Nr. 983. Yvonne Bauer

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Nr. 983 - Yvonne Bauer

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ihm zu helfen. Sie zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden und murmelte zum Abschied ein »Sieg heil!«

       Wie verabredet wartete Ernst bereits am Treppenabsatz des Verwaltungsgebäudes auf sie. Ohne den Pflegerkittel, adrett gekleidet mit Hut und Mantel, sah er ganz verändert aus. Er zog genüsslich an seiner Zigarette, als Luise langsam die Stufen zu ihm hinabstieg. Sie beobachtete den jungen Mann, der lässig an einer Steinsäule lehnte.

       Als zwei weitere Mädchen aus dem Schreibdienst das Gebäude verließen und kichernd versuchten, auf sich aufmerksam zu machen, drehte sich Ernst um. Er hatte jedoch nur Augen für Luise, was sie mit einer gewissen Genugtuung registrierte.

       Hastig beugte sich der junge Mann nach vorn, um seine Zigarette auf der Treppenstufe vor sich auszudrücken, steckte den übriggebliebenen Stummel zurück in ein Etui, bevor er eiligen Schrittes auf die rothaarige Schönheit zueilte. »Fräulein Luise! Ich bin so froh, dass sie es einrichten konnten. Darf ich?«

       Luise legte ihre Hand auf den angebotenen Arm. »Vielen Dank, Herr Schramm. Wohin gehen wir?«

       »Nun, meine Teure, in Anbetracht der Tatsache denke ich, dass ich ihrer Familie meine Aufwartung mache.« Ernst schmunzelte, als er den Gesichtsausdruck Luises sah.

       Es dauerte einen Moment, bis sie die Sprache wiedergefunden hatte. »Was meinen sie ... in Anbetracht welcher Tatsache?«

       »Ich gedenke, sie zu heiraten, so bald als möglich.«

       »Heiraten? ... Sind sie von allen guten Geistern verlassen? Sie kennen mich doch gar nicht!«

       »Liebes Fräulein Luise, ich weiß alles, was ich wissen muss, um mir sicher zu sein, dass ich bis über beide Ohren verliebt bin. Seit ich sie das erste Mal gesehen habe, am Morgen des zweiten Januar, als sie auf der zugefrorenen Pfütze vor der Treppe zur Apotheke geschlittert und beinahe gestürzt sind, war es um mich geschehen. Sie sind sprichwörtlich in mein Leben gestolpert und haben es auf den Kopf gestellt. Jeden Morgen nach dem Aufwachen gilt mein erster Gedanke ihnen, abends vor dem Schlafen der letzte. Wollen sie wenigstens über den Antrag nachdenken?« Mit flehendem Blick sah Ernst in unergründliche grüne Augen und verlor sich darin.

       Luise verstärkte den Griff um seinen Arm und lächelte zaghaft. »Vielleicht bringst du mich nach Hause, damit ich dir meine Mutter vorstellen kann. Vater ist an der Front. Wir warten jeden Tag auf Nachricht von ihm.«

       Ernst drehte sich zu ihr um, griff nach ihren Schultern und strahlte förmlich. »Du? ... Heißt das, du sagst ja?«

       »Ja, ... Ja!!!« Noch ehe Luise die Tragweite ihrer Worte begreifen konnte, wurde sie von starken Armen umschlungen. Sie juchzte vor Freude, als Ernst sie emporhob und sich mit ihr einmal um die eigene Achse drehte.

       »Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt!« Vorsichtig stellte er seine Braut wieder auf ihre Füße.

       »Vielleicht erzählst du mir auf dem Weg nach Hause etwas von dir? Dass du Pfleger bist, weiß ich ja bereits. Wie alt bist du? Wo wurdest du geboren? Hast du Geschwister?«

       Erneut hob Ernst den Ellenbogen, damit Luise sich unterhaken konnte. »Nun, wenn du mir sagst, wo du wohnst, beantworte ich dir auf dem Weg dorthin alle deine Fragen.«

       »In der Schaffentorstraße ...«

       »Nehmen wir die Straßenbahn?«

       »Wir können bis zum Blobach fahren und den restlichen Weg laufen.«

       »Einverstanden.« Er zog eine Uhr aus der Tasche. »Es ist gleich halb fünf. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir die nächste Bahn.«

       Gemeinsam schlenderten sie in Richtung Haltestelle, als die vollbesetzte Bahn vor ihren Augen davonfuhr.

       »Dann also die Nächste ....« Seufzend griff Luise nach ihrem Schal. Sie zog ihn sich enger um den Hals. »Hoffentlich wird es bald wärmer. Ich kann diese furchtbare Kälte nicht mehr ertragen. Die Kohlen sind auch fast alle. Wir heizen nur noch jeden zweiten Abend.«

       »Ich weiß, was du meinst. Dieser verdammte Krieg verlangt uns allen einiges ab. Mein Vater ist im letzten Mai vor Sedan gefallen.«

       »Das tut mir leid. Und deine Mutter?«

       »Sie ist schon lange tot. Ich kann mich kaum mehr an sie erinnern. Meine Oma hat mich praktisch großgezogen. Sie ist eine tolle Frau.« Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen fuhr er fort. »Ich bin überzeugt davon, dass du ihr gefallen wirst.«

       Das Läuten der Straßenbahnglocke unterbrach das Gespräch der beiden. Mit einem metallischen Quietschen und dem Zischen der Bremsen hielt der Linienwagen vor dem Paar. Aufsteigender Wasserdampf hüllte die Wartenden in einen feinen Nebel. Die Türen wurden aufgerissen und eine Menschentraube quetschte sich durch die schmalen Öffnungen nach draußen. Ernst und Luise schoben sich durch das Gedränge der Fahrgäste in den Wagen. Die Menschen standen so dicht beieinander, dass auch das Rucken beim Anfahren der Bahn niemanden zum Stürzen hätte bringen können.

       Die Fahrt verlief weitgehend schweigend, die Straßenbahn hielt hinter der Feldweiche, am Schwanenteich und an der Aue, wobei an jeder Haltestelle weitere Leute ein- und ausstiegen und das Geschubse ungeahnte Ausmaße annahm.

       Nachdem die beiden am Blobach den Linienwagen endlich verlassen konnten, wandten sie sich in Richtung Petristeinweg.

       »Hier wurde ich getauft.« Luise zeigte auf eine Kirche mit einem wunderschönen bunten Dach.

       Interessiert sah Ernst zu dem alten Gemäuer, bevor ein Lächeln sein Gesicht erhellte. »Sankt Petri. Ich kenne das Gotteshaus nur von außen. Was hältst du davon, wenn wir hier heiraten? Würde dir das gefallen?«

       »Findest du nicht, dass das alles viel zu schnell geht?«

       »Wenn mich die letzten Jahre eines gelehrt haben, dann, dass man keine Zeit verlieren sollte, wenn man sich einer Sache sicher ist. Im Moment diene ich unserem Volk und Vaterland, indem ich mich um die Kranken kümmere. Wer sagt mir denn, dass ich nicht morgen oder nächste Woche einberufen werde, um die tapferen Soldaten im Kampf an der Front zu unterstützen? Hör in dich hinein, Luise! Du musst es doch ebenso fühlen wie ich, dass wir beide füreinander bestimmt sind.« Die Heftigkeit seines Ausbruchs erschrak den jungen Mann selbst, sodass er einen Schritt zurücktrat, um die Frau seiner Träume nicht einzuschüchtern. Als er jedoch das Funkeln in ihren Augen und das Schmunzeln wahrnahm, fühlte er, dass alles gut werden würde.

       »Erzähl mir von deiner Arbeit! Wir haben noch ein Stück Weg vor uns.«

       »Mutter?« Luise steckte den Kopf durch die Tür zum Wohnzimmer. »Bist du hier?«

       Als keine Antwort kam, lief sie in Richtung Treppe. »Mutter?«

       Aus der oberen Etage tönte eine Frauenstimme. »Luise, bist du das?«

       »Ja, Mutter. Ich habe Besuch mitgebracht.«

       »Besuch? Mitten in der Woche?«

       Luise bedachte ihr Gegenüber mit einem entschuldigenden Lächeln und einem Schulterzucken, bevor sie antwortete. »Kannst du bitte herunterkommen? Ich würde dir gern jemanden vorstellen.«

       »Augenblick, geht doch schon mal in die Küche! Ich komme gleich.«

       Abrupt drehte sich Luise zu Ernst um. »Du hast es gehört. Gehen wir! Ich koche uns eine Kanne Kaffee.« Sie wandte sich einer beigebraun gestrichenen Holztür zu, die der

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