Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker

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Dunkle Tiefen der Seele - Bärbel Junker

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Aber danach bin ich wieder in der Galerie.“

      „Mir fällt auf, dass du dich in letzter Zeit verstärkt um Künstlerinnen bemühst. Hat das einen besonderen Grund?“, wollte Karla wissen.

      „Nein, eigentlich nicht. Ich komme mit Frauen einfach besser zurecht. Die Herren Künstler werden immer exzentrischer, immer anspruchsvoller und enorm anstrengend. Außerdem haben es Künstlerinnen eindeutig schwerer, obwohl meiner Überzeugung nach gerade bei ihnen die kreative Seite besonders stark ausgeprägt ist.

      Sie sind sensibler und diese Sensibilität fließt ungehemmt in ihre Schöpfungen, sowohl bei Gemälden, als auch bei Skulpturen und bringt so manche anrührende und eindringliche Arbeit hervor“, schwärmte Julia mit leuchtenden Augen. „Ach, dabei fällt mir etwas ein! Am achtzehnten August findet in einer Pöseldorfer Galerie eine Vernissage mit internationalem Publikum statt. Hast du Zeit?“

      Karla ging in Gedanken ihren Terminkalender durch, dann nickte sie zustimmend.

      „Fein“, freute sich Julia. „Hoffentlich sind die Bilder gut.“

      „Ich muss jetzt leider los“, bedauerte Karla und erhob sich. „Heute bist du mit Zahlen dran. Deshalb hat mir das Essen wohl auch so gut geschmeckt“, neckte sie und umarmte ihre Schwester liebevoll. „Vergiss nicht deinen Termin bei Dr. Fergusen. Ich melde dich für elf Uhr an.“

      Julia nickte lächelnd und streichelte Karlas Wange.

      BENJAMIN PORELLA

      Auf ihrer Fahrt zur Klinik musste Karla die ganze Zeit an Julia denken. Sie war lange nicht so fröhlich und unbefangen wie sonst. Irgendwie hatte sich Julia verändert. Oder reagierte sie aus Sorge um ihre Schwester übertrieben? Wurde Julia einfach nur reifer? Vielleicht trübte ihr Beruf ihren Blick, sodass sie hinter der kleinsten Veränderung psychische Gefahren lauern sah. „Das muss ich mir aber abgewöhnen“, dachte sie laut und gab Gas.

      Sie erreichte die Klinik pünktlich und stellte ihren Golf auf dem Parkplatz für das Klinikpersonal ab. Sie freute sich auf die Begegnung mit Benjamin Porella, den sie unter intensiver Ausschöpfung ihrer Beziehungen in dieser besonders guten Anstalt unterbringen konnte. Benjamin Porella vertraute ausschließlich ihr.

      Obwohl er den Ärzten und Schwestern der Klinik gegenüber höflich und freundlich war, verschloss er sein Innerstes vor ihnen so fest wie eine Auster. Nur Karla gegenüber taute er auf. Alleine ihr gestattete er Einblick in seine Gefühle, Hoffnungen und Ängste. Aus diesem Grund widmete sie dem sanften Mann, den die Herzlosigkeit seiner Mitmenschen zum vielfachen Mörder werden ließ, auch noch einen Teil ihrer Freizeit.

      Zehn Minuten später stand sie Benjamin Porella gegenüber, einem hochgewachsenen, schlaksigen, vierundzwanzigjährigen jungen Mann, den alle Benny nannten. Seine braunen durch die Basedowsche Krankheit entstellten Augen strahlten sie an. Und genau diese entstellten Augen, von bösen Zungen auch Froschaugen genannt, waren Schuld an Bennys Unglück.

      Benny kam lächelnd auf Karla zu und reichte ihr die Hand. „Wie schön, dass Sie gekommen sind“, sagte er sanft.

      Karla erwiderte seinen Händedruck und sah ihn voller Sympathie an. Und ebenso wie vor fünf Jahren, als sie ihn zum ersten Mal sah, vermochte sie noch immer kaum zu glauben, dass dieser stets freundliche und liebenswürdige junge Mann zehn Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Und der Grundstein für die tragischen Ereignisse, war in Bennys frühester Jugend gelegt worden.

      Benny war eines Tages ohne Anmeldung in ihrer Praxis erschienen. Er war hypernervös und litt unter schweren Schlafstörungen. Er war dann pünktlich zwei Mal die Woche zur Therapie gekommen und hatte langsam Vertrauen zu ihr gefasst. Und dann hatte er sich eines Tages plötzlich sein bisheriges, trauriges Leben von der Seele geredet:

       Benny war ein dickes, besonders sensibles Kind gewesen, das unter der Basedowschen Krankheit und einer starken Sehschwäche litt. Dieser Augenkrankheit wegen musste er bereits im zarten Alter von zwei Jahren eine starke Brille tragen, deren Gläser seine hervortretenden Augen ins Riesenhafte vergrößerten.

       Vom Kindergarten an hänselten ihn die anderen Kinder, amüsierten sich auf seine Kosten und quälten ihn, wo sie nur konnten.

       Benny ließ alles ohne Gegenwehr über sich ergehen und legte sich im Laufe der Jahre unter vielen heimlichen Tränen einen Panzer zu, der ihm ein Mindestmaß an Schutz gewährte. Alles ging gut, bis zu dem Tage, an dem die Grausamkeit seiner Mitschüler seinen mühsam erworbenen Schutzpanzer auf einen Schlag zerstörte.

       Um das Ausmaß seines Leides und die daraus resultierenden, späteren Ereignisse begreifen zu können, musste man Bennys traurige Kindheit kennen.

       Er war ein zutiefst einsamer Junge. Von den Kindern seines Alters ausgestoßen, wurde er von ihnen auf Schritt und Tritt körperlich und seelisch misshandelt, sobald sie seiner habhaft werden konnten. Seine Eltern versorgten ihn mit Nahrung und Kleidung – Liebe gaben sie ihm nicht.

       Bennys Mutter war gleichgültig. Bennys Vater benutzte seinen Sohn als Blitzableiter für jeden Ärger, den er hatte. Benny war ein häufiger Gast im städtischen Krankenhaus. Mal waren es Verbrennungen, dann wieder ein gebrochener Arm oder auch mehrere gebrochene Rippen. Doch weder die Ärzte noch die Nachbarn zeigten seine Eltern jemals an.

      Und so nahm Bennys Leidenszeit kein Ende und er blieb das unglücklichste Kind unter der Sonne. Bis eines Tages unverhofft die Liebe in Gestalt eines kleinen, schneeweißen Hundes mit einer schwarzen Pfote in Bennys Leben trat. Und da sein Vater einen besonders guten Tag hatte, durfte Benny den kleinen Hund behalten. Zum ersten Mal in seinem Leben war Benny glücklich.

       Er liebte seinen kleinen Freund Snoopy so sehr, dass er ohne zu zögern sein Leben für ihn gegeben hätte und der Hund für ihn. Sie waren so unzertrennlich, dass Snoopy sein Herrchen des Morgens durch den Wald zur Schule begleitete und dort auf der anderen Straßenseite unter einer gewaltigen Platane so lange geduldig wartete, bis der Gong das Ende des Unterrichts ankündigte und Benny seinen Snoopy wieder glücklich in die Arme schloss.

       Gemeinsam tollten sie dann auf dem Heimweg durch den Wald und waren so glücklich wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Bis zu dem bewussten Tag, an dem Benny völlig zu Unrecht eine Stunde nachsitzen musste. Als er endlich von seiner unfreundlichen Lehrerin Amalia Nosbusch, die ihn nicht ausstehen konnte, entlassen wurde, war Snoopy nicht mehr da. Doch das konnte nicht sein, denn der Hund hätte sich ohne Benny niemals freiwillig von der Stelle gerührt.

       Benny schwante Böses. So schnell ihn seine Beine trugen eilte er in den Wald auf der Suche nach seinem Hund, den er mehr liebte als sein Leben.

       Und dann fand er ihn!

       Erdrosselt, mit heraushängender Zunge und weit aufgerissenen, gebrochenen Augen hing er, an allen vier Beinchen festgenagelt, an einer alten Eiche. Benny brach verzweifelt schluchzend unter dem Baum zusammen. Viel später, als seine Tränen versiegten. stand er auf und befreite seinen treuen Freund. Er drückte ihn an sich und streichelte zärtlich sein weiches Fell. Als er sich umdrehte, um diesen schrecklichen Ort zu verlassen, fiel sein Blick auf einen weißen Zettel, den herzlose Kinder an eine Birke gepinnt hatten. Darauf stand:

       Froschauge! Viel Spaß mit deinem blöden Köter!

       HA!

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