Regen am Nil. Rainer Kilian

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Regen am Nil - Rainer Kilian

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ihre volle Wirkung, ich schoss nur so dahin. Es klappte besser, als ich angenommen hatte und ehe ich es mir versah, war ich in der Nähe der Ausfahrt zum offenen Meer angelangt. Die eingeleitete Wende schlug fehl, und schon schluckte ich Wasser. Schnell wieder rauf aufs Brett und zurück zum Ufer. Hatte ich vor. Doch tatsächlich hatte ich mit der einsetzenden Strömung zu kämpfen, deren Sog mich aus der Bucht ziehen wollte. Der Wind war mein Verbündeter. Langsam kämpfte ich mich zurück in den Schutz des Naturhafens. Erleichtert holte ich Luft.

      Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Nicht umsonst hatte mich Noda damals in Schlepp genommen. Kaum dass ich mich wieder sicher wähnte, ertönte hinter mir das Signalhorn einer einlaufenden Fähre. Soweit ich konnte, wich ich dem Bug aus, der schnell näher kam und geradewegs auf mich zu hielt. Schnell kam ich aus der Schusslinie, obwohl ich mir sicher war, dass die Fähre sich einen Spaß damit machte, mich zu verfolgen. Dann drehte sie ab und nahm Kurs auf die Mole.

      Schwer atmend erreichte ich den Strand. „Nicht schlecht für den Anfang“, empfing mich Ralf. „Aber die Fähre solltest du wirklich nicht versenken. Da sind zu viele Touristen drauf.“

      „Ich werde es beim nächsten Mal beherzigen. Sind hier alle so freundlich?“

      „Vor allem die Fährkapitäne! Ihr Job ist so nervig, dass sie sich so sehr freuen, einen Surfer in ihrem Fahrwasser zu erwischen.“ Ich legte das Rigg zum Trocknen an den Strand und verstaute mit Ralf das Board. Vorerst war mein Bedarf gedeckt. Bevor ich das nächste Mal startete, würde ich einen Blick auf den Fahrplan der Fähren werfen. Jetzt war es erstmal genug mit dem Surfen. Ich machte mich wieder im Sand breit und genoss die Sonne auf meiner Haut. Bevor ich einschlafen konnte, trat Ralf erneut auf mich zu.

      „Ich müsste nur kurz im Hafen etwas abholen. Kannst du solange auf meine Station aufpassen und ein Auge drauf werfen?“

      „Klar, geh nur. Ich pass auf“, gab ich zurück. Er ging Richtung Hafen, während ich auf dem „Chefsessel“ Platz nahm. Er war allerdings nicht aus Leder, sondern aus Spritzguss-Plastik. Dafür mit einem fantastischen Blick direkt aufs Meer. Ich verschränkte die Arme hinter meinem Kopf und schloss die Augen. So hätte es ewig sein können. Ich legte die Füße auf einen zweiten Stuhl und begann zu wippen. Das Licht war selbst durch die geschlossenen Augen so intensiv. Ich musste unwillkürlich an Nodas Inselheiligen denken. Was er wohl mit den Bars und Discos anfangen würde?

      Während ich so vor mich hinträumte, fiel ein Schatten auf meine Augen. Blinzelnd öffnete ich sie, um den vermeintlichen Störenfried zu identifizieren. Eine Gestalt stand vor mir, die ich gegen die Sonne nicht erkennen konnte. Ich hob die Hand an die Augen, um etwas sehen zu können. Die Gestalt ging etwas zur Seite, sodass die Sonne mich nicht mehr so blendete. Ich konnte die Augen etwas weiter öffnen und konnte eine Frau in Badekleidung sehen. Unsere Augen trafen sich und im gleichen Moment verlor ich die Balance. Ich kippte nach hinten zwischen die Surfsegel. Es war Hatschepsut!

      „Vermieten sie das auch?“, fragte sie mich auf Englisch. Stumm konnte ich nur nicken. Sie zeigte auf ein Surfboard. „Thelo avto! Ich will dieses!“, fuhr sie auf Griechisch fort und wiederholte noch einmal auf Englisch.

      „Sas katalawa! Ich habe sie verstanden.“ Ich hatte zumindest meine Sprache wieder gefunden.

      „Bravo, elate! Gut, kommen sie!“ Ich befreite mich von dem Seilgewirr um mich und rappelte mich wieder auf. Ohne sich umzudrehen, ging sie zum Strand. Es war wohl selbstverständlich für sie, zu kommandieren. Ich schnappte mir Rigg und Brett und schleppte es ins flache Wasser. Ohne ein Wort des Dankes schnappte sie es und legte einen erstklassigen Start hin. Mit offenem Mund starrte ich ihr nach. Eine Pharaonin auf einem Surfboard? Mein Verstand schien mich endgültig verlassen zu haben ...

       Thutmosis II

      Ein paar Wochen waren ins Land gegangen. Senenmut war es gelungen, sich einen Überblick über die verbliebenen Kornvorräte zu machen. Es würde ausreichen, um die Bevölkerung zu ernähren, bis die nächste Ernte eingebracht war. Nicht auszudenken, wenn es Nef-Sobek gelungen wäre, seinen teuflischen Plan zu verwirklichen. Immer wieder musste Senenmut voller Hass an den Alten denken. Er hatte für eine Handvoll Gold die Maat verraten. Die Nubier wären wie ein großer Heuschreckenschwarm über Ägypten hergefallen. Und vielleicht hätten die Mitanni auch ihre Chancen genutzt und wären erneut zum Nildelta vorgedrungen.

      Aber jetzt waren die Kornspeicher bereit, reiche Ernte aufzunehmen. Senenmut war stolz auf seinen Gehilfen Chep-Ra. „Ich bin sehr zufrieden mit dir, Chep-Ra! Die neuen Kornspeicher sind alle so geworden, wie ich es gezeichnet hatte.“

      „Ich danke dir, Herr. Es war eine gute Idee von dir. Und siehe nur, wir haben für jeden Speicher ein eigenes Regal angelegt. Jedes einzelne Korn, das in den Speicher kommt, wird hier verzeichnet. Und ebenso, wenn es ihn verlässt.“

      „In Zukunft wird das deine Aufgabe sein.“ Ein Strahlen ging über Chep-Ras Gesicht. Senenmut tat es leid, dass er immer noch nicht den Mord an dessen Vater aufklären konnte. Aber er hatte Hatschepsut gebeten, Nachforschungen anzustrengen. Sie hatte einen Offizier ihrer Leibwache damit beauftragt. Es galt immer noch, einige Verräter zu finden, die von den Nubiern bezahlt wurden. Ein paar Beamte hatten es vorgezogen, zu flüchten, bevor sie das Schicksal von Nef-Sobek teilen mussten. So hatte man den Kreis um die Verräter enger gezogen. Senenmut schickte Chep-Ra nach Hause.

      „Wir werden morgen weiter machen. Du hast genug getan für heute.“ Chep-Ra entfernte sich mit einer Verbeugung. Senenmut ging zum Tempel, um sein Abendgebet zu verrichten. Er traf auf seinen Bruder Minhotep. Er hatte ihn bestimmt zwei Wochen nicht gesehen.

      „Senenmut, ich habe beschlossen, es dir gleichzutun. Ich will Amun als Priester dienen!“, verriet er seine Pläne. Senenmut legte seinen Arm um ihn, als sie die große Säulenhalle durchschritten.

      „Das ist ein guter Entschluss von dir, Minhotep. Auch du kennst die Schrift sehr gut. Erweise unserem Vater diese Ehre.“ Gemeinsam knieten sie vor der Barke des Amun nieder und brachten ein Trankopfer dar. Sie sprachen das Gebet und gingen wieder in den Vorhof des Tempels.

      „Und grüße unsere Mutter von mir“, gab ihm Senenmut mit auf den Weg.

      „Sie vermisst dich, Senenmut. Seit du im Haus des Kornverwalters wohnst, ist ihr schwer ums Herz geworden.“

      „Ich weiß, Minhotep. Aber ich muss alles vorbereiten zur Ernte. Wenn unsere Krieger aus Mitanni zurückkehren, werden sie hungrig sein.“ Sie verabschiedeten sich voneinander mit einer herzlichen Umarmung. Senenmut richtete seine Schritte zum Palast. Er musste Hatschepsut persönlich Bericht erstatten, wie die Arbeiten vorangingen, was er mit Freuden tat. Er blieb oft und lange bei ihr. Das war die einzige Gelegenheit, um sich ungestört zu unterhalten und sich in den Armen zu liegen. Stürmisch bedeckte sie jedes Mal sein Gesicht mit Küssen. Nur zu gern gab er nach, die Papyrusrollen konnten warten. Vor lauter Freude auf sie wäre er beinahe mit einem Soldaten zusammengestoßen. Der kam ihm im Laufschritt entgegen. Er erkannte Senenmut und salutierte.

      „Herr, ich bin mit einer Vorhut aus Nubien zurück! Wir konnten einige Verräter entlarven. Es ist auch ein hoher Beamter aus der Verwaltung der Kornkammern dabei.“

      Senenmut war erfreut. „Und wozu die Eile? Ich bin sowieso unterwegs zur Prinzessin Hatschepsut.“

      „Thutmosis, der Sohn des Pharaos, ist aus Memphis angekommen. Er lässt alle Verräter hinrichten!“ Senenmut rannte, was seine Beine hergaben. Der Offizier kam nicht mehr hinterher. Vor dem Palast waren die Bewohner Thebens dabei, eine lange Reihe von Gefangenen zu beschimpfen, die von Soldaten bewacht wurden. Einer nach dem anderen wurde zu einem Richtblock geführt. Senenmut erkannte den nubischen

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