Der Seelendieb. Annette Philipp-Scherer
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Читать онлайн книгу Der Seelendieb - Annette Philipp-Scherer страница 3
»Meines Kindes?«, fragte sie tonlos in die Dunkelheit. »Aber ich bin doch gar nicht schwanger«, flüsterte sie. Sanft klang seine Stimme, als er wieder sprach. »Doch, du bist schwanger, du weißt es nur noch nicht. Du musst zurück nach Tibet kommen«, sagte er mit Nachdruck, »ich habe dort für dich wichtige Aufzeichnungen gemacht. Ich habe sie so versteckt, dass nur du sie finden wirst. Komm nach Hause, Tochter, wir brauchen deine Hilfe.« Sie hatte das Gefühl, als würde ihr eine Hand liebevoll über die Wange streichen. Dann fühlte sie einen heftigen Ruck. Sie hörte Marcs sorgenvolle Stimme ihren Namen rufen. Zaghaft öffnete sie ihre Augen, Marc kniete vor ihr, sein Gesicht spiegelte Angst und Verzweiflung. »Großer Gott, Daphne«, rief er, »was ist denn mit dir geschehen?« Sie kam gar nicht dazu, irgendetwas zu sagen, in seiner Aufregung redete er immer weiter. »Ich komme zur Tür herein und finde dich ohnmächtig auf dem Boden. Kann ich etwas für dich tun? Soll ich dich in ein Krankenhaus fahren?« Sie richtete sich halb auf, ihr war immer noch ziemlich elend. »Nein, es geht mir schon besser«, würgte sie hervor, offenbar war sie vom Sofa auf den Boden gerutscht. Er half ihr auf die Beine und setzte sie wieder auf das Sofa zurück. »Ich hole dir erst einmal ein Glas Wasser«, stellte er fest. Als er weg war, legte sie verstohlen ihre Hand auf ihren Bauch. Sollte sie ihm sagen, dass sie ein Kind erwartete? Aber wenn sie das tat, würde er sie mit Sicherheit nicht nach Tibet fliegen lassen. Er würde sie gar nichts mehr machen lassen. Sie entschied, ihm erst einmal nichts von der Schwangerschaft zu erzählen. Marc brachte ihr das Glas Wasser und setzte sich neben sie. Erleichtert trank sie ein paar Schlucke und lehnte sich dann an ihn. Er legte wortlos von hinten seine Arme um sie und wartete, dass sie ihm erzählte, was vorgefallen war. Sie holte tief Luft und sagte dann, »Mein geliebter Lehrer und Freund Tse Wang ist gestorben, doch bevor er diese Welt ganz verlässt, bittet er mich, den Dolch nach Tibet zurückzubringen.« Sie spürte, wie Marc nickte und fuhr fort, »Das Problem ist nur, dass die Chinesen nach dem Dolch suchen werden und wir in Gefahr sein könnten.« Ungläubig fragte er, »Das alles hast du eben mal so während deiner Ohnmacht erfahren?« Sie nickte nur. Für einen kurzen Moment schwieg er. »Ich denke, du bist wirklich in Gefahr«, stellte er fest. »Ich werde gleich bei der Fluggesellschaft anrufen und uns für einen Flug nach Tibet registrieren lassen. Ich hoffe, wir müssen nicht so lange warten, bis sie eine Maschine vollhaben. Hast du eine Ahnung, wie schnell die Chinesen herausbekommen werden, wer und wo du bist?«, fragte Marc. Daphne zuckte mit den Schultern, dann lächelte sie und meinte, »Denk daran, sie suchen Daphne Murano und die liegt mit einem Schlaganfall im Altenheim im Bett. Selbst wenn die Chinesen sie finden, kann sie ihnen nichts sagen.« Für einen kurzen Augenblick hatte sie ein schlechtes Gewissen. In ihrem alten Köper war die Seele von Pia Richter gefangen und litt. »Es dürfte so gut wie unmöglich sein, eine Verbindung zu mir herzustellen«, sagte sie traurig. Marc hatte schon das Head-set auf dem Kopf und ließ sich verbinden. Mitten im Raum erschien die Holographie des Flughafenschalters. Eine junge Frau in dunkelblauem Kostüm erschien und sagte freundlich, »Willkommen bei Jump in the Sky. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich hätte gerne zwei Flüge nach Tibet gebucht«, sagte Marc. Die junge Frau tippte etwas in ihren PC, dann drehte sie ihn so, dass beide den Bildschirm sehen konnten. »Ich brauche Ihre Namen«, sagte sie wieder freundlich.
»Marc Rusher und Pia Rusher«, antwortete Marc.
»Bitte scannen Sie Ihre Bankdaten ein«, forderte die junge Frau ihn auf. Marc scannte seinen Oberarm und wie gewohnt gab der implantierte Chip die Daten frei.
»Zahlen Sie für beide?«, fragte die Frau am Schalter weiter.
»Ja«, erwiderte Marc.
»Ich schätze, dass die Maschine in drei Wochen nach Tibet fliegen wird, ganz genau kann ich das natürlich nie sagen. Sie bekommen zwei Tage vor Abflug von uns Bescheid.« Dann lächelte sie professionell. »Vielen Dank, dass Sie bei Jump in the Sky gebucht haben.«
Als nächstes rief er seine Dienststelle an, wieder erschien ein Bild mitten im Raum. Betty, Marcs Vorgesetzte, saß am Schreibtisch. »Oh, hallo Marc«, sagte sie erfreut, dann drehte sie den Kopf. »Hallo Pia, wie schön, dich zu sehen«, sagte Betty mit etwas kühler Stimme. »Diese dunkelblauen Kontaktlinsen stehen dir gut.« Daphne verkniff sich eine Antwort; zum Glück sprach Marc gleich wieder. »Betty, ich brauche in etwa drei Wochen Urlaub.«
Betty runzelte die Stirn. »Für wie lange denn?«, fragte sie. Marc zögerte einen kurzen Augenblick und meinte dann, »Vierzehn Tage werden reichen, denke ich.«
»Ich schau mal nach. Wenn du morgen zum Dienst kommst, reden wir darüber«, sagte Betty. Auch Daphne musterte Betty heimlich. Sie trug ihre braunen Locken kurzgeschnitten, was ihr hübsches Gesicht gut zur Geltung brachte. Betty war groß, um einiges größer als sie und schmal, ja fast dünn. Auch wusste sie, dass Marc und Betty einmal ein Paar gewesen waren, und dass er sie wegen ihr verlassen hatte. Na ja, verlassen war nicht das richtige Wort; Betty hatte ihn freigegeben. Während Daphne ihren Gedanken nachhing, hatte Marc alles mit Betty geklärt und war dabei, das Gespräch zu beenden. Betty blickte noch einmal zu Pia, nickte ihr kurz zu und das Bild erlosch. »Sie mag mich immer noch nicht«, stellte Daphne fest.
»Du meinst, sie mag Pia nicht«, berichtigte Marc sie. »Betty weiß nur, was in den Polizeiakten über Pia steht, mach ihr keinen Vorwurf«, sagte er tröstend. Daphne schwieg, ihre Gedanken wanderten wieder nach Tibet. Vor etwas mehr als sechzig Jahren lebte und liebte sie dort. Ihre Mitschülerin und kleine Schwester Tashi hatte ihr in Briefen mitgeteilt, dass auch das Kloster mittlerweile überdacht war. Dann hatte Tashi weniger und weniger geschrieben, bis ihre Briefe schließlich ganz ausblieben. Aber Daphne konnte fühlen, dass sie noch am Leben war. Daphne fragte sich, wo Tse Wang das Geld für die Überdachung des Klosters herhatte. Sie kannte Tse Wang gut genug, um zu ahnen, dass er wohl die Geldspenden