Götter, Gipfel und Gefahr. Christina Hupfer
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Читать онлайн книгу Götter, Gipfel und Gefahr - Christina Hupfer страница 3
Jonas und Sylvie kochten gerne und es machte Ihnen sichtlich Spaß, aus den frischen Zutaten, die wir meist unterwegs und am liebsten an den kleinen Ständchen am Straßenrand einkauften, leckere Gerichte zu kochen.
Alle paar Tage klinkte ich mich komplett aus und genoss einfach Sonne, Strand und Meer. Spät am Abend, meist schon im Dunkeln, wenn wir gemeinsam unseren gewaltigen Abwasch erledigt hatten, saßen wir bei einem Glas Retsina in unseren gemütlichen Klappsesseln vor dem Camper und ließen die Erlebnisse der vergangenen Tage nochmals an uns vorüberziehen:
Die ewig lange, beängstigend tiefe und dunkle Schluchtenwanderung.
Die Klöster, die einsam und düster hoch oben in den Felsen klebten.
Die riesigen Herden von frechen Ziegen mit goldenen Augen.
Der würzige Duft der unterschiedlichsten Kräuter, der einem an sonnenwarmen Stellen um die Nase wehte.
Die wunderbar neuen, überwiegend gähnend leeren Straßen und die zum Teil aufwändig restaurierten historischen Stätten:
„Da könnt Ihr mal sehen, wohin die EU-Gelder gehen”, lästerte Jonas gutmütig.
Wir dachten an den netten Wirt, der uns stolz seinen Geländewagen zeigte und der dann unser Geld ohne Rechnung einsteckte:
„Wie sollen die so jemals aus Ihrer Schuldenfalle rauskommen?”, fragte Jonas kritisch.
„Na ja, unser Bad haben wir kürzlich auch von einem „Freund” machen lassen”, meinte seine Frau.
„Das ist ja wohl ein bischen was anderes”, protestierte er.
„Keine Politik bitte – wir haben doch Urlaub”, bat ich und erinnerte an den freundlichen alten Herrn, der es ich nicht nehmen ließ, uns mit seinem Stock bewaffnet durch sein Dorf zur nächsten Abzweigung zu führen und der uns in Deutschenglischgriechisch mitteilte, dass er die Deutschen „trotz allem” sehr schätze. Manche taten das wohl nicht – deshalb der Stock? Und, und, und... Und wir bedauerten sehr, dass sich unser Aufenthalt bald dem Ende zuneigte. Außerdem würde ich meine gemütliche „Höhle” vermissen. Zwei mal zwei Meter groß. Darin eine Matratze, eine Klappkiste als Tisch und sogar eine Steckdose (dank einer Kabelverbindung zum Wohnwagen) für Licht, Ladegerät und, ganz wichtig, für den Tauchsieder, der mir den frühmorgendlichen Luxus–Cappuccino ermöglichte. Dank sei Nestlé.
„Du könntest ja noch eine Woche anhängen”, schlug Sylvie vor.
„Hm, das wäre schon was”, antwortete ich träge. „Ich müsste eigentlich nur meinen Rucksack vergrößern und noch schnell fürs nächste Wochenende einen „billigen” Flug von Patras nach München buchen.”
Aber ich freute mich auch auf die gemeinsame Rückreise mit dem Schiff, auf die kleine Woche Schonzeit, bevor die Tretmühle wieder anlaufen würde, und auf die Besuche bei den Eltern, Geschwistern und Freunden, denen ich ja nun einiges zu erzählen hatte. Es wurde nun auch jeden Tag ein wenig heißer und bald würden die Touristen in Massen über diese jetzt noch wunderschönen, einsamen Strände hereinbrechen.
Am Tag vor unserer Abreise befanden wir uns auf einem winzigen, sehr familiären Campingplatz direkt am Meer, nur ca. 20 km von Patras entfernt und unternahmen zum Abschluss eine letzte, kurze Wanderung ins Hinterland. Auf dem Heimweg fuhren wir in den Hafen zum Fähranleger um zu schauen, wo wir uns am nächsten Abend einreihen müssten. Und da geschah es...
* 2 *
So ein riesiger Hafen ist ganz schön aufregend für jemanden, der wie wir aus der tiefsten Provinz stammt. Ich konnte sehr gut verstehen, dass Jonas sich hier vorab orientieren wollte.
Dutzende Fahrstreifen führten zu den Anlegestellen der unterschiedlichsten Fährgesellschaften. Turmhoch ragten die Schiffe vor den Reihen unzähliger Autos, Wohnanhänger, Wohnmobile und riesiger Lastwagen empor. Schiffssirenen heulten, Ketten rasselten, Rufe gellten, Bremsen quietschten und manchmal bewegte sich tatsächlich eine der Fahrzeugschlangen vorwärts. Es roch nach Schmieröl und heißem Asphalt. Verschwitzt aussehende Menschen standen vor weit geöffneten Autotüren in Grüppchen zusammen und kommentierten lauthals die Vorgänge. Ein besonders wichtigtuerisches Exemplar, dessen Wanst das Matrosen-T-Shirt, in dem er steckte demnächst zum Platzen bringen würde, erklärte gerade den Umstehenden:
„Und wenn wir in Ancona ankommen, dann können wir uns auf eine noch viel längere Wartezeit gefasst machen. Die vom Zoll nehmen dort zurzeit nämlich jeden Wagen auseinander. Die suchen illegale Einwanderer. Die versuchen jetzt mit allen Mitteln über die Grenze zu gelangen.”
„Und wehe, die finden da jemanden”, tönte er weiter. „Wenn sich da so einer bei Euch z. B. im Wohnwagen eingeschlichen hat, dann seid Ihr genauso dran! Und so ein Zuchthaus ist auch in Italien kein Zuckerschlecken, das sage ich Euch.”
„Oh, je, das hört sich ja schrecklich an”, sagte ich zu Jonas. „Da dürfen wir ja morgen Abend unser Gespann nicht aus den Augen lassen. Aber die armen Menschen, die das nötig haben...”
„Nur keine Aufregung, in unserem kleinen Camper kann sich sowieso keiner verstecken. Da müssen die mit ihren aufgeblasenen Luxusmobilen eher aufpassen”, wiegelte er ab. „Wir suchen jetzt erst mal die Terminals.”
Gott sei Dank war ich hier nicht auf mich alleine angewiesen! Mit dem Handy versuchte ich (mein Fotoapparat lag leider mal wieder im Auto) die Atmosphäre dieser riesigen Maschinerie einzufangen. Na ja, ich versuchte es. Als wir aber für eine Auskunft ewig lange an einem der Schalter warten mussten, lief ich zurück, um die Kamera zu holen.
Die Luft flimmerte über den Autodächern als ich an den Blechlawinen vorbei zu der Stirnseite des riesigen Platzes lief, wo wir unseren Wagen geparkt hatten. Es war sicher der heißeste Tag unseres ganzen Urlaubs. Der Großschwätzer hielt trotzdem immer noch Hof und ein weiteres Paar lauschte gebannt seinen drastischen Ausführungen, die er mit der Bierdose in der Hand untermalte. Dabei stand hinter ihm die Tür seines Wohnmobils sperrangelweit offen. Eine generöse Einladung für eine ganze Wagenladung Asyl suchender Menschen. Ich lachte in mich hinein und kramte den Schlüssel zu unserem Auto aus der Hosentasche.
Und da sah ich es: Auf dem Parkplatz, zwei Autos vor dem unseren stand ein alter, verrosteter, ehemals weißer Lieferwagen.
Ein dunkelhäutiger, ungepflegter Mann, so einer von der Sorte, dem ich nicht unbedingt nachts alleine begegnen wollte – sein herunterhängendes, linkes Augenlid trug auch nicht gerade zu einer vertrauenerweckenden Erscheinung bei – warf gerade einen großen Sack durch die geöffnete Heckklappe und schlug sie im Weggehen hinter sich zu. Er wandte sich an einen anderen Typen von der gleichen Sorte, der mit seiner ausgefransten Narbe, die die untere rechte Seite seines Gesichts verzierte, ebenfalls ungeschminkt in einem Horrorfilm hätte mitspielen können. Die beiden gingen auf einen großen, schlanken Mann in Uniform zu, der mit einer gefährlich aussehenden Pistole im Gürtel und Papieren in den Händen seitlich vom Wagen stand.
Die Klappe des weißen Lieferwagens war aber anscheinend nicht eingerastet, denn sie bewegte sich ganz leicht, nur ein paar Zentimeter, nach oben. Ein paar dünne Beine erschienen und eine kleine Gestalt huschte pfeilschnell an mir vorbei und verschwand hinter den Reifen des riesigen Kühllasters, der nur ein paar Meter entfernt neben unserem Auto stand. Kurz sah ich, wie sich der Körper nach oben, wohin auch immer, zog. Angsterfüllte Augen brannten sich in meiner Netzhaut ein. Dann war er verschwunden.
„Habe