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»Ich bin ihm schon einmal begegnet. Er war mir eine Hilfe, als ich diese am nötigsten hatte. Als ich dabei war, meiner verstorbenen Mutter auf meine Weise Lebewohl zu sagen, in dem ich bei ihr wachte, tauchte er aus dem Nichts auf und nahm mich mit sich. Wäre er nicht gewesen, wäre ich nicht in den Wäldern gelandet, wo ich Räuber und Quentin begegnete und die guten Dinge am Leben kennen und schätzen lernte.«
Jill sprang ohne Vorwarnung in die Gegenwart: »Was ist gestern vorgefallen?«
Ich sparte den Anfang aus und kam direkt zum Wesentlichen: »Er war auf der Suche nach seiner Tochter und ich habe ihm versprochen, sie zu finden.« Ich unterdrückte einen Schluckreflex.
»Sie ist fort?«
»Nur deshalb war er überhaupt am Bahndepot. Und das war auch der Grund, warum ich dort war.«
Jill tänzelte von meiner Seite: »Die Nachricht in deinem Computer!? Sie war direkt an dich adressiert.«
»Die Zentrale hat eine Kopie erhalten.« Darum blieben wir nicht lange allein, wollte ich sagen, überlegte es mir dann aber anders. Es war offensichtlich: Viggo hatte den Auftrag erhalten, mir zu folgen. Ich bereute nur, dass er nicht früher aufgetaucht war. Vielleicht hätten wir die Tragödie gemeinsam verhindern können. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass uns so etwas gelang.
»Meinst du, er wusste über jeden deiner Schritte Bescheid?«
Ich schüttelte vehement den Kopf. »Nein, das passt nicht zu dem, was er mir erzählt hat. Er sprach davon, dass er ihr vor zwei Jahren einmal sehr nah war, sie ihm aber entwischt sei.«
»Ein Streit?«
Ich hob den Verband an seiner Schläfe leicht an. »Es steckt mehr dahinter. Sid war nicht bloß ein alter, verwirrter Mann. Er wusste, was er tat. Der Selbstmord ...« Jetzt begann ich doch zu schlucken. »... war beabsichtigt.«
»Ein letzter Ausweg ...« Jill riskierte einen Blick unter das Laken. »Sie haben ihm bereits Blut abgenommen.«
Jetzt bemerkte ich den Schlauch auch, der aus Sids linkem Arm herausführte und wieder unter dem Tisch verschwand. Dann fiel mir auf, dass Jill auf einem, mit dem Tisch verkabelten, Bildschirm stierte. Ich wollte ihn mir gerade genauer ansehen, als sie bereits das für mich Ungesehene aussprach: »Er litt an einer Lungenembolie, hervorgerufen durch giftigen Sauerstoff.«
Mich traf der Schlag: »So wie Barklis?«
»Oder schlimmer.«
Dann also die Volkskrankheit, dachte ich. Der Verdacht hatte sich erhärtet. Tausende Neu Yorker litten am giftigen Sauerstoff, der als das größte und hartnäckigste Zeugnis der Umweltverschmutzung galt. Die Statistiken der Exekutive zeichneten dabei ein erschreckendes Bild auf: Durchschnittlich jeder dritte Einwohner Neu New Yorks steckte sich im Laufe seines Lebens mit dem giftigen Sauerstoff an. Schützen konnte man sich kaum, da die Krankheit über die Luft übertragen und vonseiten der Regierung und der Wissenschaft zu wenig getan wurde, um dem Einhalt zu gebieten. Medizinische Mittel waren selten und teuer und schlugen noch dazu nicht bei jedem Patienten wie erhofft an. Leben oder Sterben verkündeten die Nachrichten. Viele lebten zwar noch, aber immer mehr starben.
Bei Sid war ich mir nicht sicher, was die Krankheit für eine Rolle in seinem Leben gespielt hatte. Sicher war nur, dass er jetzt tot vor mir lag. Vom Lieutenant wusste ich, dass man sich selbst mit einem solchen Handicap nicht ausbremsen lassen musste: Er hatte eine als schwierig eingestufte Therapie überstanden und lebte.
»Ich erinnere mich, wie er davon sprach, dass er krank sei. Doch ich maß dem nicht viel bei.« Die Aussage, dass man krank sei, war eines der Hauptargumente, die einem Suizid in den meisten Fällen vorausging. Doch man konnte sich bei der Ermittlung nicht alleine darauf stützen.
»Was hat er noch gesagt?«, wollte Jill wissen.
Ich forschte in mir selbst, bis ich an der richtigen Stelle angelangt war: »Er sprach von einer Lösung, die zu meinen Füßen läge. Sobald die Gegenwart in die Zukunft übergehe, würde sie sich mir zeigen.«
»Ein Rätsel!?« Jills graue Zellen waren produktiv an diesem Morgen: »Möglich, dass er sich selbst meinte, so wie er auf den Gleisen und damit zu deinen Füßen lag. Viele Selbstmordkandidaten neigen dazu, simple Dinge hoch zu stilisieren. War da noch etwas?«
»Er wollte, dass ich in seinem Innersten, am Ort seines Selbst grabe. Dabei solle ich sein Sturm sein und sein Räuber werden ...«
Jills Augen wurden groß: »Was liegt in ihm?«
Plötzlich schob sich die Tür auf. Schwere Stiefel erschienen sogleich im Türrahmen. Der Beamte, der sich vor uns auftürmte, trug den passenden Helm zur Schutzkleidung. »Detective Leto.« Er fixierte mich durch den Sichtschutz. »Der Lieutenant erwartet Sie.«
Ich sah Jill an. In diesem Augenblick kam mir eine Idee. Ich flüsterte sie aus: »DNA.«
Jill biss sich auf die Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie über etwas nachdachte.
DNA-Informations-Speicherung, kurz DIS, galt als einer der Trendsetter in Neu New York. Alles entwickelte sich vor einigen Jahren im Untergrund und kochte dann wie eine überlaufende Suppe über die Oberwelt. Die Exekutive war erst gegen diese Art der Speicherung von Daten, weil ihr zu viel Geheimniskrämerei gegen den Strich ging. Dabei wurde nur ein neues Medium erschlossen: Es wurden persönliche und nicht ganz so persönliche Informationen, vom Geburtsdatum, über den Namen der Geliebten, bis zum letzten Testament in den Genen eines Menschen gespeichert, um sie so für die Ewigkeit aufzubewahren.
Wenn mich meine Intuition nicht trog, steckten Daten in Sids Körper, die er vor dem Zugriff Dritter sicher verwahrt wissen wollte. Er führte mich auf diese Spur, weil er mir Antworten schuldig war; Antworten, die mir dabei halfen, seine Tochter aufzuspüren.
Hinter mit ertönte wieder die Stimme: »Detective.«
Ich hoffte, Jill hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Immerhin bot sie mir einen Augenaufschlag, der sich sehen lassen konnte.
Ich trat am Uniformierten vorbei nach draußen, ging, ohne mich noch einmal umzusehen zum Aufzug, und fuhr schweigend in die oberste Büroetage.
Barklis' Büro befand sich am Ende eines langen, breiten Ganges. Der Weg führte vorbei an Tischen, an denen Beamte saßen, die geschäftig taten oder wirklich beschäftig waren. Sie wagten nicht einmal einen kurzen Blick auf den, der da an ihnen vorbeilief. Es kam zu häufig vor, dass der Lieutenant jemanden aus einer anderen Abteilung in sein Büro beorderte, als das man dafür noch großartig Interesse aufbrachte.
Die Tür stand sperrangelweit offen.
»Herein«, ertönte es nur von drinnen. Ich ließ mich nicht zweimal bitten und trat an einer Nachbildung der Freiheitsstatue vorbei in die Kühle des Büros.
Der Lieutenant saß vornübergebeugt über seinem Schreibtisch: »Setzen Sie sich, Leto.«
Ich nahm den einzigen noch freien Stuhl. Kaum dass ich saß, fiel mir die veränderte Inneneinrichtung auf: »Ich sehe, Sie haben umgeräumt.«
»Ich fand es mal wieder angebracht. Dachte ein Tapetenwechsel kann nicht schaden so kurz vorm Jahreswechsel.« Sein akkurat gestutzter Bart und das glatt nach hinten gekämmte Haar stachen mir ins Auge. Sie waren das – so schien es mir – Einzige, das von der