Nr. 983. Yvonne Bauer
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Die Augen geschlossen, meinte Luise, das Lächeln in seinen Worten zu hören. Sie versuchte, sich ganz auf die zärtlichen Berührungen zu konzentrieren, was ihr jedoch wegen der Vielzahl unterschiedlicher Emotionen, die in ihr tobten, sehr schwerfiel. Unter die berauschenden Gefühle des Glücks und des Begehrens mischte sich auch ein wenig Angst vor dem Unbekannten. Von ihrer Mutter hatte sie in der Zwischenzeit erfahren, was sie in der Hochzeitsnacht zu erwarten hätte und konnte sich nicht vorstellen, dass deren Beschreibungen untertrieben. Schließlich wirkten die verheirateten Menschen um sie herum nicht unglücklich und bekamen in den meisten Fällen sogar mehr als ein Kind. Deshalb sollte der Akt an sich doch kaum so furchtbar sein, dass man ihn nicht über sich ergehen lassen konnte. Wie dem auch sei, sie war fest entschlossen, die Schmerzen, die ihre Mutter ihr vorausgesagt hatte, zu ertragen und alles zu tun, was Ernst glücklich machte. Und wenn es das war, was er wollte und brauchte, dann sollte er es auch bekommen.
Als seine Finger unter dem Rand ihres Schlüpfers hindurch zu ihrem Venushügel wanderten, erstarrte sie für einen Augenblick. Dies schien er zu spüren, denn er hielt in der Bewegung inne.
»Hab keine Angst, mein Liebling. Ich werde vorsichtig sein« , hauchte er ihr ins Ohr.
Tausend kleine Tode sterben, ja - genauso lauteten die Worte ihrer Mutter und hätten trefflicher nicht sein können. Luise lag in ihrem Bett auf der Seite und betrachtete Ernst, der friedlich neben ihr schlummerte. Was für ein gutaussehender Mann, dachte sie zum wiederholten Mal. Ihr Blick glitt an seinem Haaransatz entlang, über die Stirn zu den Augen. Was für lange Wimpern er doch hatte. An der Wurzel waren sie Dunkel und wurden zur Spitze hin immer heller, fast weiß. Dass ihr das jetzt erst auffiel. Beim Betrachten seiner vollen Lippen wurde es Luise ganz heiß. Was er damit alles angestellt hatte ... Bilder blitzen vor ihrem geistigen Auge auf und verursachten ein angenehmes Kribbeln im Bauch der jungen Frau. Je mehr sie über die vergangene Nacht nachdachte, umso unruhiger wurde Luise. Vielleicht sollte sie besser aufstehen und Frühstück machen. Sie hatten nur den heutigen Tag zur freien Verfügung, ab morgen wurden sie wieder auf Arbeit erwartet. Deshalb wollte sie jede Minute auskosten. Vorsichtig, darauf bedacht, Ernst nicht zu wecken, aber auch unerwartet schwerfällig schälte sie sich aus dem Bett und griff nach dem Morgenmantel auf dem Nachtschränkchen. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre sie von einem Zug überrollt worden. Auf Zehenspitzen schlich Luise aus dem Zimmer und zog die Tür leise hinter sich zu. Auf dem Weg nach unten lief sie ihrer Mutter über den Weg. Deren Blick auszuweichen, um peinlichen Gesprächen am Morgen zu entgehen, misslang jedoch. Minna stellte sich direkt an den Treppenabsatz und wartete darauf, dass ihre Tochter herunterkam. Das Aufeinandertreffen war also unausweichlich. Meine Güte, warum war sie nur so peinlich berührt? Schließlich war das der Lauf der Dinge, schon seit Adams und Evas Zeiten. Auf der letzten Stufe angelangt, blieb Luise vor ihrer Mutter stehen und wurde sogleich von ihr in eine nicht enden wollende Umarmung gezogen. Nach einem Kuss auf ihren Scheitel hatte die junge Frau es überstanden. Keine peinlichen Fragen? Kein unangenehmes Verhör? Verblüfft sah Luise ihrer Mutter hinterher, als sie wortlos in die Küche lief. Sie folgte ihr. Gemeinsam deckten sie den Tisch. »Ich gehe in den Hühnerstall und sehe mal nach, ob das Federvieh es gut mit uns meint.« Minna wollte gerade die Türklinke herunterdrücken, als die Tür schwungvoll geöffnet wurde und Ernst vor ihr stand. »Wen haben wir denn hier? Guten Morgen!« Ernst trat lächelnd zur Seite, um seine Schwiegermutter vorbei zu lassen. »Gleichfalls guten Morgen!« Als er Luise erblickte, strahlte er förmlich. »Hallo, meine Schöne.« »Setz dich! Wir sind gleich fertig mit den Vorbereitungen. Mutter sieht nach, ob die Hühner uns ein paar Eier zum Frühstück gelegt haben.« Die Stuhlbeine scharrten auf den Holzdielen, als Ernst die Lehne zu sich heranzog. »Was wollen wir heute unternehmen? Worauf hast du Lust?« Luise platzierte die Messer neben die Frühstücksbrettchen. »Was hältst du davon, wenn wir Spazieren gehen und dann irgendwo zum Kaffee einkehren?« »Gute Idee, wir könnten mit der Straßenbahn an den Schwanenteich fahren.« Freudestrahlend trat Luise auf ihn zu und küsste ihn zärtlich auf den Mund. »Einverstanden. Wie wäre es mit einem Picknick und wir gehen dann zum Abendessen in eine Gaststätte?« »Das ist ja noch besser! Vielleicht könnte deine Mutter dort zu uns stoßen und wir Drei essen gemeinsam zu Abend. Nach den ganzen Vorbereitungen für unsere Hochzeitsfeier wird sie sicherlich froh sein, einmal nicht kochen zu müssen.« Nachdenklich rieb sich Ernst die Stirn. »Am besten, wir fragen sie. Vielleicht weiß sie auch, welche Gastwirtschaft geöffnet hat. Einige sollen ja wegen der Lebensmittelknappheit geschlossen haben.« Von draußen waren Schritte zu hören. Kurz darauf wurde die Küchentür aufgerissen und Minna balancierte im umgeschlagenen Saum ihrer Schürze mindestens ein Dutzend Eier. Vorsichtig sortierte sie jedes einzeln in eine Schüssel. »Die Hennen meinen es gut mit uns. So fleißig waren sie schon lange nicht mehr beim Eierlegen. Was haltet ihr von Rührei zum Frühstück?« An Ernst gerichtet fuhr sie fort. »Mit Speck und Schnittlauch?« Bei dem Gedanken an das reichhaltige Essen lief ihm das Wasser im Mund zusammen. »Genauso mag ich meine Eier am liebsten. Kann ich helfen?« Minna warf einen abschätzenden Blick auf ihn und dann auf ihre Tochter, die noch immer nur einen Morgenrock trug, bevor sie ihrem Schwiegersohn antwortete. »Ich schlage vor, dass du im Garten den Schnittlauch holst, ich gehe in den Keller und schneide eine Scheibe Speck von der Schwarte, die dort hängt, und Luise könnte ja schon einmal die Eier aufschlagen.« Geschäftig machte sich jeder ans Werk. Keine Viertelstunde später saßen sie gemeinsam am Esstisch und ließen sich das Frühstück schmecken. Das frischvermählte Paar erzählte Minna von seinen Plänen. Auf die Frage, wo sie zu Abend essen sollten, überlegte sie kurz. »Nun, wir könnten zum Tannhäuser an der Burg gehen oder in den Reichsadler am Bastmarkt. In die Berghalle am Petristeinweg traue ich mich nicht mehr, seit sich dort die Kommunisten tummeln. Ansonsten fallen mit noch das Gasthaus am Blobach oder Eisenhardts Lokal gegenüber ein. Wenn das Wetter sich hält, hätten wir da die Möglichkeit, uns in den Biergarten zu setzen und wir sind nicht so weit weg von zuhause, falls ein Fliegeralarm uns wieder in die Keller treibt. Was meint ihr?« Erstaunt sah Ernst seine Schwiegermutter an. Genau wie ihre Tochter hatte sie die Angewohnheit, beim Nachdenken den Kopf ein wenig schräg zu halten, so, als könne sie dadurch ihre Gedanken besser in die richtigen Bahnen lenken. Auch bei Luise hatte er das schon mehrfach beobachtet. Es war verblüffend, wie sehr sich die beiden Frauen doch ähnelten. Von Minna aus seinen Überlegungen gerissen, besann er sich auf die Frage. »Mir ist alles recht. Luise, was denkst du?« »Ich habe als Kind zur Kirmes schon in Eisenhardts Saal und auch im Garten getanzt. Vater hat dort mit einigen Nachbarn musiziert. Er verstand es wie kein anderer, eine Geige zum Leben zu erwecken. Wenn es spät war und ich nach Hause gehen musste, habe ich in meinem Zimmer das Dachfenster geöffnet und den Klängen seiner Fidel gelauscht.« »Dann werden wir also bei Eisenhardts zu Abend essen.« Am Lächeln im Gesicht Luises erkannte Ernst, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. »Komm, lass uns den Tag genießen. Morgen geht es wieder anders herum, wenn die Arbeit ruft.« »Da hast du leider recht. Ich ziehe mich schnell an. Du kannst ja schon einmal überlegen, was ich alles in den Picknickkorb packen soll. Bin gleich zurück.« Eilig hastete die junge Frau hinauf in ihr Zimmer.
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