Wohlstand, Demokratie und weiter?. Robert Kiauka
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Krankenhäuser Früher hatten Krankenhäuser ihre eigenen Reinigungskräfte beschäftigt, seit einiger Zeit greift auch hier der Trend der Auslagerung (Outsourcing). Jetzt ist Reinigung in Krankenhäusern eine heikle Angelegenheit, weil es auch um Desinfektion geht. Und eine Maßnahme von Reinigungsunternehmen, um ihren Preis zu senken, besteht darin, bei der Schulung des Personals und bei den Desinfektionsmitteln zu sparen. Damit wird z. B. Krankenhauskeimen Vorschub geleistet89.
Patente Wer eine gute Idee hat, möchte auch etwas davon haben und nicht, dass die anderen diese einfach kopieren. In letzter Zeit gehen Konzerne aber verstärkt dazu über, triviale Patente anzumelden und bekommen dies teilweise auch anerkannt, in jedem Fall aber bleibt bis zur Entscheidung eine Phase der Unsicherheit, die für einen betroffenen Konkurrenten auch schon mal das Aus bedeuten kann90. Gut, dass es vor 20 000 Jahren noch kein Patentamt gab, sonst hätte sich wohl jemand die Idee, Pilze und Beeren im Wald zu suchen, patentieren lassen.
Recycling Um die Jahrtausendwende herum kam die Firma WOOL.REC aus dem hessischen Tiefenbach mit einem genialen Verfahren auf den Markt, so schien es: Aus Dämmstoffabfällen, Glas- und Steinwolle aus künstlichen Mineralfasern, wie sie beim Abriss alter Gebäude anfallen, stellte sie durch Vermahlen und Einbindung in eine Tonmatrix einen neuen Grundstoff für Ziegel her, Woolit genannt. Diese Mineralfasern sind krebserregend, ähnlich wie Asbest, die Dämmstoffe stellen damit einen gefährlichen Sondermüll dar, der sonst aufwendig entsorgt werden musste. Die Ungefährlichkeit von Woolit wurde durch Gutachten eines Professors für Agrarwissenschaft bestätigt, der selber an der Entwicklung des Recycling-Verfahrens beteiligt war. Leider stellte sich Woolit als ganz und gar nicht ungefährlich heraus, auch hielt sich WOOL.REC in der Regel nicht an die Auflagen der Kontrollbehörde bei der Verarbeitung der alten Dämmstoffe, was z. B. durch vorherige Ankündigung der Kontrollbesuche ermöglicht wurde. Leidtragende sind besonders die Einwohner von Tiefenbach aufgrund von Belastungen im Ort durch Mineralfasern und Dioxine, die auch anfielen, aber auch die Eigentümer der Häuser, in denen über die Jahre Ziegel aus Woolit verbaut wurden. Gefährdungspotenzial besteht bei Arbeiten wie Bohren oder Flexen an den Ziegeln und die Häuser sind ggf. schwer verkäuflich. Mittlerweile ist die Firma dicht und es wurde Anklage erhoben, auch gegen Mitarbeiter der Kontrollbehörde91.
Illegale Sondermüll-Entsorgung WOOL.REC war noch ein kleiner Fisch. In Italien wurden in der Gegend um Neapel in Kampanien von Mafia-Clans Jahrzehnte lang gewaltige Mengen Giftmüll diverser Industrien, insbesondere aus Norditalien, illegal abgekippt, verbrannt und vergraben92. Man geht davon aus, dass diese Praxis auch durch Deckung von Behörden und Politikern ermöglicht wurde. Wegen der vielen Müllbrände erhielt die Gegend auch den Beinamen Feuerland. Es wird von enorm erhöhten Raten von Krebs, Asthma, Missbildungen, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten berichtet. Die US Navy hat ihren in einem Stützpunkt dort tätigen Soldaten strikte Auflagen erteilt, z. B. darf Leitungswasser nicht mehr zum Zähne-Putzen benutzt werden. Landwirte aus Kampanien, eine der fruchtbarsten Regionen Europas, haben Probleme, ihre Produkte zu verkaufen, der Großhandel will sie nicht mehr. Nach der billigen Entsorgung bietet sich damit wohl als neues Geschäftsmodell für Mafiosi eine Umdeklaration von Lebensmitteln an, um sie abzusetzen93.
Von der Anlieferung deutschen Sondermülls wurde auch berichtet, aber der gewichtigere Beitrag Deutschland zum Geschäftsmodell der Mafia insgesamt ist die Funktion als Geldwäscheparadies94. In Deutschland kann mit beliebig hohen Summen an Bargeld bezahlt werden, anders als in den meisten anderen Ländern, insbesondere auch Italien. Ein Unternehmen soll lediglich Bericht erstatten, wenn es meint, Auffälligkeiten bemerkt zu haben, nach eigenem Ermessen. Natürlich kommt das extrem selten vor, da ein Unternehmen sich selber schadet, wenn es zu häufig Meldung macht, wer will schon seine Kunden vergraulen95.
Ölwechsel Je nach Fahrzeugtyp steht bei einem Auto nach bestimmten Strecken oder Zeitintervallen ein Ölwechsel an. Stattdessen besteht aber im Prinzip auch die Möglichkeit, das Öl nur zu reinigen, statt es aufwendig zu entsorgen und durch neues zu ersetzen. Die sogenannte Öldialyse bietet damit ökologische Vorteile sowie Ersparnis für den Verbraucher. Eine Win-win-Situation? Nicht ganz, denn der Verkauf neuen Öls ist lukrativer und so konnte sich die Öldialyse bislang kaum durchsetzen. Interessenten wurden dazu allerlei Horrorgeschichten über den nahen Tod ihres Autos durch die neue Technik aufgetischt, die sich später als Märchen erwiesen96, aber wer kann das schon in Echtzeit beurteilen?
Lohndumping Minijobber haben weniger Rechte, z. B. beim Krankengeld oder Anspruch auf Urlaub, so sagt es der Volksmund. Der Jurist und Professor Ralf Höcker hat eigens ein Werk verfasst, um derartigen Irrtümern entgegenzutreten97. Geringfügig Beschäftigte haben genau den gleichen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub wie Festangestellte, heißt es da. Er muss es ja wissen. Was er aber nicht sagt: Verweigert ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer z. B. den Lohn bei Krankheit, so wird das nicht etwa von Amts wegen durch die Behörden verfolgt, sondern der Arbeitnehmer muss die Leistung vor Gericht einklagen, wenn er nicht verzichten will. Und da hat ein Festangestellter natürlich viel bessere Karten, denn er kann in der Folge nicht einfach so entlassen werden wie die Aushilfskraft. Eine Form von Lohndumping. Auch anderweitig haben die Unternehmen Kreativität gezeigt, um die Löhne zu drücken, so bei der Verlagerung von festen Arbeitsverhältnissen hin zu Zeitarbeit, Werksverträgen und Subunternehmern. Mit der Folge, dass die Beschäftigten von einstmals vernünftig bezahlten Tätigkeiten kaum noch leben können. Exzesse sind z. B. bei Paketzustellern bekannt geworden. Auch die Generation Praktikum lässt grüßen. Schon diese lässt erahnen, dass eine hohe Qualifikation nicht unbedingt vor Ausbeutung schützt. Sehr deutlich führen das die Arbeitsverhältnisse von Piloten bei Billigfliegern vor Augen: Teilweise zweifelhafte Ausbildungen bzw. Prüfungen der Piloten, prekäre Arbeitsverhältnisse mit schwachem bis nicht nicht vorhandenen Kündigungsschutz als (Schein-)Selbstständige, Druck, unter (fast) allen Umständen zu arbeiten, also auch im Krankheitsfall, und unzureichende Ruhezeiten führen zu billigen Tickets, vermindern die Flugsicherheit und lassen am Beruf Pilot nicht mehr viel Traumhaftes. Großer Vorreiter dieses Geschäftsmodells ist Ryan Air. Andere Fluggesellschaften folgen mal mehr, mal weniger freiwillig, während Ryan Air es so zum Branchenprimus in Europa geschafft hat98.
Fairer Handel Angefangen hat es klein mit Eine-Welt-Läden in Deutschland und Frankreich und funktionierte. Mittlerweile gibt es ein kommerzielles Siegel aus Holland für fairen Handel, die Menge der demnach fair gehandelten Produkte ist in die Höhe geschossen, aber „unten“ kommt weniger an, dafür wächst der Profit auf anderen Ebenen99.
Folgerungen
Die obige Aufzählung kann natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit haben, insofern sollte sich keine Firma oder Branche übervorteilt fühlen, die jetzt nicht genannt wurde. Die genannten Beispiele legen aber einige Schlüsse nahe:
1 Eine Lücke im System liegt u. a. immer dann