Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc
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Hans, der, ohne selbst musikalisch zu sein, ein feines Gefühl für Musik hatte und falsche Töne schaudernd empfand, blickt resigniert nach dem Podium hin. Adelka legte die Geige ans Kinn – und ein feiner, reiner Ton klang zu ihm hin, die Geige sang eine einfache süße Melodie. Und das Kindergesicht, das sich darüber neigte, veränderte sich, ein verklärter Ernst lag darauf, keine Spur mehr von verlegenem Lächeln und kinderhaften Unruhe, die junge Seele der Spielenden schien auf den Flügeln der Musik dem engen, von Menschen erfüllten Zimmer entrückt. „Auch so eine Bleische Wunderlichkeit, ein Mädchen Geige spielen zu lassen, so unschön!“ flüsterte Frau Marker Hans zu.
Er erwiderte nichts, er war ganz Ohr, und als Adelka geendet hatte, ging er auf sie zu und sagte herzlich:
„Das war schön, gnädiges Fräulein, ich danke Ihnen!“ Sie sah ihm voll ins Gesicht.
„Ja, die Musik ist schön“, sagte sie, „ich habe manchmal gedacht, dass ich Ihnen vorspielen möchte, wenn sie so traurig waren.“ In der Erregung durch das Spiel ging zum ersten Mal aus sich heraus ihm gegenüber.
Er sah sie erstaunt an.
„Woher wussten Sie denn, dass ich oft traurig bin?“ Da wurde sie wieder befangen.
„Ich dachte es nur so“, stieß sie in ihrer gewohnten halb trotzige Art hervor. Die Markers drängten heran. Die Unterhaltung wurde allgemein.
Da wurde die Tür des Zimmers ziemlich unsanft geöffnet.
„So, es ist ja gerade Zeit für Musik und solchen Klimbim“, rief Marker, seinen verbogenen Jagdhut auf den Tisch werfend, „in der Piekarhütte ist der Streik ausgebrochen.“
Frau Marker schlug die Augen gen Himmel, die jungen Herren drängten sich um Marker, um näheres zu erfahren, und die jungen Mädchen standen verschüchtert in einer Ecke.
„Es hat schon lange gegärt unter den Arbeitern“, sagte Marker, „ich habe es dem Generaldirektor vor vierzehn Tagen gesagt, aber er meinte, bei uns wären die Leute zu gut gestellt. Nun haben wir die Bescherung, das Maschinenhaus haben sie gestürmt, einen Aufseher gemisshandelt – die Berichte lauten ganz schrecklich.“
Die Klingel des Telefons rief Herrn Marker in sein Arbeitszimmer. Gleich darauf erschien er wieder.
„Der Generaldirektor wünscht Sie zu sprechen, Herr von Walsberg“, sagte er.
Hans verabschiedete sich eilig und ging zu seinem Chef. Er wurde sofort zu ihm geführt.
„wollen sie mit mir nach Piekarhütte?“ fragte der Generaldirektor, als Hans eintrat.
„Selbstverständlich, wenn Sie gestatten.“
„Machen Sie sich fertig, in zehn Minuten fahre ich.“
Als Hans das Zimmer verließ, kam Adelka atemlos den Gang heraufgelaufen.
„Papa fährt hin?“ fragte sie.
„Ja, und ich soll ihn begleiten“, erwiderte Hans mit dem gehobenen Gefühl, dass ihm eine große Auszeichnung widerfuhr.
Adelka schossen die Tränen aus den Augen, sie lief an ihm vorbei ins Zimmer ihres Vaters.
Als Hans reisefertig in das Direktorhaus zurückkehrte, traf er Adelka wieder, die in der Nähe der Haustür gewartet zu haben schien. Sie sah verweint aus, und als sie Hans erblickte, lief sie auf ihn zu und drückte ihm einen harten Gegenstand in die Hand, in dem Hans erstaunt einen Revolver erkannte.
„Nehmen Sie, Sie müssen das nehmen“, flüsterte sie, „geladen ist er auch schon, und hier sind noch Patronen.“
„Aber Fräulein Adelka, Ihr Herr Vater hat mit nicht gesagt, dass – –“
„Ach Papa, der nimmt nichts mit, das ist’s ja eben, aber vor dem haben die Leute Respekt. Die aber kenne sie nicht, Sie müssen eine Waffe haben, ich ängstige mich tot um Sie, Sie – ach Sie –“ Sie brach in Tränen aus, und ebenso schnell, wie sie in seinen Weg getreten war, lief sie nun davon. Hans hielt den Revolver in einer Hand, in der anderen die Patronen. Von der Rampe her klag das Rollen des vorfahrenden Wagens. Hans fand sich selbst lächerlich, aber – er steckt die Waffe ein mit der Empfindung, wie er etwa eine Tose eingesteckt haben würde, die Adelka ihm unvermuteter Weise gegeben hätte. Und wie eine süße Musik klang es ihm in den Ohren:
„Ich ängstige mich tot um Sie.“
Sie war doch kein Kind mehr!
„Los!“ sagte der Generaldirektor, als Hans neben ihm saß. Der Wagen rollte davon.
„Was haben sie denn da in der Seitentasche?“ fragte der Generaldirektor, Han musternd.
Hans zog die Waffe hervor.
„Nur für alle Fälle“, sagte er – er wollte Adelka nicht verraten.
„Verstecken Sie das Ding besser“, rief der Generaldirektor, „es würde nur böses Blut machen, wenn man ’s sähe, und unnütz ist’s außerdem. Zum Schutze habe ich Sie mir nicht mitgenommen, sehen Sie.“
„Ich bin jedenfalls sehr glücklich, mitfahren zu dürfen“, sagte Hans. Der Generaldirektor nickte.
„Ja, es steckt bei Ihnen noch irgendwas im Blute, was heraus will. Sie träumen zu viel, weil Sie noch zu wenig erlebt haben. Und deshalb nehme ich Sie heute mit. Erstens wollt ich unterwegs mit Ihnen sprechen, und dann ist es gerade für Sie gut, wenn Sie mal so einen vollen Blick ins Leben tun.“
„Ich glaube, daran würden in diesem Augenblicke wenige an Ihrer Stelle denken, Herr Generaldirektor.“
„Ach, der Streik sollte alle meine Gedanken in Anspruch nehmen. Sie meinen, ich sollte mich über die Undankbarkeit der Leute als Zeichen der Zeit ereifern – aber das liegt mir nicht. Es ging den Leuten in Piekarhütte gut. Der Streik ist unnatürlich und auf Verhetzung zurückzuführen. Ich denke, wir werden dort bald Ordnung schaffen, denn ich kenne die Leute persönlich zu gut, und sie kennen mich.“
„Aber der Schaden, der schon angerichtet wurde, soll doch sehr erheblich sein.“
„Erstens wird das immer durch mündliche Überlieferung übertrieben, und dann bei einem so großen Betriebe wie der unsere muss man auf ein paar Störungen auch immer gefasst sein. Das gleicht sich später wieder aus. Aber, um noch einmal auf Sie selbst zurückzukommen – wissen Sie, wenn Sie mein Sohn oder Mündel wären, ich glaube, ich schickt Sie erst einmal auf Reisen, und nachher verlangte ich von Ihnen eine ernste Arbeit.“
„Ich bewundere Ihren Scharfblick, Herr Generaldirektor, gerade in letzter Zeit ist meine Sehnsucht, einmal herauszukommen und von Leben und Menschen etwas zu sehen, sehr groß gewesen. Ich habe an Herrn von Wolffen deswegen geschrieben,