Deus Blue. Mario Degas

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ließ, ich fand keinen Hinweis, der mich Zoe näherbrachte. Ich stieß weder auf ein verstecktes Muster noch auf ein hinterlassenes Zeichen.

      Ich nahm das Bild vom Haken und sah mir die Rückseite an. Der Keilrahmen war unversehrt. Ich hielt das Bild gegen das von oben kommende Licht. Schwach glaubte ich eine Inschrift zu erkennen, die in verschnörkelten Lettern am Rand angebracht war:

      Dea Excitare Unicus Sopor

      Es war Latein. Dea hieß Göttin, so viel wusste ich. Aber die anderen Wörter waren mir unbekannt. Quentin hatte ständig aus dem Lateinischen zitiert, aber es mir nie beigebracht. Dass er die Sprache beherrschte, wusste ich, aber dass er auch ein Künstler war, sah ich erst jetzt: Unter den Wörtern stand sein Name. Das Gemälde musste aus seiner Feder stammen, doch nie hatte ich ihn beim Malen beobachtet, noch hatte er mir je davon erzählt gehabt. Noch so eines seiner kleinen Geheimnisse. Ich nahm mir vor, ihn bei nächster Gelegenheit darauf anzusprechen.

      Dea Excitare Unicus Sopor – was bedeutete dieser Satz? War es überhaupt ein Satz? Einer, der mir den Weg ebnete? Ein Satz, wie ihn die großen Schriftsteller in ihren Werken verwendeten?

      Schriftsteller? Bücher? Ein Buch.

      Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf das Bücherregal, welches direkt neben dem Gemälde an der Wand stand. Unzählige Exemplare gierten darin um die Aufmerksamkeit eines Lesers. Auf einigen Buchrücken standen die Titel, während andere unbeschriftet waren. Eine dicke Schicht Staub lag auf dem Großteil von ihnen. Dass überhaupt so viele Bücher im Regal standen, war Quentins Leidenschaft für das Lesen geschuldet. In einer Zeit, wo Geschichten nur noch selten auf Papier gedruckt wurden, brachte er es nicht übers Herz, sich von seinen Schätzen, wie er sie immer nannte, zu trennen. Große Literatur gehörte für ihn zwischen zwei Buchdeckel, bei kleiner machte er – vor allen neuerdings – aber auch häufiger eine Ausnahme. Mit seinem Verhalten schwamm er gegen den Strom an: Wenige machten sich noch viel aus richtigen Büchern und den Geschichten, die sie erzählten oder den Themen, die sie ansprachen.

      Als Quentin mich bei sich aufnahm, waren auch mir die Bücher unheimlich – weil ich nichts mit ihnen anzufangen wusste. Er musste mir erst erklären, was es mit ihnen auf sich hatte. Erst danach verlor ich meine Furcht vor ihnen. Dann ging alles sehr schnell: Wenn ich nicht gerade einem von Quentins wissenschaftlichen Experimenten beiwohnte, mit Räuber spielte oder die Wälder unsicher machte, las ich eines der Bücher über riesige Raumschiffe im Weltraum und Märchen aus 1001 Nacht, die zuhauf die Regalmeter füllten. Bald schon hatte ich einen Großteil der Romane verschlungen.

      Eine Frage wurde ich nach unserer Flucht in die Großstadt lange Zeit nicht los: Warum hatte Quentin die Bücher nicht mit sich genommen oder, wenn er es nicht konnte, warum hatte er sie später nicht nachgeholt? Ich hatte ihn einmal danach gefragt, aber er hatte nur geantwortet: »Wir haben Zeit, Sean. So viel Zeit.«

      Zurück in der Gegenwart überflog ich einige der Bücher – Belletristik und wissenschaftliche Literatur hielten sich die Waage – und nahm eines mit dem Titel Das lateinische Kind und die geklonte Sprache aus dem Regal, weil es als Einziges eine Assoziation zum Lateinischen erlaubte. Ich hatte es nie gelesen und würde dazu wohl auch jetzt nicht kommen.

      Ich schlug das Inhaltsverzeichnis auf und suchte nach einem der vier Wörter, fand aber keines. Überhaupt hatte ich nicht das Gefühl, als würde die lateinische Sprache überhaupt eine Rolle spielen. Eines der Kapitel trug den Namen Schöne neue Nachkommenschaft und bezog sich auf die Methoden des Klonens in unser Gesellschaft.

      Dea? Fehlanzeige.

      Excitare, Unicus, Sopor? Nichts.

      Ich wollte schon konsterniert aufgeben, als mir das Glück entgegenschien: Auf der letzten Seite sprang mir ein einzelner Satz ins Auge, den ich kaum für wichtig erachtet hätte, wäre er nicht unterstrichen gewesen:

      Die Göttin erwacht,

      einzigartig,

      aus dem tiefen Schlaf.

      Da steckte sie also, die gesuchte Göttin. Wenn mich nicht alles trog, waren dort auch die anderen Wörter, übersetzt als erwacht, einzigartig und tiefen Schlaf. War dies die Lösung? Wenn ja, für was? Mir war nicht, als wäre ich schlauer geworden. Eine tote Sprache alleine brachte keinen Heiligenschein, so viel stand fest. Irgendetwas fehlte noch, aber ich wusste nicht was.

      Ich schob das Buch zurück ins Regal. Dabei war mir, als hörte ich ein Klagen.

      Was hatte ich übersehen?

      Ich rief mir noch einmal Sids Worte ins Gedächtnis: »Nutze die Kunst und finde den Schutz, den ich dir gab. Ich bürdete dir eine Last auf und werde sie dir wieder aufbürden. Diese Last treibt dich weiter zu dem, der du bist.«

      Ich hatte die Kunst gefunden, was fehlte, war der Schutz; den Schutz, den Sid mir einmal gegeben hatte und der somit direkt mit ihm in Verbindung stehen musste. Mir fiel ein, dass Sid seine Tochter auch als sein Schutzschild bezeichnet hatte. Spielte dies eine Rolle? War Zoe vielleicht sogar bereits mein Schutzschild?

      Ich blickte mich links wie rechts um und schlenderte dann durch das Haus mit seinen überschaubaren Zimmern.

      Ich ging ins Schlafzimmer. Kaum, dass ich auf der Schwelle stand, blieb ich auch schon abrupt stehen.

      Ich hatte zu kompliziert gedacht: An der Wand hing etwas so Banales, dass es mir nicht einmal im Traum eingefallen wäre. Etwas, das Sid mir gab; etwas, das zu groß geraten auf meinen Schultern lag; etwas, das mich in die Natur begleitete, mich wärmte und Schutz bot: Sids Mantel. Ich sah, dass er nur mit einer dünnen Staubschicht bedeckt war, was bedeutete, dass jemand ihn vor Kurzem bewegt haben musste. Ich fuhr über das raue Leder und genoss das Kribbeln unter meinen Fingern. Ich durchsuchte die Taschen, die jedoch leer waren. Doch ich gab die Hoffnung nicht auf, dass sich hier noch etwas befand. Immerhin hatte der Mantel auch noch Innentaschen. Ich prüfte links: leer; dann rechts: bingo. Ich packte das Etwas, zog die Hand aus der Tasche und besah mir den Gegenstand genauer. Zu meiner Überraschung war es eine DNA-Disc. Sie wog nur ein paar Gramm und bedeckte gerade mal meine Handinnenfläche. Die runde, matt glänzende Scheibe steckte zur Hälfte in einer billigen Plastikummantelung, auf der eine Doppelhelix eingraviert war. Normalerweise enthielten die Scheiben den Namen des Eigentümers samt Identifikationsnummer oder Datum der Speicherung der zu sichernden Informationen in der DNA. Diese Scheibe war jedoch unbeschriftet. Immerhin schimmerte der Rand der Scheibe leicht bläulich, was auf eine aktive Beanspruchung hinwies. Sid musste Daten in seiner DNA gehabt haben, die er für so wichtig hielt, dass er sie nicht in seinem Körper lassen konnte. Da kam ihm die Disc gerade recht.

      Ich wusste nicht, was mich erwartete, hoffte jedoch, dass es nicht bloß wieder ein Gemälde war. Ging ich davon aus, dass Sids Worte in der korrekten Reihenfolge standen – was sie bisher auch taten -, so kam jetzt der Teil, in dem ich zu dem werden sollte, der ich bin. Dies würde mich sehen lassen, was Zoe sah.

      Ich stopfte die Disc in meine Hosentasche, von der ich annahm, sie wäre leer gewesen, als ich auf Metall stieß. Es war die Dienstmarke, die mir Sid am Depot zugeworfen hatte. Ich hatte sie in dem Trubel ganz vergessen. Einen Moment überlegte ich, ob ich sie in Sids alten Mantel stecken sollte, entschied mich aber dagegen. Sie war ein Andenken, ob vom ehemaligen Besitzer geliebt oder nicht, und als ein solches wollte ich sie auch behandeln. Mir war sofort klar, wem ich sie geben würde, sobald ich die Person gefunden hatte. Vorsorglich verstaute ich die Marke in meiner eigenen Jackentasche.

      Die Disc konnte ich nicht an Ort und Stelle auslesen. Ich musste dafür nach Hause, in mein jetziges Zuhause, zurück in die Gegenwart, was bedeutete, einen Teil meiner Vergangenheit fürs

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