Zerrissen. Andreas Osinski

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Zerrissen - Andreas Osinski

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in ihrer Hand und legte es dann auf den ausladenden Kaminsims. „Und noch etwas: Ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich die Gewißheit hätte, daß Sie heute Nacht nicht allein sind. Haben Sie jemanden, der sich um Sie kümmern kann?“ fuhr ich fort.„Vielleicht Ihre Freundin Ellen?“ „Nein!“ antwortete Lisa Warbs mit einer abwehrenden Handbewegung. „Ich glaube, ich kann jetzt niemanden ertragen. Ich verspreche Ihnen, daß ich versuchen werde, zu schlafen. Ich werde gleich nur noch kurz meine Tochter Claudia anrufen.“ „Die junge Dame auf dem Foto hier?“ fragte ich sie ein wenig neugierig, während ich mit dem Zeigefinger meiner rechten auf das Portrait in der Mitte des Kaminsimses deutete. „Ja. Sie lebt in München. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Aber wir telefonieren recht häufig.“ Ich nickte zustimmend. Also hatte ich nicht ganz unrecht mit meiner Vermutung. Es war zwar kein Jugendfoto von Lisa Warbs, aber es war ein Foto ihrer Tochter. Immerhin. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Und mein detektivischer Spürsinn hatte mich wieder einmal nicht im Stich gelassen. Beinahe. Auf jeden Fall war Claudia Warbs nicht weniger elegant als ihre Mutter! Ich machte auf dem Absatz kehrt, ging dann mit wenigen Schritten in Richtung Zimmertür und trat schließlich in den noch immer hellerleuchteten Flur. Lisa Warbs folgte mir. Diesmal machte ich nicht den Fehler, an die Zimmerdecke zu schauen.Denn einen Fehler zu machen, war nicht weiter schlimm. Das war einfach nur menschlich. Denselben Fehler allerdings zweimal zu machen, war einfach nur noch töricht. Insbesondere in meinem Gewerbe! Ich zog die schwere Eingangstür nach innen, blieb dann stehen und reichte Lisa Warbs zum Abschied die Hand. „Wenn es Ihnen recht ist, werde ich morgen früh gegen zehn zu Ihnen kommen. Wir werden dann alles weitere besprechen. Einverstanden?“ „Heißt das, daß Sie den Auftrag übernehmen?“ fragte sie ein wenig unsicher. „Ja!“ antwortete ich kurz und trat nach draußen. „Aber Sie müssen mir noch eines verraten: Wieso ich? Wie Sie gerade auf mich gekommen?“ „Sie sind uns empfohlen worden. Von einem guten Freund meines Mannes. Johannes Kerlin.“ antwortete Lisa Warbs. „Wir kennen diese unendliche Geschichte mit Sarah und Thomas.“ „Aha!“ entfuhr es mir mit einem erstaunten Unterton in der Stimme. „Herr Kerlin hat sich sehr lobenswert über Ihre Arbeit geäußert. Sie würden einen -wie heißt es in ihrem Detektivjargon wohl- „guten Job“ machen!“ „Das hört man gern!“ antwortete ich ziemlich geschmeichelt. „Gute Nacht und versuchen Sie jetzt zu schlafen.“ „Gute Nacht!“ entgegnete Lisa Warbs leise und drückte die Eingangstür mit einem schnappenden Geräusch ins Schloß. Ich klemmte mich hinter das Lenkrad meines Wagens und griff zum Hörer des Autotelefons. Nacheinander tippte ich die Nummern der Notaufnahmen unserer Stadt in das grünschimmernde Display. Und bereits nach wenigen Sekunden hatte ich die gewünschten Informationen. Es gab keinen Patienten mit dem Namen Klaus-Dieter Warbs. Und es war im Laufe des Tages niemand eingeliefert worden, auf den die von mir durchgegebene Kurzbeschreibung auch nur annährend paßte. Dann wählte ich die Nummer der hiesigen Taxizentrale und lehnte mich bequem in meinem Sitz zurück. Es dauerte nicht lange, bis ich die verraucht klingende Stimme meiner alten Freundin Liz vernahm. Eine Stimme, die immer irgendwie heiser klang. Und zwar auch dann, wenn meiner alte Freundin gerade mal nicht erkältet war! Unmengen von Alkohol, mindestens zwei Päckchen filterlose Zigaretten pro Tag und sieben Nachschichten die Woche waren d i e todsichere Methode, eine angenehm und lieblich klingende Altstimme binnen kürzester Zeit zu etwas mutieren zu lassen, was vom Klang eher Ähnlichkeit mit dem schlechtgeölten Vorderrad eines Kinderwagens hatte.In aller Kürze trug ich Liz mein Anliegen vor und sie versprach mir hoch und heilig, mich schnellstmöglich zurückzurufen. Liz war -wie ich- Anfang vierzig, eingefleischte Singlefrau und recht erfolgreiche Mittelfeldspielerin des örtlichen Handballvereins. Kreisliga! Sie hatte ein Kreuz wie eine dieser mit Anabolika abgefüllten chinesischen Kampfschwimmerinnen und Oberame, die vom Umfang her gesehen eher an Oberschenkel erinnerten. Liz feierte viel und gern, was ihr in Fachkreisen den Spitznamen „Partylizzard“ eingebracht hatte. Meine alte Taxifreundin und ich waren gemeinsam zur Grundschule gegangen und ich hatte mich ungefähr in der dritten Klasse unsterblich in sie verliebt. Sie hatte meine Liebe jedoch nicht erwidert und war mit einem anderen Burschen losgezogen. Ein rothaariger und schwer lungengeschädigter Typ namens Berthold. Schmalbrüstig, immer in kurzen Lederhosen gekleidet und mit Sommersprossen auf der Nase. Der blutarme Berthold hat dann später richtig Karriere gemacht. Und zwar als Trainer einer recht erfolgreichen Mannschaft von Synchronschwimmerinnen. Bei seinem damaligen IQ hätte ich ihm allenfalls eine Tätigkeit als Hilfsweichensteller bei der Bahn zugetraut. Aber so konnte man sich täuschen. Ich hatte diesen ersten heftigen Schlag des Schicksals in meinen noch jungen Leben einigermaßen locker weggesteckt und nach eingehender Rücksprache mit meinem Vater den Entschluß gefaßt, mit den Mädchengeschichten besser ein wenig zu warten und stattdessen lieber noch ein paar Jahre Fußball zu spielen. Jedenfalls konnte ich mich noch gut an die kleine und zierliche Liz erinnern. Liz mit der piepsigen Stimme. Meine alte Freundin hatte vor wenigen Jahren eine eigene Taxizentrale gegründet und war daher unsere Verbindungsfrau in Sachen „Transportwesen“. Will sagen: Sie war immer dann gefragt, wenn Marc und ich Informationen benötigten, die in irgendeiner Form mit dem Bereich „Taxi“ zu tun hatten. Und als Ausgleich für ihre Dienste lud ich sie regelmäßig zum Essen ein, was sich aufgrund ihrer ständigen Nachtschicht allerdings als so gut wie unmöglich herausgestellt hatte. Also trafen wir uns einfach zum Frühstück. Mit einer langsamen Bewegung kurbelte ich die Seitenscheibe meines Wagens herunter und kramte mit der freien Hand nach meinen Benson & Hedges. Und gerade als ich im Begriff war, eine der beiden letzten Zigaretten aus der Schachtel zu schütteln, klingelte das Autotelefon. Ich nahm den Hörer aus der Halterung und meldete mich formvollendet mit einem kurzen und schlichten „Ja“. „Hallo ich bin es, Liz!“ dröhnte es mir rauh vom anderen Ende der Leitung entgegen. „Schieß los, was hast Du herausbekommen?“„Auf den Namen Warbs ist heute den ganzen Tag kein Taxi bestellt worden.“ antwortete sie.„Und in die Straße, die du mir vorhin genannt hast, da war eine Fuhre. Aber erst heute Mittag. Ich hab gerade mit dem Fahrer gesprochen. Er sitzt hier bei mir und trinkt sein Feierabendbier.“ „Habe ich jetzt Grund, eifersüchtig zu werden?“ Liz lachte laut auf. Es klang in meinen Ohren, als ob jemand einen schweren Aluminiumblock mit einer groben Feile bearbeiten würde. „Keine Sorge! Der Fahrer könnte mein Vater sein!“ antwortete sie. „Aber ältere Männer haben es doch bekanntlich faustdick hinter den Ohren, oder?“ „Ja, aber es nützt mir doch gar nichts, wenn sie es nur d a faustdick haben!“ stellte Liz kichernd fest, wobei ihr Lachen bereits nach einer einzigen Sekunde in einen heftigen Hustenanfall überging. Was für eine Marke, die gute Liz, ging es mir durch den Kopf. Äußerst grandlinig, erfrischend ordinär und eine Seele von Mensch! „Nein! Spaß beiseite. Die Beschreibung paßt auch nicht.“ fügte Liz hinzu, nachdem sich ihren Lungen wieder einigermaßen beruhigt hatten. „Was war es denn für ein Fahrgast?“ „Eine ältere Dame mit Zwergpudel!“ antwortete Liz. „Dann laß mich mal raten, wo dein väterlicher Freund sie hingefahren hat. Ich tippe auf Bingo oder Tierarzt.“ „Tierarzt.“ antwortete Liz knapp. „Okay, ich muß Schluß machen. Ich bin ein wenig in Eile! Ich schulde dir ein Essen!“ „Was hältst Du eigentlich von Sushi?“ fragte Liz neugierig und ohne zu Ahnen, was allein schon dieses Wort bei mir bewirkte. Denn da war es plötzlich wieder, diese brodelnde Gefühl unterhalb der Magengegend! Ich schluckte ein paar Mal heftig, bedankte mich brav bei meiner alten Freundin und versprach ihr bei der Ehre meiner Ex-Frau, sie am Wochenende anzurufen. Nachdem ich den Hörer des Telefons wieder auf seinen angestammten Platz an der Mittelkonsole verbannt hatte, wandte mich mich kurz zur Seite und blickte hinüber zu dem Haus mit der Nummer acht. Die Innenbeleuchtung war mittlerweile erloschen und ich hatte die Hoffnung, daß Lisa Warbs meinem gutgemeinten Ratschlag gefolgt war. Sie hatte übermüdet und ziemlich fertig auf mich gewirkt. Verständlich, denn so eine Sache zehrte wirklich an den Nerven und verbrauchte auch noch die allerletzten Energiereserven. Ich entschloß mich, Lisa Warbs heute Abend nicht mehr zu belästigen. Vielleicht war sie schon eingeschlafen und ich würde sie mit meinem Anruf wieder aus dem Schlaf reißen. Zwar konnten wir nun einige Punkte von der Liste streichen, aber sehr viel weiter gekommen waren wir nicht. Wir mußten abwarten. Einfach warten, bis sich die Entführer meldeten. Wenn es denn überhaupt eine Entführung war! Ich schloß das Seitenfenster meines Wagens, startete den Motor und fuhr so schnell es ging und es die Straßenverkehrsordnung gerade eben noch zuließ zu Susann. Mein Magen hatte sich wieder ein wenig beruhigt und ich verspürte nur noch ein leichtes Sodbrennen im Hals. Es waren kaum noch Autos unterwegs und mein Mercedes flog förmlich durch die Straßen.

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