Der Seelendieb. Annette Philipp-Scherer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Seelendieb - Annette Philipp-Scherer страница 4
Die nächsten Tage verbrachte Daphne zu Hause, sie arbeitete wie besessen an ihrem Projekt.
Doch immer wieder glitten ihre Gedanken ab, wanderten zurück in der Zeit, nach Tibet. Wie sollte sie verhindern, dass Marc herausfand, dass er die Reinkarnation Jimpas war? Wäre es nicht besser, dass sie ihn darauf vorbereitete? Eines war klar, es würde sich nicht verhindern lassen, dass er es herausfand. Sobald er das Kloster Sakja betrat, würde sich sein altes Wissen erheben. Die Frage war nur, wieviel würde er noch wissen, und wie würde er reagieren? Sie entschloss sich dazu, ihm die Wahrheit zu sagen, aber sie wollte auf einen günstigen Zeitpunkt warten.
An manchen Abenden gingen sie engumschlungen noch etwas spazieren, hier und da blieben sie stehen, um sich die Hologramm-Auslagen der Geschäfte anzusehen. Sie bemerkten beide nicht, dass sie dabei schon von dunklen, geschlitzten Augen beobachtet wurden. Der Verfolger hielt sich immer im Schatten, doch er sog alles, was er sah, in sich auf. Die außergewöhnliche Schönheit Daphnes berührte ihn tief, doch gleichzeitig hasste er sie. Nie würde eine Frau wie sie auch nur einen Blick an ihn verschwenden. Dieser Marc war ein ernstzunehmender Gegner, sein Körper war gut durchtrainiert, und auch er war ein überdurchschnittlich gutaussehender Mann. Sein Hass auf die beiden steigerte sich ins Unermessliche. Dann lächelte er hinterhältig, in seinem Kopf entstand ein böser Plan.
Wenn Marc abends nach Hause kam, brachte er immer etwas zu essen mit und erzählte, wie sein Tag so gewesen war. Betty hatte, nach einigem hin und her, seinen Urlaub genehmigt, auf keinen Fall hätte er Daphne allein nach Tibet fliegen lassen. Am Ende der Woche kam Marc schon gegen Mittag nach Hause, und als er die Tür öffnete, hob sie erstaunt den Kopf und fragte: »Was machst du denn schon hier«? Aber als sie ihn ansah, merkte sie gleich, dass etwas nicht stimmte, er wirkte nervös und angespannt. »Das Altenheim hat mich heute angerufen«, meinte er. »Daphne, also dein Körper, hatte heute Besuch von drei Chinesen und einem tibetischen Mönch. Einer hat die Schwestern ausgefragt, nachdem sie festgestellt haben, dass die alte Dame im Koma liegt. Der Kerl hat nicht lockergelassen, so dass sie ihm schließlich gesagt hatte, er solle doch mit seinen Fragen Daphnes Enkelsohn aufsuchen. Er hat sich meinen Namen geben lassen und meine Rufnummer. Kannst du dich an Schwester Anni erinnern?«, fragte er. Daphne konnte nur nicken, ihr Mund fühlte sich plötzlich sehr trocken an. »Ihr hat die ganze Geschichte keine Ruhe gelassen«, erzählte Marc weiter, »sie hat mich angerufen. Sie sagt, der eine sei ein ziemlich schmieriger Kerl, der alles ganz genau wissen wollte. Leider konnte sie meinen Namen nicht aus der Geschichte herauslassen.« Daphne war blass geworden. Marc hatte in der Zeit seine Uniform gegen bequeme Freizeitkleidung getauscht. Achtlos legte er seinen Pistolengurt, in der seine Waffe steckte, auf einen kleinen Schrank. Er würde ihn später wegschließen. Beruhigend streichelte er Daphnes Gesicht. »Hör zu, meine Liebste«, sagte er, »ich denke es ist besser, du gibst mir deinen Dolch. Ich werde ihn fortbringen, nur zur Sicherheit. An dem Tag, an dem wir nach Tibet abreisen, werde ich ihn wieder holen, versprochen.« Er lächelte tröstend. »Ich werde dir nicht sagen, wo ich ihn verstecken werde, und ich bitte dich, es auch nicht mit deinen wunderschönen blauen Augen in meinem Kopf zu lesen.« Wieder konnte sie nur nicken, ihr gefiel der Gedanke, sich von ihrem Dolch zu trennen, ganz und gar nicht. Doch so sehr sie auch überlegte, ihr fiel keine andere Lösung ein. Ohne die Kette zu öffnen, zog sie den kleinen Dolch einfach mit der Kette über den Kopf, und schweren Herzens übergab sie ihn an Marc. Der eilte davon und kam mit einem alten Holzkästchen zurück, in den er, fast liebevoll, den Dolch legte. Daphne hob erstaunt die Brauen. »Ist das Kästchen aus echtem Holz?«, fragte sie. Marc lächelte. »Ja, das ist es«, erwiderte er. »Ich habe es von meinen Eltern, und die haben es von ihren, es wird schon eine Weile von Generation zu Generation weitergegeben.« Dann klappte er den Deckel zu, klemmte sich die Holzschachtel unter den Arm und war schon auf dem Weg zur Tür, als er noch einmal stehenblieb. Eindringlich sagte er zu Daphne: »Du öffnest auf keinen Fall die Tür, während ich nicht da bin, egal, wer auch davorstehen sollte. Packe in der Zeit ein paar Sachen für uns beide zusammen, wir werden für eine kurze Weile untertauchen.« Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und verschwand. Erst als er auf der Straße stand, überlegte er, wo er die Schachtel hinbringen könnte. Ein Schließfach? Nein, er hatte Angst, dass es aufgebrochen werden könnte. Betty fiel ihm ein, dort wäre der Dolch in Sicherheit. Als er noch einmal zu seiner Arbeit zurückkam, schaute Betty ihn skeptisch und überrascht an. »Na, kommst du doch heute wieder arbeiten?«, fragte sie Marc. »Nein, Betty, ich möchte dir nur etwas geben und dich bitten, ein paar Tage darauf aufzupassen.« Er stellte ihr die Holzschachtel auf den Tisch. Betty hob überrascht die Augenbrauen. »Da ist aber nichts Illegales drin?«, fragte sie. Marc lächelte. »Keine Angst, es hat alles seine Ordnung. Würdest du die Schachtel mit nach Hause nehmen?«, bat er sie noch. »Wir sehen uns dann morgen.« Er hatte keine Ruhe, seine Gedanken waren bei Daphne.
Als Marc gegangen war, verspürte Daphne doch plötzlich Angst. Ein Gefühl sagte ihr, dass irgendetwas nicht stimmte. Trotzdem nahm sie sich die Zeit, den Körper der kleinen Ratte an Mutter Erde zu übergeben. Danach packte sie für sich und Marc ein paar Kleider zusammen, als es an der Haustür klingelte. Sie stand wie gelähmt und starrte die Tür an. Dann wurde angeklopft und sie erkannte die Stimme ihrer Nachbarin, Frau Schruder, einer netten, älteren Dame. »Frau Rusher, sind Sie zu Hause?«, rief sie. »Bitte, ich brauche Ihre Hilfe. Ich brauche einen Arzt, ich fühl mich gar nicht gut.« Daphne konnte Angst und Verzweiflung in der Stimme hören. Sie ging zur Tür und legte ihre Hand auf ein kleines Metallquadrat, das sofort durchsichtig wurde. Vor der Tür stand tatsächlich ihre Nachbarin, sie schien ein wenig zu schwanken und war leichenblass, die Augen vor Angst geweitet. Daphne dachte nicht lange nach und öffnete die Tür, da brauchte jemand ihre Hilfe. Sie sah gerade noch, wie die alte Dame zur Seite gestoßen wurde und, wie aus dem Nichts, zwei riesige Chinesen vor ihr standen, die aussahen wie Sumo-Ringer. Noch bevor Daphne einem von ihnen in die Augen blicken konnte, traf sie ein Schlag an der Schläfe. Sie sah rote Kreise, die in ihrem Inneren zu explodieren schienen, dann sackte sie bewusstlos zusammen. Die Hünen traten einen Schritt zur Seite und machten Platz für einen kleinen Chinesen. Der Mann war sehr schmal, sein Gesicht gelblicher als normal, seine Haut sah aus wie altes Pergamentpapier. Er lächelte zufrieden und zeigte dabei eine Reihe schlechtgepflegter Zähne. »Sehr gut, Hu Lien«, flüsterte er mit einer Fistelstimme. Hu Lien war schon dabei, Daphne einen Sack über den Kopf zu stülpen. »Bring sie ins Auto und fahr sie schon mal rüber«, sagte er. »Aber achte darauf, dass dich keiner sieht. Jun Kao und ich werden warten bis ihr Mann nach Hause kommt. Vergiss nicht«, mahnte er, »auf keinen Fall darf sie dir in die Augen sehen.« Der Riese nickte ergeben, warf sich Daphne, als würde sie nichts wiegen, über die Schulter