Nr. 983. Yvonne Bauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Nr. 983 - Yvonne Bauer страница 8
Kapitel 3 - Mühlhausen, 25. Mai 1941
Luise saß auf dem Bett, eingehüllt in eine Wolke aus Tüll und Spitze. Nun war es also soweit. Der Pfarrer hatte ihnen am Mittag nach dem Gottesdienst in der Petrikirche den Segen der evangelischen Kirche erteilt. Nun waren Luise und Ernst Schramm auch vor Gott Mann und Weib.
Vorgestern, am Freitag, dem Tag nach Christi Himmelfahrt, hatten sie bereits im Rathaus in Anwesenheit einer Standesbeamtin, ihrer Mutter und der Oma von Ernst den Bund der Ehe geschlossen. Für die beiden war dieser Akt staatlichen Rechts jedoch nur eine Formalität. Erst am heutigen Tag, mit ihrer kirchlichen Hochzeit, fühlte sich Luise wirklich verheiratet.
An diesem wundervollen Frühsommertag schien die Welt vollkommen in Ordnung. Einzig die Abwesenheit Friedrich Seidenstückers, Luises Vaters, erinnerte die junge Frau und ihre Mutter daran, dass Deutschland sich eigentlich im Krieg befand. Noch immer war kein Brief von ihm eingetroffen, sodass die beiden das Schlimmste befürchteten. Aber solange sie gar keine Nachricht erhielten, konnten sie zumindest hoffen.
Die Braut schob die düsteren Gedanken beiseite. Schließlich sollte heute doch der glücklichste Tag ihres bisherigen Daseins sein.
Die Trauungszeremonie war schlicht und sehr ergreifend gewesen. Die beiden wichtigsten Menschen im Leben der Brautleute hatten sich damit abgewechselt, in ihre Taschentücher zu schniefen. Oma Schramm weinte auch noch, als sie die Hochzeitstorte im Haus der Seidenstückers anschnitten, und abermals, als sie sich nach dem Abendessen verabschiedete. Elsbeth und Gustav nahmen es auf sich, die alte Dame nach Hause zu bringen, während Luise und Ernst sich nach oben in das Schlafzimmer der Braut zurückzogen.
Das frischvermählte Ehepaar war zu dem Entschluss gekommen, bis zur Rückkehr von Friedrich Seidenstücker im Haus in der Schaffentorstraße zu wohnen. Luise hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, ihre Mutter hier allein zu lassen. Beiden Frauen fiel ein Stein vom Herzen, als Ernst so reibungslos eingewilligt hatte. Nun war er im Badezimmer und putzte sich die Zähne, was der Braut irgendwie unwirklich vorkam.
Seit März hatten sich die Ereignisse in schwindelerregender Art und Weise überschlagen. Niemals im Traum wäre Luise eingefallen, dass sie kaum zwei Monate nach dem unerwarteten Antrag tatsächlich verheiratet sein würde.
Sie sah sich in dem Zimmer um, in dem sie aufgewachsen und das ihr so vertraut war. In der Ecke stand ein riesiger Überseekoffer, in dem Ernst das Nötigste zum Anziehen mitgebracht hatte. Auf einem Beistelltischchen neben dem großen Eichenholzschrank hatte er sein Grammophon aufgestellt, dessen silberner Trichter in den Raum ragte. Eine Auswahl an Schallplatten lag daneben und wartete darauf, abgespielt zu werden. Sie war sich sicher, dass unter ihnen wenigstens eine Grammophonplatte mit Liedern von Enrico Caruso, dem Lieblingssänger von Ernst, zu finden sein würde. Als sie darüber nachdachte, die Sammlung durchzusehen, öffnete sich die Tür und der Bräutigam schlüpfte herein.
Mit einem entwaffnenden Lächeln und glänzenden Augen ging er vor Luise auf die Knie. »Weißt du eigentlich, wie wunderschön du bist? Ich bin der glücklichste Mann auf der ganzen Welt!«
Die Braut beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn zärtlich. »Ich kann mein Glück auch noch gar nicht fassen.« Etwas ängstlich blickte sie zu ihm herab.
Ernst bemerkte das. Er griff nach ihren Händen. »Meine Güte, deine Finger sind ja eiskalt!«
Verlegen versuchte Luise, ihrem Mann die Hände zu entziehen. »Es ist nur ...« Eine flammende Röte stieg ihr am Hals auf und brannte kurz darauf in ihrem Gesicht.
»Aber du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben. Ich würde dir nie im Leben weh tun. Das habe ich auch zu deiner Mutter gesagt.«
Entsetzt riss die junge Braut die Augen auf. »Wie bitte, meiner Mutter ...?«
Ernst stand auf und setzte sich neben Luise auf das Bett. »Heute Morgen vor der Trauung hat sie mich aufgesucht und mir unmissverständlich klar gemacht, dass sie mich umbringt, wenn ich dir weh tue und das Herz breche.«
»Sie hat was ...?«
Lachend legte er den Arm um seine Angetraute. »Sie meinte, sie würde mir die Eingeweide herausreißen und den Nachbarshunden zum Frühstück verfüttern, sollte ich dich nicht respektvoll behandeln.«
Kopfschüttelnd starrte Luise ihren Mann an. Sie konnte nicht glauben, was er soeben erzählt hatte.
»Mach dir keine Gedanken. Ich habe deiner Mutter versichert, dass ich dich auf Händen tragen und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen werde.«
»Aber wie kommt sie denn dazu, dir so etwas ...?«
Lächelnd stupste er mit dem Finger auf ihre Nase. »Ich denke, dass aus ihr Mutter und Vater gesprochen haben. Wahrscheinlich glaubt sie, es sei ihre Pflicht, ihren Mann würdig zu vertreten.«
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander.
»Vielleicht sollte ich etwas Musik auflegen. Was hältst du von Verdis Rigoletto? Ich besitze eine Aufnahme von Enrico Caruso aus dem Jahr 1907.«
»Wie du meinst. Ich überlasse dir die Auswahl.« Schmunzelnd beobachte Luise ihn dabei, wie er die Platte vorsichtig aus der Hülle nahm und sie auf den Teller des Grammphons auflegte. Nach kurzem Knistern erfüllte die traumhafte Stimme eines der begnadetsten Tenöre aller Zeiten das Zimmer.
Der Bräutigam zündete eine Kerze an, schaltete das Licht der Deckenlampe aus und kam mit erwartungsvollem Blick auf sie zu.
»Kannst du mir bei den Knöpfen am Kleid helfen?« Luise versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Sie räusperte sich. »Ich komme nicht dran.«
Ernst kniete sich hinter sie auf das Bett und öffnete in quälender Langsamkeit den obersten Knopf. Bevor er mit dem nächsten fortfuhr, hauchte er einen Kuss auf die unter der Knopfleiste sichtbar gewordene Haut. Dies wiederholte er nach jedem einzelnen Knopf. Als er fertig war, lief er um das Bett herum und stellte sich auffordernd vor Luise. »Jetzt du!«
Mutiger, als sie sich fühlte, erhob sie sich, streifte ihrem Liebsten das Jackett von den Schultern und ließ es achtlos auf den Boden fallen. Dabei spürte sie seinen brennenden Blick auf sich gerichtet. Das Gleiche tat sie mit der Fliege, die er bereits geöffnet hatte. Ihr Mund wurde trocken, als sie sich Stück für Stück weiter vortastete. Mit erstaunlich ruhiger Hand öffnete sie den Knopf am Kragen des nach Wäschestärke duftenden Hemdes und glitt mit den Fingern über die warme Haut, die darunter zum Vorschein kam. Als sie das Aufstöhnen vernahm, das sich aus seiner Kehle entrang, wurden ihre Berührungen forscher.
Luise hatte bereits den untersten Knopf geöffnet, als Ernst sie in die Arme zog und leidenschaftlich küsste, zunächst auf den Mund, dann glitt er an ihrem Hals entlang, hinab zu ihren Schultern. Er befreite ihre Brüste von dem überflüssigen Stoff des Kleides und trat einen Schritt zurück. Bewundernd beobachtete er Luise dabei, wie sie sich aus der Wolke aus Tüll und Spitze schälte. Seine Sinne waren wie berauscht, als sie zu ihm aufsah und mit einem Lächeln bedachte, das sein Herz heftig schlagen ließ.
Er schlüpfte aus der Hose, griff nach Luises Hand und zog sie mit sich auf das Bett. Dort küsste er sie mit einer Leidenschaft, die ihm und ihr den Atem raubte. Ernst beugte sich zurück und betrachtete seine Frau im Schein des Kerzenlichtes. Er griff nach einer