Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker

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Dunkle Tiefen der Seele - Bärbel Junker

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      „Nein, absolut nicht. Aber es muss mir ja auch nicht gefallen“, erwiderte Sven kühl.

      „Auch gut“, knurrte Kowalski aggressiv. „Also, was woll´n Sie?“

      „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Bruder getötet wurde“, sagte Sven leise.

      Paul Kowalski starrte ihn ungläubig an. Es dauerte eine ganze Weile, bis diese Information zu seinen schwerfälligen Gehirnzellen durchgedrungen war. Aber als es endlich soweit war, fing er schallend an zu lachen. „Ich lach mich tot!“, brüllte er, sich vergnügt auf die feisten Schenkel schlagend. „Mein Bruder, der heilige Antonius der Ehrbaren, wurde ermordet! Wenn das nich´ der Witz des Tages is´, dann weiß ich nich´! Das is´ doch nich´ zu fassen, das halt ich nich´ aus!“, keuchte er.

      „Ich habe nicht gesagt, dass Ihr Bruder ermordet wurde. Wie kommen Sie darauf?“, fragte Sven mit vor Abneigung vibrierender Stimme.

      Paul Kowalski wischte sich mit einem dreckigen Lappen die Lachtränen aus dem Gesicht. „Na, Sie sind vielleicht ´n Schlauberger“, sagte er spöttisch. „Wenn die Mordkommission plötzlich bei mir auftaucht wird´s ja wohl um ´n Mord geh´n und nich´ um ´nen kleinen Ladendiebstahl, oder?“

      „Wissen Sie, ob Ihr Bruder Feinde hatte?“, fragte Phil, ohne auf Kowalskis Ironie einzugehen.

      „Ne, woher soll denn ich das wissen. Der Herr Saubermann wollte mit mir doch nichts zu tun ha´m. Ich war ihm nich´ fein genug. Aber einen Feind muss er ja wohl gehabt ha´m, sonst wär´ er ja wohl nich´ ausgeknipst worden. Wie is´ er denn überhaupt umgebracht worden, Inspektor?“, fragte Kowalski neugierig, jedoch ohne jegliche Anteilnahme.

      „Er wurde vergiftet.“

      „Vergiftet! Na, das is´ ja ´n Ding! Wer tut denn so was? Erschießen oder abstechen, aber vergiften?! Merkwürdige Art jemanden umzubring´“, meinte Kowalski kopfschüttelnd. „Ach, da fällt mir was ein: Erb´ ich jetzt Freds ganzen Kram? Schließlich bin ich ja sein einziger Bruder. Da muss doch was zu hol´n sein. Bestimmt hat er auch was auf der hohen Kante. Also, was meinen Sie?“ Mit gierig funkelnden Augen wartete er auf die Antwort.

      Wahrscheinlich zählt er in Gedanken bereits das Geld, dachte Sven. Aber die Freude werde ich dir versalzen, du widerlicher Leichenfledderer! „Ich weiß nur, dass Fred Sie in seinem Testament nicht bedacht hat“, sagte er kalt.

      „Mistkerl“, knurrte Kowalski böse und ließ offen, wen er damit meinte. „Dann eben nich´. War´s das oder woll´n Sie noch was wissen?“

      „Nein, wir haben keine weiteren Fragen“, sagte Sven knapp und erhob sich gemeinsam mit Phil. Schweigend gingen sie an der Schlafzimmertür vorbei, nicht ahnend, dass dahinter der geschundene Körper einer ermordeten jungen Frau nach Vergeltung schrie. Mit einem knappen Kopfnicken verabschiedeten sie sich von Paul Kowalski, der die Wohnungstür hinter ihnen zuknallte.

      „Was für ein Brechmittel“, schüttelte sich Phil. „Und diese Wohnung! Hast du auch diesen eigenartigen Geruch bemerkt?“

      „Ja, aber ich will nicht darüber nachdenken, sonst kommt mir bestimmt mein Frühstück hoch.“

      Schweigend gingen sie zu ihrem Wagen, stiegen ein und fuhren davon.

      „Na endlich“, murmelte der ganz in Schwarz gekleidete Mann, der einen tief ins Gesicht gezogenen Schlapphut trug. Er trat aus dem Schatten einer Toreinfahrt, überquerte schnellen Schrittes die Straße und betrat das Haus, aus dem die beiden Kriminalbeamten gerade gekommen waren. Geräuschlos stieg er die Treppe hinauf. Vor Paul Kowalskis Tür blieb er stehen. Er griff in die Tasche seines Trenchcoats und nahm etwas heraus. Dann legte er seinen in feinem Leder steckenden Finger auf den Klingelknopf.

      Kowalski, mit einer Dose Bier in der Hand, riss wütend die Tür auf und keifte: „Was´n nun noch? Jetzt hab ich aber langsam die Schnauze gestrichen voll von eurer blöden Fragerei. Mein Bruder is´ tot. Na und? Langsam weiß ich´s nun. Hau´n Sie ab, Mann! Lassen Sie mich endlich mit Ihrem blöden Gelaber in Ruhe oder ich ...!“ Er verstummte abrupt und starrte mit offenem Mund auf den Unbekannten. „Zum Teufel, wer ...?“

      Ein dicker Strahl Tränengas schnitt ihm das Wort ab. Die Bierdose schepperte zu Boden. Kowalski presste wimmernd die Hände vor seine wie Feuer brennenden Augen und taumelte zurück in den Flur. Der Unbekannte setzte geschmeidig hinterher, holte aus, und schlug ihm ein kurzes Bleirohr über den Kopf. Kowalski stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden.

      Sein Besucher verlor keine Zeit. Er zog die Tür hinter sich zu und schleifte den Bewusstlosen vor Anstrengung stöhnend vor die Küchentür. Er stieß sie auf, zerrte den schweren Körper ins Zimmer und schloss die Tür. Hastig fesselte er die Hand- und Fußgelenke des Bewusstlosen mit Klebeband. Erschöpft sank er auf den einzigen Stuhl.

      Er hatte gut daran getan sich zu beeilen, denn bereits kurze Zeit später schlug Kowalski stöhnend die Augen auf. Er versuchte sich an den schmerzenden Kopf zu fassen. Als ihm das nicht gelang, starrte er begriffsstutzig auf seine gefesselten Hände. „Verdammt! Was is´n jetzt passiert“, knurrte er verwirrt und wälzte sich stöhnend auf die Seite. Sein Blick fiel auf ein Paar schwarze Stiefel, wanderten an den dazugehörigen, in schwarzen Jeans steckenden Beinen hinauf und blieb an dem tief ins Gesicht gezogenen Schlapphut und der großen Sonnenbrille hängen.

      „Was soll ´n der Mist?! Wer, zum Teufel, sind Sie?“, knurrte er wütend an seinen Fesseln zerrend. Selbstverständlich ohne Erfolg.

      Sein Besucher antwortete nicht. Schweigend holte er aus den unergründlichen Tiefen seiner Manteltaschen eine kleine Flasche hervor und schraubte den Verschluss ab. Dann stellte er die geöffnete Flasche vor sich auf den Tisch. Er stand auf und ging zum Kühlschrank.

      Mit einer Dose Bier und einem Glas kam er zurück zum Tisch und setzte sich. Er gab aus dem Fläschchen einige Tropfen in das Glas und füllte mit Bier auf. Mit dem Glas in der Hand drehte er sich zu Kowalski um und sah ihn an.

      „Was soll´n das werden, wenn´s fertig is´? Woll´n wir einen zusammen heben oder was soll das blödsinnige Theater?“, pöbelte Kowalski.

      Sein Besucher antwortete nicht. Er ließ die kleine Flasche wieder in seiner Manteltasche verschwinden und holte eine kleine Plastikdose hervor, aus der er zwei lachsfarbene Wachskügelchen nahm. „Und nun werde ich dir sagen, was ich mit dir vorhabe“, sagte er ruhig.

      Kowalski öffnete den Mund zu einer unflätigen Antwort.

      „Ich warne dich“, sagte der Unbekannte eiskalt. „Noch ein einziges Wort und ich ziehe dir mit dem Bleirohr eins über, doch diesmal schlage ich richtig zu, verstanden?“

      Wie viele Gewalttäter war auch Kowalski feige, sobald es um sein eigenes Wohl ging. Bloß keine Schmerzen! Die fügte er lieber anderen zu. Also nickte er hastig. Schließlich war er nicht blöde.

      „Aber meine Chance wird kommen und dann wird sich dieses Weichei wünschen, nie geboren worden zu sein, dachte Kowalski. Der Typ will mir Angst einjagen, aber warum? Was will der von mir? Was hab ich dem Kerl getan? Will der mich wirklich umbring´? Nein! Dazu sind die meisten Menschen nich´ fähig. Ich kann das, aber ich stehe ja auch außerhalb der Norm, lebe nach meinen Vorstellungen und nich´ so wie diese Schwächlinge.

      Ich droh´ nich´ wie die andern, sondern tu´, was ich sage. Die andern kneifen wenn´s darauf ankommt. Die zieh´n den Schwanz ein und hau´n ab wenn´s ernst wird. Schwächlinge!

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