Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker

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Dunkle Tiefen der Seele - Bärbel Junker

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es ist nichts weiter“, winkte Julia ab. „Mein Magen macht mir neuerdings etwas zu schaffen, aber ansonsten ist mit mir alles in Ordnung.“

      „Du solltest ausspannen, Kleines. Mach eine schöne Reise, oder noch besser: Fahr zur Kur und lass dich einmal richtig durchchecken. Du hast seit zwei Jahren keinen Urlaub gemacht. Deine Künstler werden sicherlich auch mal ohne dich auskommen, schließlich sind sie ja keine Kinder mehr“, meinte Karla und musterte Julia mit sorgenvoll gerunzelter Stirn.

      „Ach was, du übertreibst schon wieder“, wehrte Julia ab. „Mein Magen wird sich schon wieder beruhigen.“

      „Es ist ja nicht nur dein Magen. Du hast mir auch von den Schwindelanfällen erzählt. Weißt du das nicht mehr?“

      „Ach das! Wahrscheinlich war es einfach nur die drückende Hitze.“

      „Aber du bist aufgrund der Schwindelanfälle böse gestürzt. Die blauen Flecken sind noch immer zu sehen“, klagte Karla.

      Julia musterte ihre Schwester lächelnd, aber auch ein bisschen ungeduldig. Seitdem ihre Mutter gestorben war, die Karla adoptiert hatte, als deren Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, umsorgte Karla sie wie eine Glucke.

      Karla hatte ihre Adoptivmutter über alles geliebt und verehrt, aber sie, ihre fünf Jahre jüngere Adoptivschwester, vergötterte sie geradezu, was manchmal etwas zu viel des Guten war. Natürlich liebte sie Karla auch über alles. Nur manchmal war die Innigkeit ihrer Verbundenheit eben auch sehr anstrengend, dachte Julia innerlich seufzend.

      „Ach, Karla“, sagte sie aus ihren Gedanken heraus. „Du bist manchmal wirklich anstrengender als eine Gouvernante. Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, große Schwester: Ich bin mittlerweile nicht nur volljährig, sondern eine gestandene junge Frau von dreißig Jahren“, stichelte Julia. „Allerdings bist du die attraktivste Gouvernante die ich jemals sah“, fügte sie zärtlich hinzu.

      „Du Schmeichlerin“, murmelte Karla verlegen und strich eine vorwitzige Strähne ihres mahagonifarbenen Haares zurück, die sich aus der aufgesteckten Frisur gelöst hatte. Die Sorge schwand aus ihren großen, grünen Augen, und ihr etwas breiter Mund, mit den vollen, schön geschwungenen Lippen, verzog sich zu einem weichen Lächeln. Julias liebevolles, gewinnendes Wesen nahm ihr jedes Mal wieder den Wind aus den Segeln, außerdem besaß diese einen Charme, der nur noch von ihrer Schönheit übertroffen wurde.

      Karla musterte ihre Schwester voller Zuneigung und Stolz. Alles an Julia ist so feingliedrig, so zart, so unerhört schutzbedürftig wie ihr sensibler Charakter und ihre allem Schönen zugeneigte Seele, dachte Karla gerührt. Sollte ihr jemals ein Leid zugefügt werden, könnte ich für die Gesundheit des Schuldigen nicht garantieren, dachte sie.

      Obwohl selbst schlank und hoch gewachsen kam sie sich Julia gegenüber manchmal regelrecht schwerfällig vor, was natürlich absoluter Unsinn war. Denn auch Karla besaß eine ausgezeichnete Figur. Kräftiger als die ihrer Schwester, doch nicht minder attraktiv. Sie war so in Julias Anblick versunken, dass sie nicht mehr zugehört hatte. „... ist sehr sympathisch“, hörte sie nur noch.

      „Was meinst du? Wer ist sympathisch?“, fragte Karla.

      „Dieser Inspektor Thomson.“

      Karla nickte. „Außerdem ist er äußerst tüchtig und sehr intelligent, sagt Sven.“

      „Du magst den Kommissar sehr, nicht wahr?“

      „Ja. Er war Freds bester Freund und wir drei verlebten manch netten Abend miteinander“, erwiderte Karla leise und Trauer verdüsterte ihr Gesicht. „Seit Freds schrecklichem Tod ist Sven mir eine große Stütze. Es ist reine Freundschaft, doch wer weiß, vielleicht eines Tages ...“ Sie verstummte.

      „Es tut mir so leid. So unendlich leid“, flüsterte Julia und streichelte Karlas Hand.

      „Ich weiß, Kleines. Aber irgendwann komme ich darüber hinweg. Der Mensch ist unglaublich leidensfähig. Das erlebe ich tagtäglich in meiner Praxis.“

      „Wenn ich dir doch nur helfen könnte“, flüsterte Julia mit Tränen in den Augen. „Ich wünschte mir die Zeit zurückdrehen zu können, so wie in den Science-Fiction-Filmen. Dann ließe sich vieles ungeschehen machen.“

      „Das wäre nur bedingt von Vorteil, Liebes. Denn das Schicksal massiv zu manipulieren hieße doch, den gesamten Zeitablauf durcheinander zu bringen, was wohl in einer Katastrophe enden würde. Es mag sich nach einer Plattitüde anhören und doch ist es wahr: Wir müssen das Leben so nehmen wie es kommt und versuchen, das Beste daraus zu machen“, sagte Karla. „Obwohl es für manche Menschen von der Schwere und Aussichtslosigkeit her vielfach unerträglich erscheinen mag“, fügte sie nachdenklich hinzu, wobei sie an ihren Patienten Benjamin Porella denken musste, der an der Brutalität seiner Umwelt zerbrochen war.

      Julia wollte etwas sagen, doch das Erscheinen des Obers hinderte sie daran. Daher wünschte sie Karla nur guten Appetit und beugte sich hungrig über ihren Teller. Doch obwohl die Lammkoteletts ausgesprochen delikat aussahen, zog sich ihr Magen protestierend zusammen. Schlagartig verging ihr der Appetit. Sie wurde blass, und eine Welle der Übelkeit überschwemmte sie wie eine Woge. Hastig schob sie ihren Teller beiseite und lehnte sich zurück.

      „Was ist los?“, fragte Karla besorgt.

      „Mein Magen“, flüsterte Julia. „In letzter Zeit kann ich den Geruch von Fleisch einfach nicht ertragen. Ich versuche es mit dem Salat.“

      „Du darfst diese Beschwerden nicht auf die leichte Schulter nehmen“, warnte Karla. „Vielleicht hast du eine Magenschleimhautentzündung oder gar ein Magengeschwür. Ich melde dich morgen Vormittag bei Dr. Fergusen an. Keine Widerrede bitte“, sagte Karla so energisch, dass Julia den ihr auf der Zunge liegenden Protest hinunterschluckte.

      „Reg dich nicht unnötig auf, ich gehe ja hin“, stimmte sie dem Arztbesuch zu. Sie stocherte lustlos in ihrem Salat herum, spießte eine dunkelblaue Olive auf ihre Gabel, steckte sie in den Mund, schluckte sie mit angewidertem Gesichtsausdruck hinunter und gab endgültig auf. Sie trank ihr Mineralwasser auf einen Zug aus und begann in ihrer Handtasche herumzukramen.

      Karla starrte geradezu entsetzt auf das weinrote Zigarettenetui, aus dem sich Julia eine Zigarette nahm und mit einem goldenen Feuerzeug anzündete. „Das darf doch nicht wahr sein“, sagte sie. „Du warst doch immer eine erklärte Gegnerin der Zigarettenindustrie. Ich fasse es nicht!“

      „Ach, Karla! Nun mach doch kein Drama daraus. Ab und zu eine Zigarette kann doch nicht schaden“, sagte Julia ärgerlich.

      „Eine?! Du hast dir gerade eine Zweite angezündet, obwohl die Erste noch im Aschenbecher verglüht und das bei deinen gesundheitlichen Problemen. Was ist bloß mit dir los?“, klagte Karla.

      „Außer meinem Magen bin ich vollkommen okay, ergo werden mich die paar Zigaretten nicht gleich ins Grab bringen. Sollte mir Dr. Fergusen jedoch raten das Rauchen wieder einzustellen, bin ich jederzeit dazu bereit. Aber im Augenblick möchte ich ganz einfach hier sitzen, diese Zigarette zu Ende rauchen und möglichst keine Vorwürfe hören“, sagte Julia trotzig.

      Karla gab sich geschlagen. Diese trotzige Seite ihrer Schwester kannte sie von Kindheit an. Wenn sie nicht einlenkte, zog sich Julia in ihr ganz persönliches Schneckenhaus zurückzog, aus dem sie äußerst schwer wieder herauszulocken war. Also ließ Karla fürs Erste die Sache auf sich beruhen. „Fährst du von hier aus zurück zur Galerie?“, fragte sie neutralen Boden anstrebend.

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