Vom Leben verlassen. Imke Borg

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sind nicht so ihr Ding. Und weil ihr die meisten Kleidungsstücke von der Stange viel zu schlicht sind, werden die mit amüsanten Details aufgemischt. Mit Bändern, Federn, Applikationen und Glitzersteinen schmückt sie die langweiligen Sachen aus um ihrem Outfit das gewisse Etwas zu verleihen. Da ist sie sehr einfallsreich. So aufgemotzt trifft sie sich dann mit ihrer Freundin, einer im Gegensatz zu ihr eher hageren Frau, in einem der wunderschönen Parks oder auch mal zum Shopping in ihrer Stadt, so wie auch heute. „Ich suche ein hübsches Sommerkleid, Doreen. Du kennst ja meinen Geschmack und stehst mir sicher mit Rat und Tat zur Seite“, sagt sie. „Aber ja doch, jetzt hoffen wir nur, dass du diesmal auch etwas Passendes findest.“ Weil Doreen jedoch weiß wie die Freundin tickt, weiß sie schon im Voraus, dass die auch diesmal wieder mit leeren Händen nach Hause geht. Sie kennt ihre Freundin durch und durch, und das seit Jahrzehnten. Warum sollte das diesmal anders abgehen als sonst. Helen beschreibt mal wieder präzise ihr angebliches Traumkleid, mit Rüschen und Spitzen überladen. Da weiß Doreen schon jetzt, auch aus eigener Erfahrung, ein solches Kleid mit so vielen Accessoires, wird die liebe Helen natürlich nirgendwo finden. Aber wahrscheinlich hat sie mal wieder ihrem Bill gegenüber ein schlechtes Gewissen, wenn sie das Haus verlässt um einfach mal nur mit der Freundin zusammen zu sein. Shoppen bedeutet für Frauen ja auch nicht unbedingt etwas kaufen. Frauen wollen gucken und reden. Shoppen ist für sie ein kommunikatives Ereignis, etwas sehr Sinn- liches, das sie gerne mit anderen teilen. Aber so etwas verstehen die Männer nicht und Helens Bill schon gar nicht. Einfach nur etwas anschauen, rumlabern ohne etwas kaufen zu wollen, für Bill undenkbar. Bill hat eh mit der Mode nichts am Hut. Er ist mehr der Typ Mann mit dem Trend zur Unauffälligkeit. Sein leergeräumtes Normal- gesicht passt dazu. Zurzeit sitzt er zu Hause, denn zu seinem Arbeitsplatz, einem Büro bei der Stadtverwaltung in Lon- don, darf er ja nicht wegen der prekären Lage. „Wenn Bill etwas braucht“, sagt Helen, „dann steuert er zielgerichtet das entsprechende Geschäft an, begutachtet nur kurz seine Ware, bezahlt und strebt dem Ausgang zu.“ „Meinst du, das sei bei John anders. Ich hab` schon Mühe ihn überhaupt in einen Laden zu locken. Wenn man ihn hört, braucht er nie etwas zum Anziehen.“ „Und einfach mal nur durch die Geschäfte bummeln und schauen was es Neues gibt, so etwas tun Männer nicht.“ Trotzdem die beiden Freundinnen genießen ihren Nach- mittag ohne die Männer. St Albans ist eine Stadt, die eigentlich alles zu bieten hat, was Frauen so brauchen. Entbehren muss man hier nichts. In einem der kleinen Straßencafés lassen Doreen und Helen den Nachmittag ausklingen bei ihrem geliebten traditionellen Builder`s Tea, einem schwarzen Tee mit Milch, dem Lieblingsgetränk der Briten. Und Helen geht, wie zu erwarten war, mal wieder ohne Traumkleid nach Hause.

      Und wenn Doreen nicht gerade mit Helen unterwegs ist, dann kümmert sie sich um alles was zu Hause gerade an- fällt, hält John den Rücken frei. In all den Jahren hat sie gelernt selber zu handeln und Probleme alleine in Angriff zu nehmen. So kann John sich voll und ganz auf seinen Job einlassen. Aber genau das will ihm derzeit gar nicht gelingen. Sich konzentrieren klappt überhaupt nicht. Wen wundert es, bei der angespannten Lage. Ständig schweift er mit seinen Gedanken ab. Das Radio läuft im Hintergrund rund um die Uhr. Noch immer weiß man nichts Neues über diese tückische Krankheit. Die Kliniken füllen sich weiter mit Infizierten und die Todeszahlen sind alarmierender denn je.

      Die Rede der Premierministerin trägt auch nicht zur Ent-spannung bei. Sie warnt alle Briten vor Panik, versucht die Fakten ein wenig weichzuspülen. Aber wie soll das funktio- nieren, wenn tagtäglich Hunderte sterben. Die Suche nach der Ursache laufe auf Hochtouren, rund um die Uhr, ver- sucht sie zu beruhigen. Eine Sonderkommission sei einge- setzt, die nach dem Erreger fahnde. Weltweite Kontakte zu namhaften Wissenschaftlern wurden hergestellt. Viele beruhigende Sprüche, aber noch nichts Konkretes. Verunsicherung und Ängste nach wie vor, zumal die Stadt mittlerweile vom Militär versorgt wird. Immer mehr Zulieferer weigern sich London anzufahren. Die Regale in den Supermärkten leeren sich, die Bevölkerung hamstert was sie tragen kann. „Wenn das so weitergeht, wird es nicht mehr lange dauern bis es zu Diebstählen und Schlägereien um die wenigen verbliebenen Esswaren kommt“, befürchtet John. „Lange geht das auch nicht mehr gut. Das Chaos in London ist vorprogrammiert und nur noch eine Frage der Zeit“, glaubt Doreen. „Besonders dramatisch ist es ja bereits in den Kliniken. Ärzte, Schwestern und Pfleger fehlen, sogar der Medika- mentennachschub gerät ins Stocken, Krankentransporte können nicht mehr bedarfsgerecht durchgeführt werden.“ „Jetzt bleibt uns nur noch zu hoffen, dass so schnell wie möglich die Ursache gefunden wird“. Dann geht Doreen wieder nach unten, setzt sich mit ihrem Strickzeug vor die Glotze und wartet auf weitere Informa- tionen. So einfach nur dasitzen, ganz ohne Beschäftigung, das kann sie nicht. Dann kommt sie sich irgendwie nutzlos vor.

      Rund um die Uhr wird in Sondersendungen über London berichtet. Das öffentliche Leben steht fast still, Busse und Bahnen fahren kaum mehr. Schulen und Kindergärten sollen auch nach dem Sommerferienende geschlossen bleiben, vorerst jedenfalls. Die Situation verschärft sich von Tag zu Tag. John erfährt soeben aus den Nachrichten, dass das Militär alle Zufahrtstraßen nach London abgeriegelt hat. Niemand darf passieren. Lediglich die Einsatzkräfte dürfen noch rein und raus. Und weil viele Regierungsmitglieder sich derzeit außerhalb Londons aufhalten, werden Telefon- konferenzen abgehalten. John kommt nach unten und setzt sich zu Doreen, ihm steht der Kopf auch nicht nach Arbeiten. „Da können wir von Glück sagen, dass wir in St. Albans sitzen“, so John mit besorgter Miene.

      John Bancroft passt nicht in das Bild, das man sich von den Bossen an der Börse macht. Er geht an seine Geschäfte zwar mit strategischem Geschick und Weitblick ran, aber Rück- sichtslosigkeit ist seine Eigenschaft nicht. „Menschlichkeit darf auch aus dem Börsengeschäft nicht verschwinden“, sagt er. Aber da gibt es auch andere Kollegen, solche, die für ein gutes Geschäft schon mal über Leichen gehen, selbst die eigene Mutter verkaufen würden. Trotzdem Bancroft gelingt es meist, aus seinen Leuten das Optimale rauszu- holen, aber nicht um jeden Preis.

      Nach der Rede der Premierministerin bespricht er mit Miller über Skype die weitere Anlagestrategie. Zunächst einmal zeigt er sich hoch zufrieden über Millers umsichtiges Handeln. „Ich denke Fred, das war ein guter Schachzug von dir unsere Wertpapieranteile an den Londoner Immobilien sofort zu verkaufen. Du hast ja mittlerweile sicher selbst gesehen, dass die Werte gerade im freien Fall sind. Ich selber habe drauf spekuliert, dass der Euro weiter in den Keller rutscht. Aber schauen wir mal. Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt. Sei vorsichtig.“

      Am gleichen Tag abends will auch die Queen Volksnähe demonstrieren, von Schottland aus. Sie meldet sich von Balmoral Castle, ihrer Sommerresidenz in einer Live-Ansprache an ihr Volk. Balmoral Castle ist nicht Teil des Crown Estate, es ist privates Eigentum der Queen. Dort hält sie sich in jedem Jahr zwischen August und Oktober für etwa zwölf Wochen auf. In diesem Jahr könnten es mehr werden. Pflichtbewusst, ganz so wie es ihre Art ist, weicht sie auch schwierigen Problemen nicht aus. Das hat sie in der Vergangenheit schon häufig bewiesen. Als vor Jahren ihr Palast halb abbrannte, Eheskandale den Ruf der königlichen Familie ruinierten, das Parlament über die königlichen Finanzen meckerte, da war die Queen zwar not amused, aber sie erschien trotz einer schweren Grippe zum Staats-bankett der Londoner City.

      Mit leisen einfühlsamen Worten erinnert sie heute in einer kurzen Rede an die vielen großen Krisen, in denen ihr Volk Kraft, Vertrauen und Zusammenhalt bewiesen hat. Als Beispiel nennt sie den zweiten Weltkrieg, in dem das Land zeitweise durch das nationalsozialistische Deutschland bedroht war. Auch die terroristischen Anschläge erst vor wenigen Jahren bleiben nicht unerwähnt. Und weil sich die Briten nicht unterkriegen lassen, würden sie gemeinsam auch diese schlimme todbringende Krankheit besiegen. Das sei nur noch eine Frage der Zeit. Dessen sei sie sich ganz sicher.

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