Regen am Nil. Rainer Kilian

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Regen am Nil - Rainer Kilian

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      „Warst du fischen, Noda?“

      „Auf Santorin? Nein, ich hab den Bauch voll Wein, in meinem Schiff, meine ich.“

      „Hast du so großen Durst?“ „Das auch, aber ich habe eine 24-Stunden-Bar am Strand aufgemacht. Das bringt mehr ein als das Fischen. Die Ägäis ist fast leergefischt. Das verdammte Dynamit!“

      Er grinste und zeigte mir seine linke Hand, an der ein Finger fehlte. In dieser Region war es bis in die achtziger Jahre üblich gewesen, eine Dynamit-Ladung über dem Wasser zu zünden. Die Druckwelle brachte die Schwimmblase der Fische zum Platzen und sie trieben nach oben, an die Meeresoberfläche. Dort brauchten sie nur noch eingesammelt werden. Damit wurde auch die jüngere Brut vernichtet. Damit war bald das Meer leergefischt und die Fischer hatten sich selbst die eigene Grundlage ihrer Existenz entzogen. Als ich das erste Mal auf Ios war, hatte ich noch nicht viel von den Problemen bemerkt, die die Fischer hatten. Aber da war ich auch fremd gewesen und konnte die Landessprache nicht. Noda hatte mir damals geholfen, die felsige Hafeneinfahrt zu meistern. Ich hatte Gegenwind und musste ständig kreuzen. Er nahm mich damals kurzerhand in Schlepptau und verhinderte damit eine mittlere Katastrophe oder eine größere Menge Kleinholz.

      So waren wir Freunde geworden. Und jetzt schipperten wir über das Meer Richtung Ios. Ich freute mich wahnsinnig, die kleine Insel wiederzusehen. Wir unterhielten uns in einer Mischung aus Englisch und Griechisch.

      „Kannst du denn von einer Bar hier leben? So viele Schiffbrüchige verirren sich doch nicht nach Ios.“

      „Da irrst du. Auch wir sind vom Tourismus erfasst worden. Die Chora, unser Hauptort, besteht fast nur noch aus Bars, Hotels und Discos. Aber es gibt noch einige ruhige Ecken. Wo hast du denn gebucht?“

      „Pension Glaros. Direkt am Strand. Hat mich auch gewundert. Als ich damals hier war, gab es lediglich eine einzige Taverne im Hafen.“

      Noda schien etwas beruhigt. „Na, da bist du nicht weit weg von meiner Bar. Aber schau es dir halt selbst an.“ Er setzte die Segel und ich übernahm kurz das Ruder. Der Wind stand günstig und wir machten schnelle Fahrt. Er konnte den Dieselmotor schonen und schaltete ihn ab. In der Ägäis zu segeln war das Schönste, was ich mir vorstellen konnte. Nodas Schiff hatte zwar nicht die Eleganz einer Yacht, aber das Knarren des Holzrumpfes, das rauschende Wasser am Bug und das Singen des Windes in den Tauen und Segeln war Musik in meinen Ohren. Schneller als mir lieb war, tauchte Ios östlich von uns auf. Wir segelten an der Küste entlang, bis wir die schmale Einfahrt sahen.

      Ich übernahm erneut das Ruder, während Noda mit geübter Hand die Segel barg. Dann startete er wieder den Diesel und steuerte durch die Enge, die sich bald zu einem natürlichen Hafenbecken erweiterte. Steuerbord, also rechter Hand, befand sich der befestigte Teil des Hafens, den wir ansteuerten. Vorbei an der Kirche der Agia Katherini, die schneeweiß im typischen Kykladenstil gebaut war. Weiter oben auf einer Anhöhe befand sich die Chora, die Hauptstadt. Blau hoben sich die Kuppeln von mehreren Kirchen von den weißen Häusern ab. Die Kykladenbewohner waren alle sehr gläubig. Die Religion spielte eine große Rolle in ihrem Leben.

      Das hielt sie aber nicht davon ab, den Touristen Geld abzunehmen. Das war auf Ios nicht anders. Im Laufe der Jahre hatten sich doch einige Tavernen und Hotels angesammelt, die noch nicht existierten, als ich damals hier war. Mit ruhiger Hand steuerte Noda das Boot an den Anleger und machte fest. Mit etwas Unbehagen merkte ich, dass am Fährbereich fast genau soviel los war wie auf Santorin. Viele Rucksacktouristen waren dabei. Noda begann gleich, das Boot zu entladen. Er holte einen kleinen Transporter von seinem Parkplatz. Ich half dabei, die Kisten mit Wein zu entladen und wie selbstverständlich lud er meine Koffer auf. Am Fähranleger hielt er Ausschau nach meinem Vermieter, der mich ja dort erwartete. Wir konnten niemanden entdecken und fuhren an der Uferstraße entlang direkt ins Hotel. Keine fünfhundert Meter entfernt waren wir schon da. Das „Glaros“, was soviel wie Möwe heißt, war ein kleines, familiär geführtes Hotel. Der Besitzer war an der Rezeption und begrüßte mich einigermaßen überrascht.

      „Apo pou irthate? Von wo sind sie gekommen?“ „Me ton Noda! Mit Noda! Apo tin Santorini! Von Santorin!“ Ein weiterer Wortschwall kam aus seinem Mund, da er jetzt annahm, ich würde perfekt die Landessprache beherrschen. Ich musste ihn aber enttäuschen und bremsen.

      „Sigá, sigá. Langsam, langsam. Thora mathemo. Ich lerne noch.“ Aber die Worte „Schlüssel“ und „Zimmernummer“ hatte ich verstanden und ging zu meiner Unterkunft. Statt in einem großen Klotz war das Hotel in kleinen Würfeln gebaut. Jeder Würfel bestand aus vier Zimmern, jeweils mit einem kleinen Balkon davor. Es hatte etwas von einer Puppenstube. Zwischen den einzelnen Würfeln waren die Wege mit Kalkplatten verlegt und rechts und links mit Oleander und Palmen begrenzt. Vom Treiben am Hafen war ich weit genug weg, um meine Ruhe zu haben. Aber von der Terrasse des Hotels konnte man die ganze Bucht und den Strand beobachten. Das tat ich dann auch gleich, nachdem ich meine Koffer verstaut hatte.

      Der Meltemi hatte sich soweit beruhigt, dass man ohne Windschutz sitzen konnte. Der Strand war aber nicht so voll, zum Baden war es wohl doch etwas zu kühl, wenn man nass aus dem Wasser kam. Einige Surfer hatten den Kampf mit dem Wind aufgenommen. Ihnen war die Brise hochwillkommen. Ihre bunten Segel schossen durchs Wasser, dass es eine Freude war. Gleich morgen würde ich es auch probieren. Als „fortgeschrittener Anfänger“ war mir eine schwächere Brise vollkommen ausreichend. Aber das geschlossene Rund der Bucht wirkte auf mich vertrauenerweckend, ich würde nicht gleich verloren gehen und vielleicht auf Kreta angespült werden. Stundenlang hätte ich hier sitzen können.

      Das Rauschen der Wellen im Sand, das ewige Spiel des Wassers gegen den Strand und der Wechsel der Farben von dunklem Grün über helles Blau bis zum Weiß der auflaufenden Gischt wirkten so beruhigend auf mich. Alle Last der vergangenen Reise fiel von mir ab. Ich spürte, wie die Gegenwart langsam verschwamm. Ich ließ es geschehen. Auch die Geräusche des Meeres wurden leiser. Ich konnte das Klopfen von Metall auf Stein hören. Das Wasser verschwand und wich einer steinernen Wüste. Ich war wieder am Nil ...

       Nacht in der Wüste

      Senenmut konnte es kaum fassen. Er bearbeitete den brüchig gewordenen Stein mit einem Meißel. Es war doch schwieriger, als es aussah. Aber nach dem er zuerst an dem abgestürzten Felsen geübt hatte, gelang es ihm recht gut, die verblassten Ornamente und Reliefs zu vertiefen. Er musste sich konzentrieren, was ihm sehr schwer fiel. Er hielt kurz inne und dachte über das Erlebte nach, das ihm heute passiert war.

      Er war am Morgen wie gewohnt in den Amun-Tempel gegangen, um seine Arbeiten zu verrichten. Aber Hapuseneb kam ihm entgegen.

      „Senenmut, du wolltest doch die Stätte deiner Familie erneuern. Ich gewähre dir die Zeit, die du brauchst. Wir haben heute nur wenig Arbeit.“

      „Aber du hast mir doch vor Kurzem gesagt, das du alle zur Verfügung stehenden Schreiber brauchst, um die Begräbnisse unserer Krieger aus Mitanni zu organisieren.“

      „Das stimmt auch. Aber wir haben den größten Teil ihrer Körper bereits gereinigt und in die Salzerde gelegt. Die Zeit wird das ihre tun und wir müssen abwarten. Du kannst also so lange bleiben, wie du brauchst. Ich denke, einem Priester des Amun würde es schlecht anstehen, wenn er seinen Vorfahren nicht die gebührende Ehre erweist.“

      Es konnte Senenmut nur recht sein, wenn er vorübergehend von seinen Pflichten entbunden war. Aber etwas seltsam kam es ihm doch vor.

      „Du bist doch zufrieden mit meiner Arbeit? Oder nicht?“, versicherte er sich.

      „Mehr als das, glaube mir“, beruhigte Hapuseneb ihn. „Bevor das Talfest beginnt, müssen wir viel vorbereiten. Wir erwarten

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