Götter, Gipfel und Gefahr. Christina Hupfer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Götter, Gipfel und Gefahr - Christina Hupfer страница 7
Ich deckte ihn behutsam mit meinem Schlafsack zu, suchte mir dann schnell irgendein Kleid heraus und verrenkte mich fast beim Anziehen, um ihn ja nicht zu stören.
Mit einem Blick zurück verließ ich zögernd mein Zelt und ging zu meinen Freunden, um in der Taverne unseren letzten Abend zu „genießen”.
* 4 *
Die Tische auf der Terrasse vor dem dunklen, samtenen Abendhimmel wurden durch dutzende Kerzenstummel beleuchtet. Ein köstlicher Geruch wehte aus der Küche herüber, in einfachen Gläsern leuchtete rot der Wein und aus der Ferne grüssten die glitzernden Lichter der großen Hafenstadt.
Normalerweise hätte ich das alles und auch das kurzweilige Gespräch sehr genossen. Wir, das hieß in diesem Moment nur Sylvie und Jonas, hatten ja viel zu erzählen und auch Mark – so hieß der Rübezahl, aus dessen Gesichtsbehaarung ein paar vergnügte blaue Augen blickten – hatte einiges zum Gespräch beizutragen, so dass es nicht auffiel, dass ich ziemlich wortkarg dabei saß. Aber so verschwand ich nach der Bestellung erst mal auf der Toilette.
„Ich muss mal – ich glaube, ich habe heute irgendetwas Komisches erwischt”, sagte ich und dachte: Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, was! Dort saß ich erst mal fünf Minuten – hier hatten sie immerhin eine normale und auch sehr saubere Toilettenschüssel, Standard schwäbische Hausfrau – und sortierte meine Gedanken.
Erstens: Riki hatte definitiv nichts Gestohlenes dabei. Aus diesem Grund wurde er also sicher nicht gesucht.
Zweitens: Ich habe ihn schließlich nicht entführt. Ich habe ihm nur geholfen.
Drittens: Ich fühlte mich, obwohl ich nach gegenteiligen Argumenten suchte, für ihn verantwortlich.
Viertens: Ich wusste eigentlich genau, was man eigentlich tun müsste und was Jonas ganz bestimmt tun würde, wenn ich ihn einweihte: Den nächsten Polizeiposten aufsuchen und Riki den Beamten dort anzuvertrauen. Aber der nächste Polizeiposten wäre wahrscheinlich in Patras...
Fünftens: Ich werde nachher nochmals einen Toilettengang vorschützen und den Onkel anrufen. Und dann werde ich weitersehen.
„Geht es wieder?”, fragte mich Sylvie mitleidig, als sie sah, wie ich mir demonstrativ den Bauch hielt, als ich zurückkam.
„Wird schon werden.” Es war mir gar nicht recht, sie so anzulügen. „Es zwickt nur noch ein wenig.”
Ich setzte mich und griff nach dem herrlich kühlen, milchigen Ouzo. „Der wird mir schon helfen.”
„Ich habe Mark gerade von deiner Beobachtung heute Mittag im Hafen erzählt.
„Oh, ja?”, fast hätte ich mich verschluckt. „Das war wirklich sehr seltsam.”
„Das wird einer von diesen illegal Reisenden gewesen sein”, meinte Mark. „Diese Menschen, die sich später ohne Papiere in Länden wie Italien, Deutschland oder wo auch immer aufhalten, sind ein richtiges Problem geworden. Da sie keine Papiere und Aufenthaltsgenehmigungen haben, können sie nirgends eine reguläre Arbeit bekommen. So sind sie dazu verdammt, sich im Untergrund durchzuschlagen. Wobei illegale Beschäftigung, Diebstahl und Einbrüche noch die kleineren Probleme sind. Die Behörden sind hier also sehr kitzlig”, erklärte er und schaute uns warnend an. „Seid bitte vorsichtig, wenn Ihr morgen auf die Fähre geht, und schaut, dass sich niemand in euren Wohnwagen oder euer Auto hineinschleicht. Das auswärtige Amt warnt sogar davor, dass man nicht mal auf den Parkplätzen vor der Hafenzufahrt pausieren soll.”
„Davon haben wir auch schon gehört. Aber dieser Junge hat sich doch erst, nachdem er aus einem Wagen entwischt ist, versteckt.” Ich war überzeugt, mein Herzklopfen würde gerade die Bouzuki-Musik im Hintergrund übertönen.
„Vielleicht hatte man ihn schon mal aufgegriffen und er ist ihnen wieder entkommen”, vermutete Jonas.
Einen Moment lang stolperte mein Herz eine ellenlange Treppe hinunter. War ich vielleicht auf einen Trick reingefallen? Aber nein – die Verfolger hatten doch behauptet, er hätte gestohlen...
„... wie ich in einem Dorf fast im Gefängnis gelandet wäre. Und das nur, weil ich meinen Ausweis nicht gleich gefunden habe”, hörte ich, als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, Mark erzählen. Ein Schauder überlief mich kalt. Das Thema passte.
„Und, wie bist Du dann mit den griechischen Behörden zurechtgekommen?”, fragte ich betont beiläufig und so gut ich das mit meinem ausgetrockneten Mund vermochte.
„Diese Erfahrung möchtest Du nicht wirklich machen. Man darf zwar aus meinen Erlebnissen nicht auf alle schließen, aber ich war froh, dass ich ausreichend Griechisch kann. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, das Wochenende in einer sehr hässlichen Zelle mit einem noch hässlicheren Zerberus vor der Tür zu verbringen. Dass er wegen mir dableiben musste, hat auch nicht gerade zur Besserung seiner Laune beigetragen. Aber ich konnte niemanden erreichen, der mich identifizieren konnte. Nicht mal die deutsche Botschaft konnte mir so kurzfristig helfen.” Er lachte. „Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie froh ich war, als mein Gastwirt, bei dem ich mich zwecks Tiefenreinigung, was ja so alle paar Tage nötig ist, einquartiert hatte, mit meinem Ausweis wedelnd in der Wachstube erschien. Er war beim Bettenmachen wieder aufgetaucht. Allerdings hatte ich nicht den gleichen frohen Ausdruck im Gesicht meines Wächters entdeckt. Der hätte mich wohl noch zu gerne ein Weilchen in seinen Fängen behalten – trotz Wochenende.“
„Dieses Dörfchen hast Du dann sicher gleich abgehakt?”, meinte Jonas.
„Nein, ganz im Gegenteil.” Er lächelte bei der Erinnerung. „Die Wirtsleute haben mich zur Wiedergutmachung fast mit einem ganzen Lamm vollgestopft und auch sonst mit allem, was die Küche hergab. Und den ganzen Abend hat die Geschichte die Runde in der Taverne gemacht, wir haben gelacht, gesungen und getanzt. Es war eines der schönsten Erlebnisse meiner Reise. Auch sonst habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. Ich liebe Griechenland.”
„Ja, es ist wunderbar hier.” Ich seufzte. „Ich überlege ernsthaft, ob ich nicht noch eine Woche bleiben soll.”
„Das könntest Du doch”, zwinkerte mir Sylvie zu. „Wir haben das ja schon mal angedacht.”
Die blauen Augen lächelten mich an „Dann könnten wir uns ja noch mal sehen. Ich bleibe hier auch noch ein paar Tage.”
Das wurde ja immer komplizierter.
„Ich glaube, ich muss noch einmal...”, flüsterte ich Sylvie zu. „Ich hole nur schnell ein paar Feuchttücher aus dem Zelt.”
„Aber beeile Dich, ich glaube, das Essen kommt gleich.”
„Ich versuche es, aber ich habe sowieso keinen
Hunger.”
Und ich stürzte