Wohlstand, Demokratie und weiter?. Robert Kiauka
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Und dann gibt es noch weitere Maßnahmen, um den eigenen Standort zu stärken, dazu gehören Senkungen von Unternehmenssteuern und, wo es möglich ist, Umgestaltung der Verwaltung hin zu mehr Effizienz, Bürokratie-Abbau. Bei den Unternehmenssteuersenkungen ergibt sich ein spiegelbildliches Problem zur Ankurbelung der Wirtschaft über Schulden: Der Staat nimmt zunächst weniger ein. Wenn es dadurch aber zur Ansiedlung neuer Unternehmen kommt, oder auch alte im Land behalten werden, kann es sich lohnen. Zumindest vordergründig.
Insgesamt kann man die Wirkungen der Wachstumsfördermaßnahmen in zwei Kategorien einteilen: Zum einen geht es um ein echtes Wachstum. Wenn etwa ein Jungunternehmer ein Start-up gründen will, aber bislang durch unsinnige Verwaltungsvorschriften daran gehindert war, so kann Bürokratie-Abbau hier helfen und es kommt zu einem Wachstum insgesamt. Zum anderen geht es um Wettbewerb um Wachstum, nicht darum etwas Neues zu schaffen, sondern darum, Produktion aus anderen Staaten in den eigenen zu holen und umgekehrt die Abwanderung zu vermeiden. Durch die Verlagerung von Produktion kann es zum Ausgleich von Ungleichgewichten kommen. Wenn etwa Betriebe aus Deutschland nach Griechenland umziehen würden, würde das zu einem Ausgleich der Leistungsbilanzsalden beitragen. Dem Umstand, dass die gesamte Eurozone Staatsschulden anhäuft, kann durch Verlagerungen innerhalb dieser Zone natürlich nicht begegnet werden, im Gegenteil: Niedrige Unternehmenssteuern führen insgesamt zu geringeren Staatseinnahmen. Dass es damit in Europa ein Problem gibt, wurde immer wieder deutlich: Irland verteidigte sein Steuersparmodell lange mit Zähnen und Klauen. Ende 2014 wurde endlich die Abschaffung des sogenannten Double Irish beschlossen, wodurch internationale Unternehmen wie Apple nur Steuersätze von 2 % zahlten. Für schon ansässige Unternehmen gilt aber eine Übergangsregelung bis 202060. In Griechenland zahlen die Reeder nach wie vor nahezu keine Steuern61, die Niederlande sind für ihr Sparmodell bekannt und Ende 2014 wurden Einzelheiten zu den Methoden veröffentlicht, mit denen es Luxemburg Amazon, E.ON u. Co ermöglichte, Steuern in ihrem eigentlichen Sitz-Staat zu umgehen und stattdessen Steuersätze in Luxemburg von nur 1 % zu zahlen62. Luxemburg ist demnach unter Jean-Claude Juncker als Regierungschef zum Steuerparadies geworden, im Jahr 2013 z. B. zog es 240 Milliarden Euro Direktinvestitionen aus dem Ausland an, von EU-weit 327 Milliarden63. Und auch Deutschland ist alles andere als ein Saubermann, Tax Justice Network führt es 2013 auf Platz 8 einer weltweiten Liste für Geldwäsche64. Es zeigt sich, dass in der EU die Grenzen zum Raubritter-Wachstum bezüglich Steuern an vielen Stellen klar überschritten sind. Und die Entwicklung der Löhne und Gehälter weist anscheinend eine ähnliche Tendenz auf. Hier wird auch deutlich, warum zu einer einheitlichen Währung auch eine einheitliche Steuerpolitik gehört. Und umgekehrt können auch Handelsbeschränkungen und Zölle ihren Sinn haben, wenn wesentliche Regelungen verschiedener Staaten zu weit auseinandergehen.
Schließlich gibt es auch noch die Möglichkeit von Schuldenschnitten. Es könnten Konzepte erarbeitet werden, welche Schulden noch tragfähig sind und welche nicht mehr und Letztere könnten gestrichen werden. Das würde aber bedeuten, dass man den Leuten klar sagen müsste, dass sie etwas verloren hätten. Dem Steuerzahler eines Gläubigerlandes oder auch dem Inhaber einer Lebensversicherung, die abgeschriebene Staatsanleihen hält. Und das will man nicht, also setzt man voll auf Wachstum. Ob das zum Ziel führt, ist fraglich genug, ohne muss der eingeschlagene Weg scheitern. In anderen Wirtschaftszonen sieht es ähnlich aus. Ziehen wir nun einige Schlüsse:
Folgerungen und Ausblicke
Wem hat denn der Euro nun genutzt? Sicherlich nicht den Arbeitnehmern in Deutschland, die zeitweise ihren Job verloren haben, zu schlechteren Konditionen weiterbeschäftigt wurden oder Gehaltseinbußen hinnehmen mussten. Den Inhabern oder Anteilseignern von Exportfirmen, deren Gewinne in die Höhe schossen, schon eher. Der griechischen Krankenschwester oder Reinigungskraft, die zunächst vielleicht etwas besser bezahlt wurde, jetzt aber massiv unter den Sparmaßnahmen leidet, wohl auch eher weniger. Dem hochrangigen Beamten aus Athen mit besten Beziehungen oder dem Reeder, der sein Geld auf einem Schweizer Bankkonto oder in Immobilien in besten Lagen Berlins oder Londons bunkert, sicherlich sehr. Auch der Arbeitnehmer eines eigentlich kerngesunden Betriebes, der von Heuschrecken in Form von Hedgefonds mit billigem Geld, das Anlagemöglichkeiten sucht, aufgekauft und ausgeschlachtet wird, wird mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes die Gewinne der Spekulanten bezahlen65. Ebenso wie schon Steuerzahler über die Bankenrettung und vorwiegend Kleinanleger mit ihren Verlusten für die exorbitanten Gehälter von Bankmanagern und Gewinne von Insidern bezahlt haben, die ihre Gewinne schnell genug realisiert haben. Unter dem Strich bleibt ein Effekt, der gerne mit Umverteilung von unten nach oben oder auch von den Fleißigen zu den Reichen beschrieben wird. Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit, tatsächlich sind die Vermögen stärker gestiegen, als sie an anderen Stellen abgenommen haben, die Differenz machen gerade die Schulden aus, die ja im Rahmen von Banken- und Eurokrise rasant gewachsen sind. Und genau hier liegt das Problem: Wenn irgendwann die Zweifel an der Tragfähigkeit der Schulden die Oberhand gewinnen, droht ein Crash, mit erheblichen Wirtschaftseinbrüchen, Massenarbeitslosigkeit und sozialen Unruhen, unkontrolliert im Unterschied zu einem Schuldenschnitt. Denkbar ist stattdessen auch eine weitere schleichende Verstetigung der Krise, mit immer neuen Verwerfungen, auch nicht gerade eine Wunschvorstellung. Bleiben wir aber noch beim Crash, womit wir bei der zentralen Frage dieses Buches wären: Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen, das muss eine Demokratie nicht unbedingt aus der Bahn werfen, kann aber je nach Schwere sicher eine Gefahr darstellen, die noch größer werden kann, wenn weitere Faktoren hinzukommen. Die meisten Demokratien etwa haben die Krise der 1930er Jahre als Demokratien überstanden, in Deutschland wurde die Weimarer Republik durch das Dritte Reich abgelöst.
Abgesehen von einem möglichen Crash zeigen sich weitere Problemfelder unserer Demokratie: Da wäre zum einen die EZB. Offensichtlich müssen dort immer wieder weitreichende Entscheidungen getroffen werden, bei denen es durchaus erheblichen Entscheidungsspielraum gibt. Die Rechnung, dass die Zentralbank einfach nur unabhängig sein muss und dann entsprechend ihrem Auftrag ihre Aufgaben erledigt wie ein Zug, der auf einem Gleis fährt, geht nicht auf. Es stellt sich die Frage nach mehr demokratischer Legitimation der Führung der Zentralbank. Veränderungen scheinen besonders notwendig vor dem Hintergrund, dass bislang jedes Mitgliedsland im Euro die gleichen Mitspracherechte hat, unabhängig von Einwohnerzahl oder auch Kapitalanteil bei der EZB.
Im Unterschied zur Führung der EZB sind die nationalen Regierungen gewählt, aber wie kann der Bürger eine begründete Wahl treffen, wenn die wesentlichen Fragen kaum thematisiert werden, wie Ende der 80er/Anfang der 90er die mit der Einführung des Euro notwendige politische Einigung? Wenn plötzlich dringende und weitreichende Entscheidungen anstehen, wie ab 2010 die Euro-Rettungsmaßnahmen, an die vorher wahrscheinlich nicht einmal die zur Wahl stehenden Politiker gedacht haben? Sehr problematisch ist auch der nach Belieben und Tagesform ausgerichtete Umgang mit Verträgen. Ein ehemaliger EU-Kommissar trieb das stellvertretend für viele auf die Spitze, als er im Juli 2015 von der Gruppe der Euro-Staaten als einer unauflöslichen Schicksalsgemeinschaft sprach. Auch Angela Merkel sprach nach einer Meldung im Zusammenhang mit den Griechenland-Hilfspaketen von Europa als einer Schicksalsgemeinschaft und als solche von einer Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft66. War doch über die No-bail-out-Klausel ganz anders vorgesehen. Sehr problematisch erscheint auch, dass die Politiker überhaupt einerseits sehr dazu neigen, irreversible Verträge abzuschließen, andererseits aber hauptsächlich einen Horizont nur bis zu den nächsten Wahlen haben. Regelungen, wer welche Verträge schließen und wer sie wieder lösen kann, wären wünschenswert. Dass die Politik sich für fehlerfrei hält und sich damit zunächst weitgehend der Möglichkeit von Korrekturen beraubt, um dann später bei Bedarf unberechenbar doch die Regeln über Bord zu schmeißen, sollte kein Dauerzustand sein.
Und moralische Folgen gibt es auch: Auch befeuert durch die geschilderten problematischen Entwicklungen zeigen sich zunehmend Euroskepsis und nationale Ressentiments und stellen eine Gefahr für den europäischen Zusammenhalt dar, die über unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhänge hinausgeht.
Nachdem bislang viel von auf und ab der