Götter, Gipfel und Gefahr. Christina Hupfer

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Götter, Gipfel und Gefahr - Christina Hupfer

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durfte mir gar nicht vorstellen, was diese Bande mit den Kindern vorhatte.

      „Ja, und was willst Du jetzt machen?”, fragte ich ihn besorgt in unserer Deutschenglischgestikbildersprache.

      „Call my uncle / meinen Onkel anrufen?”

      „Wo ist eigentlich dieser Onkel?” Und warum hat er sich bisher nicht besser um dich gekümmert? Er meinte wohl, mit Geld sei alles geregelt, dachte ich.

      „Im Ausland”, interpretierte ich seinen Pfeil, der quer übers Blatt, weit weg von der Skizze Albaniens, wies.

      „Und die Telefon–Nr?”

      „In my head / in meinem Kopf – hast du ein Handy?” Er hielt seine Hand ans Ohr und schaute mich hoffnungsvoll an.

      „Aber ja.” Erleichtert sah ich eine Lösung in Reichweite. „Wir werden ihn gleich anrufen.”

      Schon kramte ich in meiner riesigen Tasche, musste aber feststellen, daß mein Akku wieder einmal leer war.

      Seine fühlbare Enttäuschung tat mir richtig weh.

      „Kein Problem, im Zelt oben kann ich es wieder laden”, beruhigte ich ihn.

      Was dieses Bürschchen schon alles erlebt und mitgemacht hatte! Ich konnte nicht anders, ich musste ihm helfen. Ob ich nicht doch meine Freunde einweihen sollte? Aber Lorik konnte sich nicht so einfach verständlich machen und ich wollte mich auch nicht endlosen Diskussionen aussetzen. Dafür war einfach keine Zeit. Und sie hätten wahrscheinlich auch kein Verständnis für meine Eigenmächtigkeiten. Ich würde es ihnen sagen, sobald ich den Onkel erreicht hatte, beschloss ich für mich.

      Inzwischen war es empfindlich kühl geworden. Die Sonne hing schon tief über der Wolkenbank, die sich draußen auf dem Meer auftürmte und tauchte Wasser und Küste in warme Farben. Ein leichter Abendwind war aufgekommen und obwohl wir uns bereits in die Handtücher eingewickelt hatten, fingen wir an zu frieren. Außerdem fielen Riki, wie ich ihn inzwischen nannte, so langsam die Augen zu und ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es höchste Zeit war, zu meinen Freunden zurückzukehren.

      Eine Person mehr oder weniger fällt auf so einem Platz, auf dem ein tägliches Kommen und Gehen herrscht, überhaupt nicht auf und so bedeutete ich Riki, mir in einigem Abstand zu folgen und führte ihn zum Waschhaus. Das war ein seeehr einfaches Gebäude, aber es verfügte immerhin über drei Toilettenräume. Die bestanden aus einem Loch im Boden zwischen zwei Tritten in der Ecke für alles (!), was weg musste, und etwas, das ein Duschkopf sein sollte, an der Decke. Immerhin gab es auch noch ein kleines Waschbecken und ein paar Haken an der Tür, um eine Tasche und ein paar Kleidungsstücke aufzuhängen. Und es kümmerte niemanden, ob man alleine oder mit der ganzen Familie so ein Luxuskabinett belegte. Ich hoffte, dass Riki keinen Aufstand machen würde, wenn er mit mir unter die Dusche sollte, aber er war mittlerweile vor lauter Müdigkeit fast in Trance. Er lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand, seinen Beutel fest umkrampft, während ich mir unter dem dünnen Strahl schnell das Salz aus den Haaren und vom Körper wusch.

      Als ich ihm die Reste seines T-Shirts über den Kopf zog, schrie er kurz auf und ich sog scharf die Luft ein. „Wer hat Dir denn das angetan?” Das grünblaue Streifenmuster auf dem schmalen Rücken war sicher kein Liebesbeweis.

      Behutsam wusch ich ihm das vor Schmutz starrende Haar und den wunden Rücken. Als er danach sich selbst einseifte, sammelte ich unsere Habseligkeiten ein und wickelte mich in meinen Pareo. Ein Blick um die Ecke zeigte mir Sylvie, die bereits frisch gestylt vor dem Wohnwagen saß, während sich Jonas mit dem Nachbarn gegenüber unterhielt. Unsere Parzellen lagen genau am linken Rand des Campingplatzes, der von einer lichten Hecke begrenzt wurde. Der kümmerliche Zaun dahinter wies einige Schlupflöcher auf, durch die die Angler ohne Umwege über einen schmalen Weg durch den Schilfgürtel zum dahinter liegenden Bachbett gelangen konnten. Links von meinem Iglu hinter rosa blühendem Oleander stand der Wohnwagen meiner Freunde. Rechts, zwischen mir und dem Meer wuchsen nur ein paar kleinere Büsche und dahinter auf dem Logenplatz prunkte das Wohnmobil der Familie Schnauz und Kläff. Diesen Titel hatten sie von uns nicht nur wegen ihrer Töle, die sich ausgerechnet mein Zelt als bevorzugten Pinkelplatz auserkoren hatte, erhalten. Herrchen und Frauchen standen in Ihrer Lautstärke seinem Gekläff in nichts nach. Da dort gerade himmlische Ruhe herrschte – vermutlich waren sie auf ihrem abendlichen Rundgang und ihr „Schnucki” wässerte gerade andere Zelte – konnten wir ungesehen von hinten in mein Iglu gelangen.

      „Sei leise und schlafe ein wenig. Ich komme später auch und dann rufen wir deinen Onkel an”, signalisierte ich ihm und huschte dann wieder davon.

      Ich hätte dringend ein Stündchen gebraucht, um einen klaren Gedanken zu fassen, aber als ich zu meinen ahnungslosen Mitreisenden stieß, wartete dort auch noch der Campingnachbar, der mit uns zum Essen gehen wollte. Meine Überlegungen, doch noch meine Taten zu beichten und Rat zu holen, waren somit vom Tisch.

      „Wo warst du denn soooo lange?”, fragte mich Sylvie und kam mir mit ihrem Drink entgegen. „Fast hätten wir einen Suchtrupp losgeschickt.”

      Puh, das hätte noch gefehlt...

      „Wir haben uns schon Sorgen gemacht”, bestätigte Jonas und holte auch für mich ein Glas aus dem Wohnwagen.

      „Oh, ich habe mich am Strand mit einem sehr netten jungen Mann unterhalten (was nicht gelogen war). Es tut mir schrecklich leid, dass ich die Zeit komplett aus den Augen verloren habe.”

      „In diesem Fall bist du entschuldigt!” Sylvies Augen glänzten gleichzeitig aufrichtig erfreut und dabei sehr neugierig. „Ist er auch auf unserem Platz – und siehst Du ihn morgen wieder?”

      „Ich weiß nicht genau – vielleicht...”

      „Es ist zu schade, dass wir morgen abreisen. Wo gerade jetzt gleich zwei Männer um Dich rum streichen.” Sie wies mit dem Kinn kichernd zu dem sehr struppigen Nachbarn, der sich nun auf dem Platz gegenüber häuslich eingerichtet hatte. „Der hat so ganz auffallend beiläufig auch schon nach Dir gefragt. Auf jeden Fall will er uns, na ja, eher dir, heute Abend Gesellschaft leisten.”

      „Das fehlt mir gerade noch.” Ich unterdrückte ein abgrundtiefes Seufzen. „Er ist ja ganz unterhaltsam, aber Männer mit Matratze im Gesicht standen auf meiner Skala der Vorlieben schon immer ganz, ganz weit unten!”

      Dieser bärtige Mann war gestern mit einem VW Caddy angereist und hatte sich, noch bevor wir „Halt” rufen konnten, beim Rückwärtseinparken mit dem alten Olivenbaum neben uns ein Gefecht geliefert. Der Olivenbaum hatte gewonnen. Und nun zierte eine ordentliche Delle das hübsche blaue Fahrzeug. So waren wir ins Gespräch gekommen, hatten ihn bedauert und seinen Wagen bewundert, den er selbst für seine Reise ausgebaut hatte: Ein schmales Bett links zum Hochklappen – wie ein Mann von seiner Größe, schätzungsweise 1,80m, da wohl Platz fand? darunter Stauraum, rechts ein Klapptischchen, ein Einbauschränkchen, ein Leselicht, gespeist von einer Solarzelle, ein kleiner Kocher zum Herausnehmen und sogar ein Mülleimer mit eingeklemmtem Sack.

      Er war schon seit vier Wochen unterwegs, das offensichtlich in ein und denselben Klamotten – musste der nicht arbeiten? – und hatte genau wie wir viel zu erzählen.

      „Immerhin scheint er sich wohl frisch gewaschen zu haben”, lachte Sylvie. „Du müsstest vielleicht noch ein paar Schichten abtragen, aber dann käme, glaube ich, ein ganz passables Exemplar zum Vorschein.”

      „Dazu bin ich heute aber leider viel zu müde”, entgegnete ich trocken und trank mein Glas aus. „Ich

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