Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker
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Читать онлайн книгу Dunkle Tiefen der Seele - Bärbel Junker страница 4
Aber dessen Freund war Fred ja schließlich auch nicht gewesen, dachte Sven und begann zu lesen.
„Verdammt, nichts Neues. Keine Spur. Nicht das winzigste Indiz. Einfach gar nichts“, murmelte er verzagt. Wer, zum Teufel, konnte auf die wahnsinnige Idee verfallen einen Mann wie Fred umzubringen? Einen Mann, der die Höflichkeit und Hilfsbereitschaft in Person gewesen war? Er konnte sich einfach kein Motiv für diese Tat vorstellen.
GEWESEN! JA! GEWESEN!
Die entsetzliche Wirklichkeit erglühte in Leuchtbuchstaben vor seinem inneren Auge.
GEWESEN! AUS UND VORBEI!
Nie wieder Freds warmes Lachen, seine Freundlichkeit und sein Verständnis. Svens Augen füllten sich mit bitteren Tränen. Gramerfüllt vergrub er das Gesicht in seinen bebenden Händen. Er litt schrecklich unter dem plötzlichen Verlust seines Freundes. Ihn bei einem Polizeieinsatz zu verlieren wäre schlimm genug gewesen, ihn jedoch unter diesen Umständen zu verlieren, machte ihn fix und fertig.
Er rang um Fassung; und der Gedanke an das verweinte Gesicht von Freds Freundin half ihm dabei. Wie musste ihr erst zu Mute sein. Er hatte seinen besten Freund verloren, Karla jedoch ihren Lebenspartner nach kaum einem halben Jahr. Traurig dachte er an die wundervollen Abende, die er zusammen mit Fred und Karla verbracht hatte.
Wie sehr hatte er seinen Freund heimlich um diese kluge und bezaubernde Frau beneidet. Jetzt schämte er sich dafür, obwohl kein schlechter Gedanke in ihm gewesen war. Nur Bewunderung und die Hoffnung, auch irgendwann einmal einer solchen Frau zu begegnen. Nach Freds Tod sei er ihr eine wichtige Stütze in ihrem Leid, hatte sie ihm weinend gestanden. Er war sehr glücklich über ihr Vertrauen. Er würde sie niemals enttäuschen!
„Sven, du sollst zum Chef kommen“, drang die dunkle Stimme seines neuen Partners Phil Thomsen, einem langjährigen Freund von Fred und ihm, in seine Gedanken. „Alles in Ordnung?“, fragte Phil.
„Danke, es geht schon“, murmelte Sven. „Was will der Alte von mir?“
„Es geht wohl um den Mord an Fred.“
Sven nickte und stand auf. Als er nach kurzem Anklopfen das geräumige Büro seines Chefs betrat, stach ihm sofort ein dicker Aktenstapel ins Auge, der ihn innerlich aufstöhnen ließ. In einer blitzartigen Vision sah er sich in Hemdsärmeln nächtelang, mit vor Übermüdung tränenden Augen, davor sitzen. Seine Vision sollte sich bewahrheiten.
„Das sind von Fred Kowalski erfolgreich bearbeitete Fälle, wo die Täter bei ihrer Festnahme oder im Gerichtssaal Drohungen gegen ihn ausgestoßen haben. Einer von ihnen könnte sein Mörder sein. Überprüfen Sie das, Sörensen“, verlangte sein Boss.
Sven runzelte die Stirn und heftete seine graublauen Augen zweifelnd auf den umfangreichen Aktenstapel. „Ich glaube nicht, dass wir den Täter unter den üblichen Verbrechern finden werden“, meinte er skeptisch. „Die Tötungsart passt ganz einfach nicht zu einem Profi.“
„Und weiter?“
„Ein Profi hätte Fred erschossen oder erstochen oder vielleicht mit einem Sprengsatz in die Luft gejagt, aber ihn doch nicht mit einem so ausgefallenen Gift wie Aconitin umgebracht, noch dazu in seiner Wohnung. Fred hätte doch keinen Ganoven hereingelassen und ihm auch noch Kaffee angeboten.“
„Trotzdem könnte die Tat ein Racheakt gewesen sein.“
„Aber von wem? Fred war äußerst vorsichtig und ließ so leicht niemanden zu sich herein“, wandte Sven ein.
„Es könnte die Frau, die Schwester oder die Freundin irgendeines, von Fred dingfest gemachten Verbrechers gewesen sein.“
„Vielleicht, aber ich glaube nicht daran.“
„Also gut, Sörensen, da wir diese Theorie jedoch auch nicht völlig ausschließen können, werden Sie die Akten trotz Ihrer Skepsis durcharbeiten und zwar möglichst schnell. Phil Thomsen kann Ihnen dabei helfen“, beharrte sein Boss auf seinem Standpunkt. Sven klemmte sich wortlos die Akten unter den Arm und ging.
„Verdammter Mist“, fluchte er in seinem Büro und klatschte den Aktenstapel wütend auf seinen Schreibtisch. Dann teilte er ihn in zwei gleich hohe Stapel auf und legte einen davon seinem Partner auf den Tisch, dem das Grinsen schlagartig verging. „Arbeit für dich, Phil. Zwar wird sie uns keinen Schritt weiterbringen und nur unsere kostbare Zeit stehlen, doch unser hoher Chef wünscht es so“, sagte Sven sauer.
Mit einem undefinierbaren Ausdruck in seinen haselnussbraunen Augen sah Phil ihn an.
„Was ist? Sitzt meine Krawatte schief oder weshalb starrst du mich so an?“, fragte Sven gereizt.
„Nein, mit deiner Krawatte ist alles in Ordnung. Mir ging nur gerade etwas durch den Kopf.“
„Und was, wenn ich fragen darf?“
„Du darfst. Ich überlegte gerade, ob du schon Freds Familie benachrichtigt hast.“
„Was denn für eine Familie?“, fragte Sven unwirsch. „Freds Eltern sind tot und außer seiner Freundin Karla kenne ich niemanden, der von seinem Ableben unterrichtet werden müsste.“
„Und sein Bruder?“
„Sein Bruder? Machst du Witze?“, stieß Sven hervor. „Ausgerechnet sein Bruder Paul! Der hat Fred doch nur Ärger und Kummer bereitet. Fred hat schon vor Jahren jede Verbindung zu ihm abgebrochen; und er würde ihn auch nicht auf seiner Beerdigung haben wollen. Ich nehme jedenfalls keinen Kontakt zu ihm auf. Dieser Paul ist ein ganz übles Subjekt und Fred konnte ihn nicht ausstehen“, sagte Sven erregt.
„Kennst du Freds Bruder persönlich?“
„Nein, aber was Fred über ihn erzählte reicht mir. Ich lege nicht den geringsten Wert auf seine Bekanntschaft. Was soll diese dämliche Fragerei eigentlich?“, knurrte Sven. „Was geht uns dieser Paul an? Anstatt über Freds unerfreulichen Bruder zu palavern, sollten wir lieber seinen Mörder suchen.“
„Eben“, erwiderte Phil lapidar.
„Eben?! Was soll denn das nun wieder heißen? Also wirklich, Phil, manchmal werde ich einfach nicht schlau aus dir“, nörgelte Sven. „Eben! So was Blödes aber auch.“
„Das ist nicht so blöde wie du meinst“, verteidigte sich sein Freund.
„Und wieso nicht?“
„Weil wir meiner Meinung nach den Fall von einer ganz anderen Seite anpacken sollten.“
„Und welcher?“
„Ich denke, dass wir uns unbedingt mit diesem Bruder befassen sollten. Schließlich ist ...“
„Warum das denn?“, unterbrach ihn Sven.
„Na ja, das Interessante daran ist doch, dass es sich bei diesem Bruder um einen Zwillingsbruder handelt, oder?“
„Und wenn schon. Was ist daran so ungewöhnlich?“
„Aber Sven, verstehst du denn nicht?