Wohlstand, Demokratie und weiter?. Robert Kiauka

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Wohlstand, Demokratie und weiter? - Robert Kiauka

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Marken gezeigt, dass inoffiziell viel zu viele Stickoxide ausgeblasen wurden. Auch Fahrzeuge der neuesten Norm Euro 6 schließlich wiesen auf der Straße 7-fach erhöhte Werte auf71. Daimler ist mittlerweile auch in den USA aufgefallen, weil dort auf der Straße bis zu 30-fach erhöhte Stickoxid-Werte gemessen wurden72. Die hohen Faktoren 30 und 35 oben erklären sich wohl über das von dem unrealistischen Testzyklus abweichende Fahrverhalten auf der Straße. Wie sinnvoll ist übrigens ein und derselbe Test für ganz verschiedene Fahrzeugklassen, die in der Realität ganz unterschiedlich gefahren werden?

      Etwas geschickter als VW scheint sich Opel angestellt zu haben. Dort wurde nicht die schlechte Kontrolle, sondern eine Lücke in der EU-Verordnung ausgenutzt, nämlich die Ausnahme vom Abschaltverbot der Abgasreinigung, um den Motor zu schützen. Die Bedingungen, unter denen die untersuchten Opel-Fahrzeuge demnach sauber fuhren, machten nur einen kleinen Bruchteil der Fahrstrecke unter realistischen Nutzungsbedingen aus73. Es stellen sich hier zwei Fragen. Zum einen: Warum die Manipulationen? Ein in der Motorenentwicklung Beschäftigter sagte dazu anonym, dass technisch die Einhaltung der geforderten Stickoxid-Werte möglich sei, was aber mit höheren Kosten verbunden sei, was man vermeiden wollte. Tatsächlich gab es genau das gleiche Problem schon vor gut einem Dutzend Jahren mit Lkw’s. Die stoßen mittlerweile, wenn nicht geschummelt wird, viel weniger Stickoxide aus und sind jetzt sogar sauberer als Diesel-PKW. Dafür müssen LKW neben Diesel regelmäßig einen AdBlue genannten Zusatz, der i. W. Harnstoff enthält, tanken, der Verbrauch davon beträgt rund 5 bis 7 Prozent des Dieselverbrauches. Bei PKW liegt der AdBlue-Verbrauch bei nur etwa 1 %. Das senkt die Kosten und der Kunde bekommt davon gar nichts mit, wenn der Zusatz nur in den Wartungsintervallen nachgefüllt werden muss74. Die zweite Frage ist, wie bzw. ob derartige Diskrepanzen so lange von den Volksvertretern, die mit den Grenzwerten die Gesundheit der Menschen schützen wollten, unbemerkt bleiben konnten. Wir kommen dazu im nächsten Kapitel. Bleiben wir zunächst bei VW, hier zeigen sich noch einige weitere Lücken im System: VW stellte rund 16 Milliarden Euro für Schadenersatz zurück und stand mit dem Rücken zur Wand. Ein beträchtlicher Teil des Schadens ist auch auf das eben sehr späte Schuldeingeständnis zurückzuführen75, weswegen jetzt sogar Anklagen gegen ehemalige Führungskräfte drohen76. Und auch früher muss es ja Verantwortliche in der Führungsebene gegeben haben, allen voran der ehemalig VW-Chef Martin Winterkorn. Sei es, dass diese wussten, was passierte oder sei es, dass diese die Manipulationen durch einen Führungsstil, der kein Versagen auch bei unrealistisch hohen Anforderungen duldete, indirekt heraufbeschworen. Aber davon, dass jemand von seinen Millionen-Gehältern etwas wieder zurückgeben soll, ist nicht die Rede, selbst 2016 wurden noch nicht einmal die Boni gestrichen, sondern nur Teile davon zurückgestellt77. Das Problem scheint das gleiche zu sein, wie bei den Banken. Mittlerweile klagen Staatsfonds gegen VW, um die durch die fehlerhafte Informationspolitik der Führung von VW erlittenen Aktienkursverluste wieder zu bekommen78. Wirklich sinnvoll könnte so eine Klage bei konsequenten Gesetzen eigentlich nicht sein, denn Aktienhalter von VW klagen auf diese Weise gegen sich selber, von den Kursverlusten sind ja alle Aktionäre betroffen. Sinnvoll wäre dagegen eine Klage gegen die Verantwortlichen, aber tatsächlich wurde der Vorstand auch 2016 wieder entlastet. Wobei dieses allerdings nichts anderes bedeutet, als dass dem Vorstand das Vertrauen ausgesprochen wird. Eine etwaige Haftung leitet sich aus einer Nicht-Entlastung nicht ab79.

      Noch einmal zu den LKW’s. Auch unter diesen gibt es noch Dreckschleudern auf deutschen Straßen. Möglich wird das durch Emulatoren, die dem Motor nur vortäuschen, dass AdBlue zugeführt wird. Entwickelt wurden sie für den Einsatz da, wo AdBlue nicht erhältlich ist, aber der Einsatz in Ländern wie Deutschland kann sich durchaus auszahlen: Bei einem Jahresgewinn von ca. 6 000 Euro pro Fahrzeug liefern Einsparungen von 2 000 Euro jährlich einen wirksamen Wettbewerbsvorteil. Der Einsatz solcher Emulatoren ist in Deutschland zwar verboten, aber eingeschränkte Kontrollbefugnisse der Behörden lassen dieses Verbot schwer durchsetzen, anders als etwa in Polen. Bei einer Stichprobe mit mobilen Abgasmessgeräten zeigten 20 % aller LKW aus Osteuropa auffällige Werte, die für Manipulation sprachen. Hochgerechnet ergeben sich damit 14 000 Tonnen zusätzlicher Stickoxide jährlich in Deutschland, was dem Doppelten der zusätzlichen Emissionen in den USA aufgrund der VW-Manipulationen entspricht80.

      Wenden wir uns anderen Beispielen für eine Umgehung des Leistungsprinzips zu.

      Versicherungen In Moskau hatten wir deutsches Fernsehen und ich sah mir häufig die Polit-Magazine in den Öffentlich-rechtlichen an. Da häuften sich Berichte über die schlechte Zahlungsmoral von Versicherungen in großen Schadensfällen. Eigentlich ja genau die Fälle, wofür Unfall-, Berufsunfähigkeits-, Haftpflicht- und z. T. auch Krankenversicherung da sind, denn kleine Schäden könnte man in der Regel wirtschaftlicher selber tragen. Es wird irgendein Grund gefunden, warum die Versicherung angeblich nicht zahlen muss, gerne etwa, dass der entstandene Schaden nicht auf das versicherte Ereignis, etwa ein Unfall, zurückzuführen sei. Kommt ein Gutachten zu dem gegenteiligen Schluss zugunsten des Geschädigten, holt die Versicherung eben ein Gegengutachten ein. Der Fall wandert durch die Instanzen, die Jahre ziehen in das Land und anstatt sich an die durch die Krankheit oder Verletzung schwieriger gewordenen Lebensumstände gewöhnen zu können, müssen die Betroffenen um ihr Recht kämpfen, was nicht jeder durchhält. Auch wurde berichtet, dass Versicherungen speziell bei wenig Vermögenden die Leistungen kürzen oder einbehalten, weil diese sich nicht so gut wehren können81. Neben den direkten zusätzlichen Schäden für die Betroffenen wird auch Preisdruck auf seriöse Versicherungen ausgeübt, weil durch die Nichtübernahme der geschuldeten Leistungen die unseriösen Anbieter mit niedrigeren Beiträgen werben können. Diese Berichte waren einer der Gründe, warum ich mich politisch engagieren wollte. Es scheint sich in der Folge nicht viel getan zu haben82, im Juli 2015 machte der Spiegel das Problem zu einem Titelthema.

      Ein weiteres Thema: Der Bund fördert über die Riester-Rente private Altersvorsorge. Das ist für die Versicherungsgesellschaften ein lukratives Geschäft83, ein nicht unerheblicher Teil der eingezahlten bzw. erwirtschafteten Beträge wandert zum Versicherer. Wie viel genau, ist üblicherweise im Detail gar nicht nachzuvollziehen, da die Versicherer ihre Berechnungen nicht offenlegen müssen, was der Bundesgerichtshof 2015 bestätigt hat84.

      Wasser In London ist die Wasserversorgung komplett privatisiert worden und in der Folge wurde die Wartung der Rohre vernachlässigt. In Deutschland ist eine mögliche Privatisierung der Wasserversorgung seit Jahren ein Streitthema aufgrund ähnlicher Befürchtungen. In Berlin wurde die Teilprivatisierung der Wasserversorgung wieder rückgängig gemacht, weil seit Einführung dieser ein Anstieg der Wasserrechnungen und ein Rückgang der Qualität des Service und der Pflege beobachtet wurden85. Noch wesentlich schlimmer aber ist, wenn Unternehmen in manchen Gegenden irgendwo in der Welt das Grundwasser aus dem Boden holen, es in Flaschen füllen und verkaufen, unter anderem an die örtliche Bevölkerung, deren Brunnen infolge der Unternehmenstätigkeit versiegt sind. Das vorher kostenlose Wasser müssen die Menschen dann für einen im Verhältnis zu ihrem meist sehr kleinen Einkommen sehr hohen Preis kaufen, die nächste kostenlose Wasserversorgungsstelle ist ggf. unrealistisch weit entfernt. Nestle etwa wurde in Südafrika entsprechend tätig und später sogar in der Schweiz verurteilt für die Bespitzelung von Aktivisten, die gegen diese Praxis vorgingen86.

      Flughäfen Die Sicherheitskontrollen an deutschen Flughäfen übernehmen seit etlichen Jahren zumeist private Betreiber. Und gegen deren Arbeit hat es wiederholt Vorwürfe gegeben. Die EU hat mehrfach die Kontrollen an deutschen Flughäfen bemängelt und sieht dadurch die Sicherheit der Gemeinschaft gefährdet. Testern gelang es bei jedem 2. Versuch, Waffen oder Bauteile von Bomben durch die Kontrollen zu bringen. Insider werfen den privaten Betreibern vor, gering qualifiziertes Personal zu geringen Löhnen einzusetzen und so den eigenen Profit auf Kosten der Sicherheit zu erhöhen. Keine Beanstandungen seitens der EU gab es an bayerischen Flughäfen. Dort werden die Kontrollen von Gesellschaften des Landes durchgeführt87. Flugsicherheit wird natürlich nicht nur am Boden verkauft. Mehr dazu weiter unten unter Lohndumping.

      Wirtschaftsauskunfteien

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