Regen am Nil. Rainer Kilian

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Regen am Nil - Rainer Kilian

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ein Unglück für uns, Geliebter!“, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. „Ich wusste es selbst nicht bis heute Abend. Mein Vater wusste, dass sein Sohn ein schwacher Mann ist. Also musste er uns vermählen, weil er die Zukunft Ägyptens retten muss. Er hatte keine Wahl. Ich liebe nur dich! Aber ich werde dem Willen der Götter folgen müssen.“

      „Bist du dir sicher, dass es der Wille der Götter ist, uns zu trennen? Ich glaube es nicht!“

      „Ich bin auch verzweifelt, Liebster. Ich kann auch nicht ohne deine Liebe leben. Aber wir dürfen den Zorn der Götter nicht auf uns ziehen. Wenn sie es gut mit uns meinen, werden sie uns wieder vereinen.“

      „Vielleicht gehe ich weg nach Iuni, meiner Heimat. Ich kann den Anblick nicht ertragen, wenn er dich anfasst.“

      Panik stand in ihren Augen. „Bitte gehe nicht! Ich vermisse deine Liebe ebenso und brauche dich! Senenmut, du weißt es, du bist mein wahrer Gebieter!“ Weinend bedeckten sie gegenseitig ihre Gesichter mit Küssen. „Ich muss zurück in den Palast, Liebster! Man wird mich suchen.“ Sie verabschiedete sich schnell von ihm und verschwand wieder im Tunnel.

      Senenmut blieb einsam mit seinen Gedanken am Nilufer zurück. Er war immer noch unglücklich über die Situation, aber solange er nur wusste, dass sie ihn liebte, hatte sein Leben noch einen Sinn.

       Die Legende

      Die Tage auf Ios vergingen auf einmal wie im Flug. Melina war daran nicht ganz unschuldig. Sie leistete mir Gesellschaft, wann immer es ging. Ich genoss ihre Anwesenheit. Ungeduldig saß ich morgens am Strand vor der Surfstation und wartete auf sie. Wir hatten uns zum Surfen verabredet. Sie war aber nicht erschienen und so schnappte ich mir missmutig das Surfbrett. Eigentlich war ich gar nicht so wild aufs Surfen, aber am Strand zu sitzen und nur zu warten machte mich irgendwie nervös. Auf dem Brett hatte ich wenigstens Ablenkung. Und so war mir der Meltemi zum Freund geworden. Ich hatte wieder Übung bekommen und freute mich auf die Böen, die mich vorwärts trugen. Noch dazu konnten wie so oft im Sommer die Fähren nicht so pünktlich fahren. Die Bucht war sozusagen frei für die Surfer.

      Nachdem ich so einige Zeit verbracht hatte, gesellte sich vom Strand her ein buntes Segel zu mir. Diese gekonnte Art kam mir bekannt vor. Mein Herz beschleunigte sich etwas, als ich sie erkannte. Wie selbstverständlich lenkte sie das Surfbrett mit einer Hand und winkte mir zu, als sie an mir vorüberglitt. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und winkte zurück. Im gleichen Moment lag ich im Wasser. Das Segel begrub mich unter sich und drückte mich unter die Oberfläche. Ich schluckte kräftig Salzwasser und kam prustend wieder hoch. Melina hatte seelenruhig eine Wende gemacht und kam zu mir gesurft. Elegant stoppte sie die Fahrt und bremste ihr Board ab.

      „Brauchen sie Hilfe?“, lachte sie mich an. Ich wusste nicht, ob ich mich ärgern oder freuen sollte.

      „Danke, es geht. Wo zum Teufel haben sie so gut surfen gelernt?“ Sie schmunzelte.

      „Ich bin hier aufgewachsen. Der Meltemi war mein Lehrer!“

      „Ein hervorragender Lehrer, wie ich meine.“

      „Danke für das Kompliment. Aber jetzt ist, glaube ich, nicht die richtige Zeit dafür.“ Sie deutete auf die Hafeneinfahrt, in der sich laut tutend eine Fähre bemerkbar machte. Wir schwangen uns auf unsere Bretter und nahmen Kurs auf den rettenden Strand. Das Training zeigte gute Erfolge, rasch erreichten wir schnelle Fahrt und lieferten uns ein Wettrennen, das sie natürlich gewann. Aber das war mir egal. Sie sah einfach zu gut auf dem Surfbrett aus. Wir legten die Segel am Strand ab und setzten uns in den Sand.

      „In zwei Tagen ist unser Inselfest. Ich hoffe doch sehr, dass Sie uns Gesellschaft leisten werden.“

      „Also offen gesagt, Noda hat mir das auch schon angedroht. Aber Ihre Einladung klingt irgendwie verlockender!“

      Sie lachte mich an. „Das ist schon wieder ein Kompliment. Ich glaube, Sie sind ein ganz schöner Charmeur.“

      „Das liegt an Ihrer Gesellschaft. Es fällt mir sehr leicht mit Ihnen.“

      „Warum sind Sie nicht verheiratet? Ein Mann in Ihrem Alter sollte Kinder und Familie haben.“ Ich seufzte etwas.

      „Das hat noch nicht geklappt. Wenn ich ehrlich bin, war ich die letzte Zeit zu beschäftigt, um mich um Familie zu kümmern. Aber Sie sind es wohl auch nicht? Ich meine verheiratet.“

      „Jetzt ist wohl die Zeit der großen Lebensbeichten, was?“, meinte sie ironisch. Sie hatte plötzlich so einen verletzten Blick bekommen. Ihre Gedanken schienen weit weg.

      „Es tut mir leid, wenn ich Sie mit meinen Fragen verletzt haben sollte. Es geht mich gar nichts an.“ Sie legte beschwichtigend ihre Hand auf meinen Arm.

      „Nein, nein. Ich habe damit angefangen. Ist schon in Ordnung. Wir alle haben unsere Erfahrungen gemacht. Gute und schlechte. Und das ist grundsätzlich gut so. Aber der Grund, warum ich nicht verheiratet bin, sind eben schlechte Erfahrungen.“ Ihre Hand war immer noch auf meinem Arm.

      „Schlechte Erfahrungen sind ebenfalls Lehrer für unser Leben. Wir lernen Gut und Böse voneinander zu unterscheiden“, philosophierte ich.

      „Aber das Leben ist zu schön, um trüben Gedanken nachzuhängen, oder? Wenn wir schon verheiratet wären, würden wir nicht hier zusammensitzen. Ich jedenfalls genieße den Moment mit Ihnen.“ Mein Geständnis erschreckte mich selbst etwas. Aber sie lachte schon wieder so wundervoll.

      „Mir geht es genau so. Sie sind ein offener und ehrlicher Mensch. Und Sie machen aus Ihren Gedanken kein Geheimnis. Das mag ich an Ihnen. Sie schaffen es mit einem heiteren Satz, meine traurigen Gedanken zu verscheuchen. Ich danke Ihnen.“

      Sie beugte sich zu mir herüber und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich war vollkommen perplex. Das Blut schoss mir nur so in den Kopf. Ich spürte ein Kribbeln von Kopf bis Fuß, aber sie saß schon wieder da und blickte hinaus auf die Bucht.

      „Also werden Sie uns Gesellschaft leisten?“, nahm sie den Faden wieder auf. „Ich würde mich sehr freuen.“

      „Ich kann Ihrer Bitte nicht widerstehen. Ich komme mit!“, lenkte ich ein. „Aber vorher müssen Sie mir noch etwas über Ihren Heiligen erzählen. Noda hat mir gesagt, dass er heilen kann.“

      „Ja, so ist es. Niemand weiß es genau, woher er kam und wann. Aber er ist alt, sehr alt. Die Legenden sagen, eine Schar Delfine hat ihn an den Strand unserer Bucht getragen. Ein fürchterlicher Sturm hat sein Boot zerstört. Er wäre ertrunken, wenn er nicht von ihnen gerettet worden wäre.“

      „Diese Legenden kommen mir bekannt vor. Aber glauben Sie wirklich daran?“

      „Es gibt viele alte Erzählungen von Fischern, dass sie von einem Delfin gerettet wurden. Ich glaube es. Aber das Interessanteste kommt noch. Er trug Kleider, die sehr fremd waren, aber er sprach unsere Sprache. Er lebte in einer Höhle unter den Wurzeln eines großen Baumes. Und die Menschen der Inseln kamen zu ihm, weil er heilen konnte. Er wusste vieles über Krankheiten und wie man sie bekämpfte. Aber genau so wichtig war für uns sein Rat in seelischen Dingen. Er war sehr weise und konnte kranke Seelen retten.“

      „Wie ist er gestorben?“

      „Er ist sehr alt geworden. Man hat ihn in der Nähe eines alten Baumes begraben. Viele Jahre später hat man sein Grab geöffnet. Sein Körper war unversehrt und strömte einen wundervollen

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