Regen am Nil. Rainer Kilian

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Regen am Nil - Rainer Kilian

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auf die morgendliche Speise. Er fühlte keinen Appetit in sich, nur den Schmerz und die Liebe zu dieser Frau, die ihn so tief getroffen hatte. Er versuchte sich mit Arbeit abzulenken und arbeitete wie ein Besessener an den Reliefs. Er gönnte sich keine Pause, erst die sengende Glut der Sonne zwang ihn, sich in den kühlen Schatten zurückzuziehen. Erschöpft lehnte er an einer Wand. Sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Wie würde er hier leben können, wenn er sie immer nur von Weitem erblicken dürfte? Er dachte darüber nach, wegzugehen von Theben. Nach Memphis vielleicht oder zurück nach Iuni, der Stadt seiner Geburt.

      Nur am Rande registrierte er, dass seine Hände voller Schwielen waren. Aber der Schmerz in seiner Seele war größer. Nachdem die Sonne ihren Zenit überschritten hatte, begann er sofort wieder zu arbeiten. Schnell war das Ende des Tages erreicht. Senenmut betrachtete sein Werk, und im Normalfall wäre er stolz auf sein Werk gewesen. Aber er war zu sehr mit seiner Sehnsucht nach ihr beschäftigt, als dass Freude in ihm aufkommen wollte. Er dachte an seinen Vater, und was der ihm geraten hätte. Er wusste genau, an seiner Stelle hätte er auch seinem Sohn ins Gewissen geredet, die Maat zu achten. Aber seine Seele spürte nur die Liebe zu ihr. Sie überwog alles andere.

      Er zündete das Lagerfeuer erneut an und bereitete sich ein Mahl. Die Vorräte waren trotz seiner Sparsamkeit am Schwinden. Länger als zwei Tage würden sie nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn er das Tempo durchhalten würde, könnte er es schaffen, in einem Tag fertig zu werden. Er hatte einige Reliefs komplett erneuert und sie um die Geschichte seines Vaters erweitert, um auch ihm die Gunst der Götter zu sichern. Im Licht des Lagerfeuers schienen sie wirklich zu neuem Leben zu erwachen. Es war, als ob sie zu ihm sprechen wollten. Er sprach im Geist mit ihnen. Amun, sein wichtigster Gott, dem er im Tempel diente. Osiris, der Gott der Unterwelt, der die Felder von Iaru und das Binsengefilde beherrschte. Isis, seine Gemahlin und ihre Schwester Nephthys. Horus, der falkenköpfige Gott und Sohn des Osiris. Sobek, der Gott des Nils. Hathor, die Göttin mit den Kuhhörnern und der Sonnenscheibe. Senenmut kannte sie alle in-und-auswendig. Aber keiner gab ihm die Antwort, nach der er suchte.

      Ein großer Schatten löste sich plötzlich von der Felswand und kam auf ihn zu. War es Hathor in ihrem Gewand? Doch nur für Sekundenbruchteile setzte sein Herzschlag aus. Dann wurde der Schrecken zur Freude. Es war Hatschepsut! Sie standen sich nur kurz gegenüber, dann fielen sie sich in die Arme. Senenmut hielt sie so fest, wie er nur konnte. Stumm umarmten sie sich und es kam ihnen wie eine Ewigkeit vor. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Er spürte die Form ihres Körpers unter seinen Händen. Der süße Duft ihrer Haut ließ ihn alles andere vergessen. Sie löste sich nur kurz von ihm, und dann trafen sich ihre Lippen zu einem langen, innigen Kuss. Sie bog ihren Kopf nach hinten und genoss seine Küsse auf ihrer Halsbeuge. Langsam lösten sie ihre Kleider und sanken zu Boden. Die Glut ihrer Körper ließ sie die Kälte der Nacht nicht spüren. Ihre Finger ertasteten seinen Körper zärtlich, während er den ihren mit Küssen bedeckte.

      „Wenn die Götter es nicht gewollt hätten, hätten sie dich nicht zu mir geführt!“ flüsterte sie ihm ins Ohr, dann gab sie sich still seiner Liebe hin. Ihre Schatten an der Felswand verschmolzen zu einem, genau wie ihre Körper. Alles um sie herum verschwand, die Felsen und die Wüste lösten sich auf, es waren nur die Sterne da, unter denen sie schwebten. Schu, der Gott der Lüfte, trocknete ihre schweißnassen Leiber, die in dieser Nacht keinen Schlaf fanden. Nut, die Himmelsgöttin, deckte sie mit dem Sternenzelt zu. Immer wieder fanden sie zueinander, und nur die Götter waren Zeuge. Viel zu früh kehrte Cheper, die morgendliche Sonnenscheibe, zurück aus der Unterwelt und erhellte den neuen Tag.

       Noda's Paradise

      Die Götter meinten es gut mit mir. Sie hatten mir in der Nacht den schönsten meiner Träume gesandt. Er war es aber auch, den ich immer wieder träumte und der mir die Frauen in unserer Zeit etwas weniger interessant erscheinen lies. Ich vermisste einfach dieses innige Gefühl tiefer Liebe, das ich aus meinen Träumen kannte.

      Ich hatte lange geschlafen. Es war fast elf Uhr, als ich zum Frühstück ging. Von der Terrasse des Hotels konnte ich sehen, dass der kleine Sandstrand der Bucht fast menschenleer war. Entweder waren die Besucher der Insel alle wasserscheu, oder sie verfügten über ein ausgeprägteres Schlafbedürfnis als ich. Auf jeden Fall war ich froh, dass ich noch etwas zu essen bekam. Gerade üppig war das Frühstück auch hier nicht. Etwas sehnsüchtig dachte ich an die „Jajoula“ des Hotels auf Santorin. Ich beschränkte mich auf eine Tasse Kaffee und ein Marmeladebrot und ging direkt zu „Noda's Paradise“. Es waren tatsächlich einige Gäste vorhanden, von denen ich annahm, dass sie noch vom Abend zuvor übrig waren. Sie mischten sich mit den ersten Gästen des neuen Tages. Noda war nicht zu sehen. Ich orderte mir mein zweites Frühstück. In Anbetracht der fortgeschrittenen Tageszeit auf amerikanische Art, mit gebratenem Speck und Eiern. Ich genoss den Ausblick über die Bucht und sah die ein- und ausfahrenden Fähren, deren Fahrplan sich offensichtlich normalisiert hatte.

      Ganz am Rande der Bucht konnte ich den Mast eines Seglers erkennen, der aus dem Wasser ragte. Das Boot selbst befand sich unter dem Wasserspiegel. Reste der zerfetzten Takelage baumelten vom Masttop im Wind. Während ich über die wahrscheinliche Ursache des Schiffbruchs nachdachte, legte sich eine riesenhafte Pranke auf meine Schulter.

      „Der hatte nicht so viel Glück wie du damals“, brummelte Noda und setzte sich zu mir.

      „Da hast du recht, mein Freund! Wenn du uns nicht geholfen hättest, wären wir auch auf dem Meeresgrund gelandet“, pflichtete ich ihm bei.

      „Wir Griechen sind halt die besten Seeleute!“, warf er sich stolz in die Brust.

      „Aber dass du zurückgekommen bist, freut mich!“ Er stellte eine Flasche Ouzo auf den Tisch und schenkte ein. „Yammas, file mou!“

      „Auf unser Wohl, mein Freund!“, wiederholte ich. „Wo sind denn die ganzen Touristen?“, wollte ich wissen.

      „Die meisten schlafen ihren Rausch aus“, klärte er mich auf. „Die Insel hat sich sehr verändert. Die Chora, unsere Hauptstadt, besteht aus einer Kneipe neben der anderen. Fischen geht hier keiner mehr. Die Uhren gehen hier anders, vor Mittag sieht man hier kaum jemand. Ab zwei Uhr am Nachmittag sind die Ersten hier am Strand. Und nach Sonnenuntergang ist hier erst richtig Leben. Von Mitternacht bis morgens um fünf ist hier jede Bar geöffnet.“

      Ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Ios war einmal ein kleiner Hafen mit der erhöht gelegenen Chora, der Hauptstadt, gewesen. Mehr als einhundert Einwohner hätte ich nicht vermutet.

      „Aber nach fünf Uhr muss alles dicht sein. Ich bin der Einzige auf der Insel, der rund um die Uhr offen hat“, verkündete er stolz und grinste. „Die bis dahin noch nicht genug haben, kommen hierher.“ Er wies auf einen Besucher, den ich noch vom Abend vorher erkannte. Der war mittlerweile auf seinem Barhocker eingeschlafen und sackte in Zeitlupe zur Seite. Ein Angestellter Nodas bewahrte ihn vor einem Sturz, indem er ihn routiniert auffing und ihn über seine Schulter legte. So transportierte er ihn über die Straße und legte ihn im Schatten am Strand ab. Wie ein Mehlsack plumpste er in den Sand, ohne ein Anzeichen von Leben.

      Noda schüttelte den Kopf. „Manch einer kennt halt seine Grenze nicht.“ Er goss zur Bestätigung grinsend Ouzo nach und prostete mir zu. Ich hatte keine Chance abzuwehren. Aber das reichhaltige Essen war eine gute Unterlage und bewahrte mich davor, das Schicksal des Besuchers zu teilen. Noda wollte schon wieder nachgießen, aber diesmal war ich schneller und deckte mein Glas ab.

      „Ftani! Es reicht!“, bat ich ihn um Gnade.

      „Kala, en daxi! Gut, in Ordnung! Ich sehe, du bist nicht mehr in Übung. Erzähl mir von dir! Was machst du jetzt so?“ Ich klärte ihn über meine privaten und geschäftlichen Aktionen auf.

      „Isse pantremenos? Bist du verheiratet?“,

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