Silber. Hans.Joachim Steigertahl
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Читать онлайн книгу Silber - Hans.Joachim Steigertahl страница 4
Cuno erschrak zutiefst, so sehr, dass alle es ihm ansehen konnten. Weg von zu Hause? Allein in einem fremden Land, in dem er viele Menschen nicht einmal verstehen würde? Weg von seiner Mutter Ada, die ihn auch jetzt noch so gut trösten konnte, wenn er wieder einmal von einer Mauer oder einem Baum gefallen war? Alles zurücklassen? Er war doch gerade erst zwölf Jahre alt geworden…
Gernot der Alte unterbrach seine Gedanken: „Es ehrt uns, Graf Cuonrad, dass Ihr an Cuno und uns gedacht habt. Eigentlich hatte ich noch nicht vor, Cuno so bald als Knappe wegzugeben, schon gar nicht so weit, aber es ist – nach dem, was gestern geschah – wohl schon besser, wenn er weiter weg ist als unsere ‚lieben‘ Nachbarn.“ „Sprecht mit Ada darüber und falls Ihr einverstanden seid, werde ich dem Landgraf mitteilen, was wir vorhaben.“
Dann verdüsterte sich seine Miene: „Aber wenn ich das Silber nicht bis zum Herbst gemünzt habe, wird es kaum noch einen Landgraf Friedrich geben.“ Dann wendete er sich dem Kleinen zu: „Hast Du eine Handrohrkugel hier in der Burg?“ Des Ritters ältester Sohn nickte und verließ das Refugium. „Cuno, lauf ins Dorf hinunter und suche in den Resten der Schmelzhütte, ob du einige Schmelztiegel findest – und schick‘ den Köhler, er soll so viel Holzkohle in den Zwinger schaffen, wie er tragen kann. Dann schau, ob Du in der Sicherungskammer noch eine Waage findest und bring alles hier her ins Refugium – dabei kannst Du darüber nachdenken, was Du von meinem Vorschlag hältst!“ Cuno nickte bedrückt und verließ ebenfalls den Raum.
Als die beiden Älteren allein waren, sagte Hohnstein: „ Ich weiß, Gernot, dass das, was ich jetzt ausprobieren will, auf keinen Fall Eure Billigung findet. Ihr habt doch sicher noch reines Silber im Haus? Ich will nichts unversucht lassen und vor allem keine Zeugen haben!“ Als in diesem Moment der Kleine mit einer Bleikugel durch die Tür trat, erkannte der Alte, dass er die Situation nicht mehr verändern konnte und bat seinen Erstgeborenen, der Hausherrin Ada Bescheid zu geben, dass die Burg einen hohen Gast beherbergen würde und dass alle hungrig seien. Cuonrad von Hohnstein grinste und akzeptierte die unausgesprochene Einladung: „Lasst uns hinuntergehen – Cuno wird noch eine Weile unterwegs sein und alle Mägde, Knappen und Herren in der Burg sollen sehen, das ich einen ganz normalen Besuch abstatte!“
Als sie die Treppe hinabgestiegen waren und die Halle betraten, wurden sie von Ada von Steigerthal begrüßt, die schon, bevor sie vom Kleinen informiert worden war, längst gewusst hatte, was auf die Familie zukam. Sie trat vor Graf Hohnstein, knickste leicht und als sie sich wieder aufrichtete, war jedem Beobachter klar, dass es nicht nur die Nähe zum landgräflichen Haus war, die Gernot den Alten zu dieser Verbindung gebracht hatte:
Ada war hochgewachsen, ihr dunkelblondes Haar war in Flechten um ihren Kopf geschlungen, die blauen Augen im von der Sonne gebräunten Gesicht zeugten von einer Klarheit, die auch durch die harte Arbeit, die die Frau eines niedrigen Adligen zu besorgen hatte, nicht gebrochen wurde. Sie war die Tochter des Landgrafen Friedrich mit einer flämischen Hofdame der Landgräfin, die diese Affäre mit einem Landesverweis büßen musste. Gerade deswegen hatte sich Friedrich umso intensiver um das Mädchen, seine einzige Tochter, gekümmert. Sie war die Sonne seines Lebens, deren Lebensglück ihm mehr als wichtig war. Seine Gemahlin war ihm zugeführt worden, als beide noch Kinder waren; sie kam aus dem Hause Luxemburg und sollte den Makel, den er trug, weil seine Mutter Leila außer einer reichen Mitgift in Edelmetallen viel Unmut bei den Herren der Landgrafschaft mitgebracht hatte, wettmachen. Als eines Tages Gernot von Steigerthal an den Hof in Erfurt kam, um mit Graf Hohnstein die Silberabrechnung dem Fürsten vorzulegen, war er in der Vorhalle der jungen Frau begegnet, die zu diesem Zeitpunkt auf ihren Eintritt ins Kloster vorbereitet wurde. Er war wie angewurzelt stehen geblieben und da er im Innersten eben doch nicht den ritterlichen Verhaltensformen entsprach – so wie es seine adligen Nachbarn immer behaupteten – sprach er sie unverhohlen an: „Bitte verratet mir, warum an diesem Hof Engel verkehren!“ Ada war nun genauso perplex wie er und antwortete fast schnippisch: “Ich weiß nicht, welche Engel außer mir hier verkehren, aber ich wohne hier!“ Beide brachen in Lachen aus und stellten sich dann gegenseitig vor, nicht wie Herr und Dienerin oder Herrin und Diener, sondern so, wie es zwei gleichberechtigte ungewöhnlich offene Menschen tun würden. „Ich bin die uneheliche Tochter der Kebse des Landgrafs, meine Mutter wurde verjagt und mein Vater hat mich hierbehalten, obwohl seine Frau mich immer wieder vergraulen wollte und ich endlos schuften musste und jetzt ins Kloster soll.“ „Ich bin ein unritterlicher Ritter - erst von Eurem Großvater wurde mein Großvater zum Ritter geschlagen - der in einem winzigen Dorf am Rande des Harzes lebt und versucht, der Erde ein paar Früchte und den Bergen ein paar Brocken Silber abzuringen. Und auch ich wurde bisher vom Landgrafen hierbehalten.“ „Dann lasst uns diese Gemeinsamkeit feiern – setzt Euch, ich hole uns einen Tropfen Wein.“
Es blieb bei einigen Tropfen, aber die Unterhaltung vertiefte sich, und als Hohnstein und Landgraf Friedrich ebenfalls in die Halle traten, waren Gernot und Ada so ins Gespräch vertieft, dass sie die eintretenden Herren nicht bemerkten.
„Wäre das nicht eine schöne Alternative zum Kloster?“ fragte Hohnstein. Der Landgraf sah ihn erstaunt an und setzte nach:“ Steigerthal ist ein Ehrenmann, das weiß ich, da er Euch und mich noch nie betrogen hat. Ist er unbeweibt? Könnte er eine Familie ernähren? Würde er einen Bastard zur Frau nehmen?“ Hohnstein erwiderte ohne zu zögern: “Er ist völlig vereinsamt auf seiner neuen Burg, er ist einer der reichsten Adligen in Thüringen, weil er nicht Krieger sondern Unternehmer ist, er wird von seinen Nachbarn gemieden, weil erst sein Großvater von Eurem Großvater zum Ritter geschlagen wurde und er damit nicht standesgemäß ist und deshalb würde er nicht im Geringsten zögern, eine Frau zu ehelichen, die ihm entspricht, gleich welchen Standes.“
„Dürfen wir stören?“ wendete sich der Landgraf an Ada und Gernot. „Du, Ada, wirst, glaube ich, in der Küche gebraucht, und Ihr, Gernot, solltet mir eigentlich die Abrechnung vorlegen!“ Beide erröteten, standen auf und gingen in unterschiedliche Richtungen, nicht ohne dass sich kurz ihre linke und seine rechte Hand fast unmerklich berührten.
Die Silberabrechnung war wie immer ohne Fehl und Tadel und Gernot von Steigerthal konnte sich nach der Zustimmung des Landgrafen um einige Hundert Thaler reicher schätzen, denn wie bei allen anderen Erzproduzenten auch bekam er als Gegenwert für die Mühe des Schürfens und Verarbeitens den fünften Teil des Erarbeiteten. Eigentlich gehörte alles, was sich unter der Erde befand, nach Brauch und Sitte dem Kaiser, der es seinen Lehensmännern gegen eine Gebühr überließ. Da die Bergleute meistens ihr silberhaltiges Gestein an den Grubenbesitzer verkauften, der es dann zu Rohsilber schmelzen ließ, war es nur recht und billig, dass die Bergherren einen gerechten Anteil erhielten, der das Niederbringen der Schächte, die Verhüttung, also das Ausschmelzen des Erzes und die Weiterverarbeitung, beinhaltete.
Landgraf Friedrich ließ einen Krug mit rotem Wein bringen und stieß mit Gernot und Cuonrad von Hohnstein auf den Abschluss an. „Damit ist die Landgrafschaft für dieses Jahr gerüstet, und Ihr beide seid die Garanten für Frieden und Ruhe in Thüringen in diesen Jahren der dauernden Kämpfe um Königs- und Kaiserkrone. Mit Euren Thalern können wir uns von aller Parteinahme freihalten und unsere Untertanen können sich dem Vermehren ihrer selbst und ihres Besitzes widmen!“ Er lachte kurz auf und wandte sich dann Steigerthal zu: “Euer Land lässt sich ja kaum vermehren, aber wollt Ihr nicht Eure neue Burg, von der mir Hohnstein erzählt hat, mit ein bisschen mehr Leben füllen?“ „Nichts täte ich lieber als das, denn seit meine Mutter verstarb, ist außer mir nur noch Dienstvolk in Steigerthal, und da meine lieben Nachbarn uns auch nach drei Generationen noch schneiden, bleibt mir nur die Vermehrung meines Reichtums, was auch immer einmal damit geschehen mag.“ „Ihr braucht eben einen Erben!“ „Ha! Welche Frau, die wirklich einen Erben gebären könnte, also eine Frau aus ritterlichem Geschlecht, würde einen wie mich, der zwar Lesen, Schreiben und Rechnen kann, aber kaum Singen und Fechten, als Ehemann akzeptieren? Mein Großvater hatte schon einen Sohn, bevor er zum Ritter geschlagen wurde, aber mein Vater – Gott habe ihn selig