Deus Blue. Mario Degas

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geplante Tragödie – und ich war unfähig sie zu verhindern. Ich hatte Sids Leichnam nicht angerührt und dennoch spürte ich das Blut an meinen Händen kleben.

      Einen Ausweg hatte ich für mich gefunden: Ich musste dringend von hier weg.

      Zehn Minuten später lenkte ich den Cloud in die freie Parklücke vor meinem Apartment. Hier war ich im B-Sektor und hier war mein Zuhause. Es lag in einer abgelegenen Seitenstraße, die den Lärm, der von der Hauptstraße herüberschallte, auf Distanz hielt. Meine Wohnung lag in einem der typischen Mehrfamilienhäuser des Viertels. Annehmlichkeiten suchte man hier vergebens. Es gab weder einen Fahrstuhl noch wurde auf die Mülltrennung wertgelegt. Für die Mieter sollte es schlicht und damit günstig sein. Ich trat durch die breite Doppeltür und befand mich sogleich vor der Treppe in die oberen Stockwerke. In der Ecke standen einige Regenschirme in einem Ständer, von denen vereinzelt Wasser tropfte, aus dem sich wiederum kleine Pfützen auf dem Boden bildeten. Darüber hing eine Aufforderung zur Bezahlung der Miete, die sich, mit Maschine geschrieben, an alle Parteien gleichermaßen richtete.

      Meine Wohnung lag auf der 2. Etage. Beim Aufstieg kramte ich hastig die Schlüsselkarte aus meiner Tasche, wobei ich an meine Pistole stieß, die ich unvorsichtigerweise beim Verlassen des Depots in meine Jackentasche gesteckt hatte, anstatt wie üblich in das Holster.

      Ich war fix und fertig, hauptsächlich mit den Nerven, als ich die Schwelle zu meinem Heim überschritt – und unvorbereitet im Dunkeln stand. Das Licht im Flur hatte wieder einmal den Betrieb verweigert. Ich drückte den einzigen vorhandenen Knopf neben der Tür – der für die Wartung vorherbestimmt war –, um dem Hausmeister zu verstehen zu geben, dass er sich darum kümmern musste. Die moderne Technik machte es möglich: Jede Zelleinheit und die gesamte Stromzufuhr konnten von der Wohnung des Hausmeisters aus gesteuert werden. Kaputte Dinge wie eine Lampe ließen sich per Fernsteuerung so schnell und unkompliziert wieder in Gang bringen, sofern kein Totalschaden vorlag.

      Ich schloss die Tür hinter mir und stapfte in den Wohnbereich. Immerhin hier brannte Licht, welches mich auch sogleich strahlend begrüßte. Ich warf meine Jacke auf die Arbeitsplatte, welche das Wohnzimmer von der Küche abtrennte. Die Schuhe landeten in der Ecke. Ein Blick aus dem Fenster bedeutete Wehmut. Ich konnte den Regen beobachten, der nach einer kurzen Pause wieder an Fahrt aufnahm. Ansonsten bot sich mir nicht viel. Am Tage würde ich auf die Fassade eines Hauses blicken, auf der die Risse im Fundament auch schon das einzig Interessante waren. Für eine schöne Aussicht fehlte der Platz.

      Hier drinnen bot sich mir ein anderes Bild. Ich hatte den mir zur Verfügung stehenden Platz angemessen zu nutzen gewusst. Die Wände starrten von Bildern mit oder ohne Rahmen. Hauptsächlich zeigten sie die Natur und mein früheres Zuhause, verewigt auf gepresstem Kunststoff. Sie mahnten mich daran, nicht zu vergessen, so wie es Sid an diesem Abend auch getan hatte. Ich übte mich in Geduld, ließ die Eindrücke auf mich wirken und kam zu meinem persönlichen Highlight: eine Aufnahme von Räuber, ganz die Französische Bulldogge, die er war, wie er neben dem alten Gartenteich mit einem Stock spielte. Quentin hatte es mir geschenkt, als ich meinen dreizehnten Geburtstag feierte – ein Tag, den wir schätzten, weil ich nicht genau wusste, wann ich geboren war. Daneben hing ein Personenporträt: Jill, Loonie und Viggo in Nahaufnahme. Sie lachten verschmitzt in die Kamera. Ich fragte mich: War mir nach lachen zumute?

      Ich trat an den Couchtisch. Wie auf ein Kommando schaltete sich das Tablet, welches seit den Morgenstunden darauf lag, vom Stand-by in den Wachzustand. Ich war gerade noch rechtzeitig für einen Klassiker eingetroffen: Steamboat Willie – über hundertfünfzig Jahre alt, obgleich immer noch zeitlos. Als ich mich vom Tisch weg bewegte, verfolgte mich die Melodie. Stumm wie die Figuren im Cartoon ging ich weiter.

      Auf dem Weg ins Badezimmer streifte ich mir das Shirt vom Leib und schmiss es in die Wäschetonne, Hose und Socken folgten sogleich.

      Im Bad gab es kein Fenster, noch war es besonders groß. Ich legte den Hahn des Waschbeckens um und prüfte den Wärmeregler. Von warmen 30 °C drehte ich runter auf kühle 10 °C. Danach pulte ich den Stopfen auf den Abfluss, damit das Wasser langsam höher steigen konnte.

      Der Blick in den Spiegel offenbarte einen Geist. Mir war, als trug ich eine bleiche Maske. Das einzig dunkle an mir war mein Kopfhaar, das in Strähnen an den Schläfen klebte, und mein Zweitagebart, der der nächsten Rasur entgegenwuchs.

      Bevor ich mich vergaß, tauchte ich den Kopf ins Becken. Es war erfrischend und belebend, linderte aber nicht die stetig stärker werdenden Kopfschmerzen. Ich blieb eine Weile unter Wasser und tauchte erst wieder auf, bevor mir die Luft ausging.

      Spieglein, Spieglein an der Wand: Gänsehaut und weit aufgerissene Augen.

      Als Nächstes waren die Hände an der Reihe. Mit Seife versuchte ich, das imaginäre Blut abzuwaschen. Nach einer geschätzten Ewigkeit – ich hatte nicht mitgezählt – war ich mit dem Ergebnis so weit zufrieden. Ich trocknete meine Hände ab und zog mir den Bademantel über, der bereits hinter der Tür auf mich wartete.

      Ich schlenderte geradewegs weiter ins Schlafzimmer. Das Bett war für zwei Personen ausgelegt, was nicht darüber hinwegtäuschte, dass ich es seit einiger Zeit nur noch alleine nutzte. Ausgelaugt ließ ich mich rücklings auf die Matratze fallen. Sie spendete mir umgehend Trost. Meine melancholische Seite kehrte sich dabei nach außen. Ich starrte zur Decke und musste unwiderruflich an Sid denken.

      »Warum nur, Sid? Warum nur?«, flüsterte ich zu mir selbst. Ich konnte seine Worte nicht vergessen. Sie klammerten sich mit Widerhaken versehen an mir fest und spukten wie Glühwürmchen durch mein Gehör.

      Ich versuchte mich an alles zu erinnern, versuchte, seinen Sätzen einen tieferen Sinn zu geben; es fiel mir jedoch zunehmend schwerer, mich zu konzentrieren.

      Was war mit meiner Mutter?

      Sie war für mich nur eine Nadel im Heuhaufen – unsichtbar und schon bald vergessen. Doch er machte sie sichtbar und holte sie zurück an die Oberfläche.

      Was war mit Zoe?

      Als Sid von seiner Göttin sprach, wurde er angreifbar. Es war eine Schwäche, die mir viel über ihn verriet. Und vielleicht war es auch das, was er damit bezweckt hatte.

      Auch Zoe hat eine Mutter gehabt: Mel. Die Frage war nur: Warum musste Mel sterben? Und war es mehr als ein Zufall, dass es am Tag von Zoes Geburt geschah?

      Das Warum, das Weshalb; es nahm mich gefangen. Ich wollte in allem nach einer Bedeutung suchen, wollte die grobe Richtung kennen, an der ich mich orientieren konnte. Noch war es wie ein großes Puzzle, bei dem viele Teile fehlten, doch jedes Puzzle konnte vervollständigt werden.

      »Deine Fragen werden alle beantwortet«, hatte Sid gesagt.

      »Die Lösung ...«

      Heute?

      »Der Weg ...«

      Morgen?

      »Die Last ...«

      In Zukunft?

      »Zoe ...«

      Sid hatte mir einmal vor einer Ewigkeit geholfen. Er war es, der mich von der Straße holte und zu Quentin brachte. Ich verdankte ihm so vieles. Jetzt war es an der Zeit, mich dafür zu revanchieren. Bei der Suche nach seiner Tochter wollte ich ihn dabeihaben, aber Gott hatte andere Pläne. Sein Geist war nun bei seiner Mel in Sicherheit, so hoffte ich. Was seinen Körper anging, war es wie mit jedem anderen Toten auch: Die Leichenhalle erwartete ihn.

      Meine Augen wurden schwer, die Lider sanken herab.

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