Besonderes, etwas Spannendes, mit dem Auto die engen Gebirgsstraßen zu meistern. Inzwischen ist es für beide zur Routine geworden. Sie haben absichtlich nicht die Autobahn gewählt, lieber diese wenig befahrene Straße, nicht zuletzt wegen der Vignette, die ist ja nicht ganz billig, und nur für den einen kleinen Abstecher ins Tiroler Unterland? Nein, dann lieber so. Sie haben sich den Weg über den Ursprungpass vorher sehr genau auf der Karte angesehen. Jetzt sind sie fast ein wenig enttäuscht. Nachdem sie das Skigebiet Sudelfeld passiert haben, das jetzt im Sommer so aussieht, wie Skigebiete im Sommer eben aussehen, führt die Straße jetzt durch eine waldige Gegend. Die Bäume stehen so dicht, dass man aus dem Auto heraus keine Aussicht auf die umliegenden Bergspitzen hat. Aber die beiden Frauen haben ohnehin kaum einen Blick für die Landschaft übrig, ist ja schließlich auch keine Vergnügungstour. Je näher sie ihrem Ziel kommen, desto schweigsamer werden sie. Auf der Tiroler Seite ist die Straße etwas besser. Sie durchfahren den kleinen Ort Landl und passieren nach kurzer Zeit auf der rechten Seite den Thiersee. Danach geht es über ein paar Spitzkehren hinab Richtung Kufstein. Sie unterqueren die A12, die Inntalautobahn und passieren wenig später den Kufsteiner Bahnhof. Dann führt sie die Straße über den Inn und kurze Zeit danach zeigen ihnen die Ortsausgangsschilder, dass sie Kufstein schon wieder verlassen. Die Frau auf dem Beifahrersitz wird scheinbar immer nervöser, mindestens die dritte oder vierte Zigarette. Die Fahrerin wirft ihr einen verächtlichen Blick zu und öffnet demonstrativ das Fenster auf ihrer Seite. Es ist immer noch nicht ganz dunkel, Scheiß Sommerzeit, das hatten sie bei der Planung nicht richtig bedacht. Aber jetzt, wo sie wieder durch ein unbesiedeltes Waldstück fahren, schaltet die Frau am Steuer doch die Scheinwerfer ein. Die Beifahrerin hat endlich ihre Zigarette aufgeraucht und nachdem der Fahrtwind die Luft im Wagen noch einmal gründlich durchgewirbelt hat, kann das Fenster wieder geschlossen werden. Die Fichten und Lärchen verlieren ihre Farbe, aus grün wird schwarz. In den Baumspitzen haben sich Nebelfetzen verfangen, die sich unaufhörlich von den steil aufragenden Felswänden herablassen, als wollten sie den Wald zum Nachtschlaf zudecken. Die Fahrerin verlangsamt die Fahrt und starrt konzentriert hinüber zum Waldrand. Irgendwo da drüben muss die Einfahrt kommen. Sie war einige Zeit nicht mehr hier und die inzwischen herrschende Dunkelheit erleichtert die Suche nicht gerade.
"Es ist noch ein gutes Stück weiter, genau da hinten, wo die Bushaltestelle ist."
"Bushaltestelle? Seit wann ist da eine Bushaltestelle?"
"Och, ich weiß nicht. War die nicht schon immer da? Keine Ahnung. Kann mich nur deshalb erinnern, weil ich mal aus dem Wald herauskam und den gerade ankommenden Bus fast übersehen hätte."
"Hoffentlich kommt der nicht gerade jetzt. Jeder Zeuge ist eine potentielle Gefahr. Und gerade Busfahrer, die merken sich doch alles, was sie auf der Straße sehen."
"Glaubst du? Kann mir nicht vorstellen, dass in dieser Gegend um diese Uhrzeit noch ein Bus fährt."
Es kommt kein Bus und die beiden Frauen haben den gesuchten Abzweig gefunden. Die Fahrerin hatte sich eigentlich vorgestellt, den Rest des Weges aus guten Gründen ohne Licht zu fahren, aber das kann sie vergessen. Zu unwegsam ist die Forststraße, die eigentlich nur aus zwei Spuren mit festgefahrenen Kieselsteinen besteht. Das zwischen den Spuren hochgewachsene Gras schleift am Unterboden des Autos und erzeugt ein unheimliches Geräusch, als ob sie nicht schon angespannt genug wären. Dann endlich die Lichtung und sie können auch gleich das Haus sehen. Hinter fast jedem Fenster brennt Licht, naja, wenn man hier draußen so alleine wohnt. Sie stellen sich mit ihrem Auto neben einen großen, dunklen Geländewagen, was den Kleinwagen noch winziger erscheinen lässt. Die riesigen Reifen des Geländewagens mit dem groben Profil sind voller Dreck und die Frontscheibe nur da durchsichtig, wo die Scheibenwischer ihre Arbeit getan haben. Nachdem sie den Motor ausgeschaltet haben, bleiben sie noch abwartend sitzen, um zu sehen, ob ihre Ankunft bemerkt wurde. Es bleibt alles ruhig und die beiden Frauen steigen aus, reden jetzt aber kein Wort mehr. Die Fahrerin greift zum x-ten Male in die Innentasche ihrer schwarzen Lederjacke, alles da. Die Beifahrerin