Regen am Nil. Rainer Kilian

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Regen am Nil - Rainer Kilian

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konnte. Manch einer der Beamten würde vielleicht seinen Verdienst geschmälert sehen.

      Senenmuts Familie hatte seine Berufung natürlich mit Freude aufgenommen. Hatnofer war stolz auf ihren Sohn. Als er am Tag zuvor vom Hof des Pharaos zurückkam, hatte die Botschaft schon seine Familie erreicht. Er wurde bereits am Eingang von seinen Brüdern stürmisch empfangen. Übermütig verneigten sie sich vor ihm und warfen sich vor ihm in den Sand.

      „Willkommen, edler Herr!“, riefen sie und reichten ihm einen Weinkelch. Senenmut griff nach dem Willkommenstrunk und sah das Wasser darin. Er schüttete es lachend über seinen Brüdern aus, was sofort in einer wilden Balgerei endete.

      „Kinder, benehmt euch!“, mahnte Hatnofer. „Es ist nicht zu glauben, dass ihr schon so alt sein sollt. Ihr benehmt euch wie kleine Kinder.“ Kichernd hatten seine Schwestern Nofret-Hor und Ah-Hotep die übermütige Szene verfolgt. Jetzt klopften Senenmuts Brüder ihm den Staub von den Kleidern und setzten sich gemeinsam an den Tisch. Sie bestürmten ihn mit Fragen. Er musste ausführlich erzählen, was er erlebt hatte. Er erwähnte auch Hatschepsut, vermied aber die tatsächlichen Hintergründe. Vorläufig wollte er es bei der offiziellen Version belassen. Hatnofer hielt die Hand ihres Sohnes fest.

      „Du bereitest deinen Vorfahren und uns große Ehren. Dein Vater wäre stolz auf dich gewesen. Lass uns auf sein Andenken trinken.“ Sie erhoben ihre Kelche und tranken den Wein, den seine Schwestern geöffnet hatten.

      „Erzähle uns von ihr, ist sie wirklich so schön, wie man erzählt?“ „Welche Kleider hat sie getragen?“ „Hast du sie berührt?“ „Welche Düfte benutzt sie?“

      Seine Schwestern stürmten erneut auf ihn ein. Ihr Interesse galt mehr der Person Hatschepsuts. Senenmut bemühte sich, einen gleichgültigen Eindruck zu erwecken. Aber seine Gefühle konnte er nicht ganz verleugnen.

      „Sie ist die schönste Frau auf dieser Erde!“, bekräftigte er. „Sie muss von den Göttern abstammen.“

      Hatnofer musterte ihn misstrauisch. „Sohn, die Götter schauen auf dein Tun! Du wirst ihr den Respekt erweisen, der der Tochter des Horus gebührt!“, erinnerte sie ihn. Schmerzvoll blickte Senenmut zu Boden. Wie sollte ihre Liebe jemals eine Zukunft haben? Er schwieg in Gedanken verloren. Seine Geschwister plapperten unterdessen munter weiter. Der Wein löste ihre Zunge.

      Hatnofer blickte Senenmut nur an, sagte aber nichts weiter. Es war ihm unangenehm. Er fühlte sich ertappt.

      „Ich werde mein Amt so ausüben, dass ich dem Pharao Ehre erweise. Und seine Tochter möchte, dass ich sie in der Schrift unterweise.“ Das wiederum erschien seiner Mutter seltsam.

      „Sie ist eine Frau! Warum will sie die Schrift lernen?“

      „Sie ist die Tochter des Pharaos und die Erbtochter. Ihre Kinder werden über Ägypten herrschen. Wer könnte sie dann besser unterrichten als ihre Mutter?“, schmeichelte er Hatnofer. „Wenn sie vieles weiß, kann es nur gut für unser Land sein.“

      „Wozu soll das denn gut sein?“, warf sein Bruder Minhotep ein.

      „Du hast niemals die Pyramiden gesehen! Sie wurden vor über eintausend Schemu erbaut. Aber kein ägyptischer Baumeister ist heute mehr in der Lage, so etwas zu konstruieren. Das ist eine Dummheit! Wenn unsere Vorfahren ihr Wissen mit mehr Menschen geteilt hätten, wüssten wir es heute noch, wie sie gebaut wurden.“, argumentierte Senenmut. Er konnte es selbst kaum glauben, wen er da soeben zitiert hatte. So redeten sie die halbe Nacht, bis ihnen die Augen schwer wurden. Senenmut war erschöpft in tiefen Schlaf gefallen, bis ihn die Soldaten weckten.

      Sie geleiteten ihn zum Tempel des Amun und den dazu gehörenden Kornkammern. Die Beamten der Verwaltung grüßten ehrfürchtig ihren neuen Herrn. Senenmut war noch etwas unwohl in seiner Haut. Er war es nicht gewohnt, dass sich die Menschen vor ihm verneigten und ihn mit „Herr“ ansprachen. Er war ein Mann aus dem Volk, so wie alle anderen auch. Aber er war auch ein Ägypter, dem sein Land über alles ging. Und in den Kornkammern war etwas passiert, das es zu klären galt. Er wollte keine Zeit verlieren.

      „Bringt mir die Papyri der zwei letzten Ernten!“, befahl er. Die Sklaven eilten in die verschiedenen Kornspeicher, um die Aufzeichnungen zu holen. Ungeduldig ging Senenmut im Raum der Kornverwaltung auf und ab. Der Raum war aus Nilschlammziegeln gemauert und die Einrichtung bestand lediglich aus einem großen Tisch mit einem Stuhl sowie einigen Regalen, die mit einigen wenigen Papyrusrollen gefüllt waren. Normalerweise hätte der Raum bersten müssen vor Aufzeichnungen. Senenmut nahm ohne Wahl die erste greifbare Rolle und breitete sie auf dem Tisch aus. Er überflog die Schrift und stellte fest, dass es keinen Sinn hatte, was dort geschrieben stand. Der alte Nef-Sobek hatte offensichtlich wahllos irgendetwas aufgeschrieben. Aber den Überblick hatte er wohl nie gehabt. Es waren Lieferungen an Korn verzeichnet. Aber wohin sie gebracht wurden und wann, ging nicht daraus hervor. Entweder war er nie ausgebildet worden, oder es war Methode dahinter. Jedenfalls konnte Senenmut nicht erkennen, wie viel Korn in den Speichern sein sollte.

      Er hoffte, dass die Aufzeichnungen, die er angefordert hatte, Licht in das Dunkel bringen würden. Er war so in die Aufzeichnungen vertieft, dass er nicht registrierte, dass ein Sklave in den Raum eintrat.

      Dieser warf sich in den Staub und rief laut: „Verzeiht mir, mein Herr!“ Senenmut fuhr erschreckt aus seinen Studien hoch.

      „Was ist denn?“

      „Bitte verzeiht mir, mein Herr, aber wir haben die von dir angeforderten Papyri nicht gefunden. Es gibt sie nicht!“

      Senenmut glaubte seinen Ohren nicht. „Was soll das heißen? Willst du mir sagen, dass ihr keine Aufzeichnungen gemacht habt? Ihr habt das Korn in die Speicher eingelagert und habt es nicht aufgeschrieben?“ Er wurde wütend.

      „Nein, Herr!“ Der Sklave drehte sich im Staub wie ein Wurm und hielt sein Gesicht abgewendet.

      „Steh auf!“ Senenmut blickte ihn böse an. „Willst du damit sagen, dass das hier alle Aufzeichnungen sind? Wie lange bist du im Dienst der Kornspeicher?“

      Der Sklave hatte sich aufgerichtet und blickte nach unten auf seine Füße.

      „Ich weiß es nicht mehr, Herr. Meine Familie ist im Dienste des Tempels und der Kornkammern, seit ich denken kann.“

      „Wie ist dein Name?“, wollte Senenmut wissen.

      „Man nennt mich Chep-Ra, Herr!“

      „Du kennst dich aus in den Kornkammern?“

      „Ja, Herr. Ich bin in den Kornkammern aufgewachsen. Mein Vater hat schon hier gearbeitet.“

      „Und wo ist er jetzt?“

      „Er ist tot. Er hielt Wache am Kornspeicher in Karnak. Am Morgen danach fand man ihn mit durchschnittener Kehle.“

      Senenmut war erschüttert. Er musste an seinen eigenen Vater denken.

      „Hat man denn nie geklärt, was passiert ist?“

      „Nein. Der Vorfall wurde von Nef-Sobeks Sohn untersucht. Er kam zu dem Schluss, dass mein Vater im Streit mit einem Soldaten zu Tode kam.“

      „Lass mich raten. Dieser Soldat wurde von Nef-Sobek persönlich verhört?“

      „Nein, Herr. Er wurde ertrunken im Nil gefunden.“ Senenmut konnte sich den Rest der Geschichte selbst zusammenreimen.

      „Es

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