Regen am Nil. Rainer Kilian
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Sie nickte verständnisvoll. „So sehr, dass Sie mein Anblick vom Stuhl gehauen hat … Haben Sie sie geliebt?“ Diese Frage traf mich wie ein Dolchstoß ins Herz.
„Ehrlich gesagt, ja, sehr. Aber das ist eine sehr alte Geschichte, viel Zeit ist vergangen seit damals. Vielleicht erzähle ich es Ihnen einmal.“
„Bitte entschuldigen Sie meine Neugier. Natürlich geht es mich nichts an. Aber verraten Sie mir, warum Sie noch nicht in Ägypten waren?“
Sie konnte Fragen stellen wie Noda. Der Themenwechsel war ihr geglückt. Dass sie weiterhin in einer Wunde meiner Seele stocherte, konnte sie nicht wissen. Aber ich hatte mich beruhigt und genoss das Gespräch mit ihr. Einige Männer an den Nachbartischen warfen neidvolle Blicke zu mir herüber.
„Mich hat es halt immer wieder nach Griechenland gezogen. Obwohl ich mir schon etwas Wissen über die alten Pharaonen angeeignet habe.“ Im Schlaf, sozusagen …
„Dann wird es Zeit für Sie. Können Sie etwa Hieroglyphen lesen?“, prüfte sie mich.
„Ich dachte immer, die Speisekarten wären mit lateinischen Buchstaben geschrieben.“
Sie lachte herzhaft über meinen Kommentar.
„Aber ich kenne einige ihrer Götter und kenne ihre Gewohnheiten. Die Frauen von damals hatten interessante Mittel und Wege gekannt, um Männer zu bezaubern. Das mit dem Lotos, meine ich.“ Sie runzelte die Stirn und blickte mich fragend an.
„Das kenne ich nicht, nein. Was meinen Sie?“
„Na, die Lotosfrauen! Die haben den Männern den Lotos als Droge verabreicht, um sie zu betören.“
Sie lachte wieder amüsiert. „Sie haben aber Fantasie! Wo haben Sie das her? Aus einem Hollywood-Film?“
Ich ärgerte mich schon wieder. „Ich habs gelesen!“, warf ich trotzig ein.
„Werfen Sie das Buch weg. Es taugt nichts!“, belehrte sie mich. „Die Ägypter erzählen auch so einen Unfug. Aber dass jemand das glaubt und auch noch als Buch herausbringt, nein ...“
„Können Sie denn das Gegenteil beweisen?“ Jetzt wollte ich es aber genau wissen.
„Das auch nicht. Aber wenn wir alles glauben wollten, was uns so erzählt wird, dann wäre die Ägyptologie die reinste Märchenstunde!“
„Sie werden es besser wissen als ich“, gab ich nach. „Sie leben ja dort. Aber wenn Sie wollen, lade ich Sie zu einem Drink in Noda's Bar ein.“ Sie wollte. Ich bezahlte und wir erhoben uns. Sie hakte sich in meinen Arm ein und so schlenderten wir über die Uferpromenade entlang zu Noda. Ich spürte die neidvollen Blicke der anderen Männer. Nur Noda grinste wieder mal übers ganze Gesicht, als er uns erblickte. Irgendwie fühlte ich mich ein bisschen wie ein König ...
Die Siegesfeier
Ganz Theben war erfüllt vom Jubel des Sieges über die Nubier. Die Maat war gesichert. Die Feinde Ägyptens waren niedergeworfen und besiegt. Der Pharao hatte ihnen bewiesen, dass die Götter Ägyptens stärker waren und ein mächtiges Volk geschaffen hatten.
Überall wurde gefeiert. Der Gesang der Menschen und die Musik rissen jeden Bewohner mit. Auch Senenmut war froh und glücklich darüber, dass der Aufstand der Nubier fehlgeschlagen war. Allerdings bedrückte es ihn auch, dass er nicht mehr alleine mit Hatschepsut im Palast sein würde. Der Palast wimmelte von Menschen. Der ganze Hofstaat war anwesend, um den großen Thutmosis als Sieger zu feiern. Die Soldaten hatten auch reichlich gestohlenes Korn zurückgebracht, das es nun einzulagern galt. Das Korn war der unbedeutendere Teil der reichen Kriegsbeute. Ganze Schiffsladungen voll Gold brachten die Sieger mit. In der Sprache der Nubier hieß Gold „Nub“, daher hatte die Provinz ihren Namen. Viele Goldminen waren dort zu finden.
Im Moment war Senenmut voll damit beschäftigt, seinen Untergebenen Chep-Ra zu beobachten, der von einigen aufgebrachten Soldaten mit deren Schwertern bedroht wurde.
„Mach den Weg frei, Sklave!“ Ein Soldat drohte Chep-Ra, der sich ihm in den Weg gestellt hatte. Chep-Ra war einen ganzen Kopf kleiner als der Soldat und unbewaffnet. Aber trotzdem ließ er sich nicht einschüchtern. Böse funkelte er den Offizier an.
„Ich bin kein Sklave mehr, das ist vorbei! Und merk dir, in den Kornspeichern bin ich der Herr! Das Korn wird erst gewogen und dann eingelagert. Und wenn du Sohn eines Nilpferdes nicht gleich dein Schwert wegsteckst, erstatte ich dem Pharao Bericht. Dann wird aus deinem dummen Schädel ein hübscher Trinkbecher für nubische Sklaven werden!“
Senenmut musste innerlich lächeln. Die frisch verliehene Freiheit hatte ihm wohl Löwenmut verliehen. Die Soldaten wollten das erbeutete Korn so schnell wie möglich abladen. Chep-Ra bestand darauf, es vorher zu wiegen und aufzuzeichnen. Das würde dauern. Denn das Korn wurde von frisch erbeuteten nubischen Sklaven getragen, die sich nur widerwillig in ihr Schicksal ergaben. Die Soldaten mussten die Sklaven bewachen, anstatt zu den Siegesfeiern zu gehen. Und jetzt dieser störrische Verwalter!
Senenmut war unbemerkt hinzugetreten und hatte die Situation erfasst. Es amüsierte ihn, dass sich Chep-Ra in Senenmuts vermeintlicher Abwesenheit gleich zum „Herrn“ befördert hatte. Die beiden Streithähne hatten ihn noch nicht bemerkt. Die anderen Soldaten, fünf an der Zahl, beobachteten interessiert die Reaktion ihres Anführers. Der warf wutschnaubend sein Schwert in den Sand und ging direkt auf Chep-Ra los.
„Um dich den Willen der Götter zu lehren, brauche ich kein Schwert!“ Er griff mit beiden Händen nach dessen Hals, aber Chep-Ra wich ihm schnell aus und landete mit seiner Faust einen Treffer im Magen. Der Offizier knickte leicht ein und bot sein Kinn zu einem weiteren Treffer, der sogleich erfolgte. Erst flog der Kopf nach hinten, dann folgte der massige Körper nach und stürzte kraftlos in den Sand. Jetzt zogen die anderen Soldaten ihre Schwerter und machten Anstalten, auf Chep-Ra einzudringen. Senenmut hatte genug gesehen und trat hinzu. „Genug jetzt! Halt im Namen des Pharaos! Wenn einer von euch Lust auf einen Kampf hat, soll er es mit mir tun. Und jetzt wird das Korn gewogen und verzeichnet!“
Chep-Ra war erschrocken und erfreut zugleich über Senenmuts Beistand. Er hatte ihn nicht hier erwartet. Die Soldaten steckten murrend ihre Schwerter weg. Im gleichen Moment nutzte ein nubischer Sklave das Durcheinander und warf den schweren Krug mit Korn, den er auf seiner Schulter trug, auf seinen Bewacher. Der taumelte und stürzte. Der Nubier entriss ihm sein Schwert und schlug es dem Unglücklichen über den Schädel. Die restlichen Soldaten starrten fassungslos auf die Szene, bevor sie ihre Schwerter erneut zogen und die anderen Sklaven im Zaum zu hielten. Der Nubier eilte nun mit dem Schwert in der Hand auf den unbewaffneten Offizier zu, der gerade wieder dabei war, sich auf den Knien aufzurichten.
Voll Entsetzen registrierte der, dass er ja sein Schwert weggeworfen hatte. Senenmut hatte die gefährliche Situation als Erster begriffen und sprang zu dem Schwert, das noch immer im Sand lag. Er riss es nach oben und warf sich dem Nubier entgegen. Der hatte den Offizier erreicht und holte zum tödlichen Schlag aus. Unfähig sich zu bewegen, mit vor Angst geweiteten Augen, erwartete er den Tod. Scharf zischend schoss die Klinge nach unten. Im gleichen Moment trafen die Schwerter krachend aufeinander. Funken sprühend verfehlte der Hieb sein Ziel. Mit einem wütenden Schrei holte der Nubier erneut aus. Senenmut hielt mit aller Kraft dagegen. Durch den wuchtigen Zusammenprall zerbrach das Schwert des Nubiers. Senenmut wollte den Nubier schonen, aber der versuchte einen erneuten