Sinja und die Zaubergeige. Andreas Milanowski
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Die beiden verschwanden hinter dem Felsvorsprung, hinter dem Emelda eben aufgetaucht war.
„Bist du mittlerweile auf dem Laufenden?“, fragte Emelda und schaute Sinja dabei von der Seite an.
„Na ja“, antwortete die, „ich weiß jetzt ein wenig über eure Geschichte und die Zusammenhänge mit unserer Welt. Gamanziel hat mir etwas erzählt über die Musiker, die hier waren, weil sie etwas komponiert oder gespielt haben, was eure Welt mit Lebensenergie versorgt, oder so ähnlich….“
„Hmmmmnnn, ja,…. So ähnlich“, brummelte Emelda, „ich meinte jetzt eigentlich mehr die aktuellen Dinge. Weißt du, dass wir bald aufbrechen müssen, um nach Fasolânda zu gelangen? Wir müssen dich dort zu Königin Myriana bringen und es eilt. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Du solltest dich auch vorbereiten. Ich werde dir gleich ein paar passende Kleider geben. In dem Fummel, den du dir da übergeworfen hast, wirst du hier nicht weit kommen. Dorémisien ist nicht ganz so friedlich, wie es auf den ersten Blick scheint. Kannst du reiten?“
„Ich habe vor zwei Jahren auf einem Jahrmarkt mal ein Pony geritten. Zwei oder drei Runden. Das hat tierisch Spaß gemacht und….“
„Um Himmels willen, ich meine nicht mit dem Zirkuspferdchen an der Leine im Kreis herumhoppeln. Ich habe gefragt, ob du reiten kannst, ein richtiges Pferd“, wurde Emelda ungeduldig.
Sie hatte gemerkt, dass Sinja nicht wirklich begriffen hatte, warum sie diese Frage gestellt bekam.
„Na gut. Es spielt eigentlich auch keine Rolle. Wenn du es nicht kannst musst du es lernen und zwar gleich. Aber jetzt bekommst du erstmal deine Klamotten.“
Sie griff in einen Lederbeutel, den sie von ihrem kleinen Ausflug mitgebracht hatte und zog ein verschnürtes Bündel daraus hervor. Das warf sie Sinja zu, die es, zu ihrer eigenen Überraschung sicher mit einer Hand aus der Luft fing. Sie schnürte das Päckchen auf und zum Vorschein kam eine hellbraune Stretchhose, ein beigebraun geflecktes Lederhemd, rotbraune Sportschuhe und eine Art Basecap, allerdings ohne Schild ebenfalls in hellem Braun.
„Iiiiihhhhh! Das soll ich anziehen?“, fragte Sinja und verzog das Gesicht.
„Das ziehst du an!“, antwortete Emelda völlig ungerührt.
„Das ist der totale Styleshocker!“, rief Sinja angewidert und hielt das Lederhemd mit ausgestrecktem Arm vor sich.
„Meine Liebe, das ist die Art von Kleidung, die du hier am besten trägst.
Es ist die Kleidung der Waldläufer, wie ich schon sagte. Du kannst dich darin gut bewegen und auch mal eine Dunkelzeit darin schlafen. Sie wird dich wärmen, dich schützen und sie wird dafür sorgen, dass du in den Wäldern nicht gleich von jedem entdeckt wirst. Du solltest das jetzt anziehen, damit wir vorwärtskommen.“
Emeldas Ansprache und der Blick, den sie Sinja dabei zuwarf, waren klar und mehr als deutlich. Sinja wagte nicht, noch irgendetwas zum Thema Kleidung zu sagen.
„Oh Mann“, knurrte sie nur noch in sich hinein und machte sich an die Arbeit.
Alle Kleidungsstücke waren passend in ihrer Größe vorhanden und ließen sich erstaunlicherweise wirklich einfach anziehen. Sinja war überrascht, wie leicht das ging.
„Na, zum Glück sehen mich meine Freundinnen nicht“, nuschelte sie, „aber bequem ist das Zeug ja schon. Das muss ich zugeben.“
„Nichts Anderes soll es sein“, antwortete Emelda, „außer vielleicht noch ein wenig Tarnung.“
„Wie kriegt ihr Elfen eigentlich eure Flügel da durch“, wollte Sinja noch wissen und zeigte dabei auf Emeldas Lederkleid.
Sinja hatte selbst schon einige Entwürfe für Kleider, Röcke und Shirts gemacht und interessierte sich daher für Modefragen.
„Das ist ziemlich einfach“, antwortete Emelda, „hier an den Rückenteilen sind Öffnungen vorgesehen. Das Rücken- und das Vorderteil sind mit Knöpfen oder Druckknöpfen verbunden, sodass du, wenn du die Knöpfe öffnest, praktisch das ganze Rückenteil abnehmen kannst. Du siehst die Knöpfe nicht, weil sie unter einem Überwurf versteckt sind. Siehst du, hier dieses Ding“, erklärte Emelda und hob gleichzeitig mit der rechten Hand das Lederstück an, unter dem die Knöpfe versteckt waren.
„Mit den Flügeln ist das dann kein Problem mehr“, sagte sie und schlug zum Beweis zweimal mit ihren Notenfähnchen.
In diesem Moment kamen die beiden anderen um die Ecke.
„Feeertig!“, sang Amandra.
„Wir sehen, die junge Dame ist auch soweit“, fügte Gamanziel fröhlich hinzu.
„Dann fehlen ja nur noch die Transportmittel“, sprach sie und flitzte noch einmal hinter den Felsvorsprung.
Sekunden später nahm Sinja einen Schimmer wahr, zunächst als ganz feinen Staub in der Luft, dann als Nebel und schließlich begann es dort, wo Gamanziel verschwunden war, silbern zu leuchten, als hätte jemand eine Schatztruhe geöffnet oder ein Licht angezündet. Was dann um die Ecke kam, das raubte Sinja für einen kurzen Moment den Atem.
Vor ihr stand der schönste Hengst, den sie jemals gesehen hatte, schaute ihr selbstbewusst in die Augen, blähte die Nüstern und schnaubte wie ein Wüstensturm. Er war schneeweiß von der Mähne bis zum Schweif, hatte stahlbaue leuchtende Augen und lange, schwarze Wimpern. Unter der Haut seiner Hinterbeine sah man Muskeln spielen, die erahnen ließen, welche Kraft dieses Pferd hatte. Aus seinen Schultern wuchsen zudem zwei kurze, weiße Flügel.
„Ich sehe, du bist beeindruckt“, stellte Gamanziel nüchtern fest.
„Das ist berechtigt. `Allegro´ ist das beste Pferdchen, das wir in der Kürze der Zeit für dich auftreiben konnten. Ich denke, ihr werdet euren Spaß miteinander haben.“
`Allegro´ schaute Gamanziel aus den Augenwinkeln an und drehte seinen Kopf beleidigt zur Seite. Offensichtlich war er mit der Bezeichnung `bestes Pferdchen´ keineswegs einverstanden. `Allegro´ war nämlich überzeugt davon, dass auch mit noch so viel Zeit und Suche nichts Besseres aufzutreiben gewesen wäre. Ohne falsche Bescheidenheit hielt er sich für das beste, schönste und schnellste Pferd, das jemals eine Stute zur Welt gebracht hatte.
„Dann ist es jetzt wohl an der Zeit, dass wir zwei uns näher kennen lernen“, stellte Sinja fest und ging vorsichtig auf `Allegro´ zu.
Der Schimmel nickte, beugte sein rechtes Vorderbein und setzte das Knie direkt vor Sinja auf den Boden, nahm einen seiner Flügel und hob sie mit einer fließenden Bewegung sanft und schnell auf seinen Rücken.
„Uiiii, das ging ja flott“, dachte Sinja noch, da hatte `Allegro´ schon die Flügel ausgebreitet, wieherte einmal laut, schnaubte, wieherte ein zweites Mal.
Dann schoss er mit Sinja auf dem Rücken den Hügel hinunter ins Tal.
Nach wenigen Sekunden waren die zwei außer Sichtweite der Elfen.
„Ich kenne ihn jetzt schon so lange, aber ich staune immer wieder über ihn“, stellte Emelda