Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker

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Dunkle Tiefen der Seele - Bärbel Junker

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und elegantesten gekleideten Gäste in diesem Heer männlicher und weiblicher Paradiesvögel.

      Geübt durch unzählige ähnliche Besuche schlängelte sich Julia zusammen mit ihrer Schwester geschickt durch die trinkende, essende, schnatternde und johlende Menge. Sie versuchten mit wechselndem Erfolg einen Blick auf die ausgestellten Arbeiten zu erhaschen.

      Doch was sie sehen konnten gefiel ihnen absolut nicht. Die dem Stil Bacons nachempfundenem Bilder mit Anklängen an den abstrakten Julian Schnabel – nach seiner Tellerbilderzeit – waren Julia und Karla zu blutrünstig und zu deprimierend.

      Die verstümmelten, menschlichen Körper in rosa und grünlichem Weiß sahen aus wie hingemetzelte Leichen auf einem Schlachtfeld. Obszöne Frauenakte; daneben Rinderhälften, aus denen kadmiumrote, mit Krapplack abgeschwächte Blutströme flossen; verendende Rinder und Dromedare mit heraushängenden Zungen und vor Durst weit aufgerissenen Mäulern, vor einem vor Hitze wabernden – von der Farbwirkung her ausgezeichnet getroffenen – Hintergrund stehend und so ging es weiter von Bild zu Bild.

      Eine bemerkenswert große Anzahl der Bilder zierte bereits der begehrte rote Punkt, der Verkauft signalisierte. Grauen vermarktet sich in unserer pervertierenden Welt eben ausgesprochen gut. Schönheit und Harmonie, Ethik und positive Kreativität sind in dieser schnelllebigen, unaufhörlich nach neuen, immer stärkeren Reizen suchenden Gesellschaft anscheinend nicht mehr gefragt.

      Erschöpft von dem Lärm und der Hektik zogen sich Julia und Karla neben eine, für den heutigen Abend in die Ecke verbannte, grob gearbeitete Holzskulptur – vielleicht von Baselitz? – zurück, wo zwei einsame Stühle zum Sitzen einluden. Julia nippte in sich gekehrt an ihrem Sekt, und Karla musterte die hektische Meute um sie herum.

      Ein schrilles: „Julia, meine Liebe, hier haben Sie sich versteckt“, schreckte sie auf.

      Ach herrje! Pauline Bocara hatte sie entdeckt. Na ja, gute Miene zum bösen Spiel machen hieß die Parole, denn Pauline war eine ihrer besten und treuesten Kundinnen; kapriziös, steinreich und exzentrisch bis zum Exzess. Wie sah sie nur wieder aus! Der frech in die Stirn gezogene kleine, grüne Hut mit den überproportional langen Straußenfedern (kein Wunder, dass bei der Länge zwei bereits abgebrochen waren) auf dem zyklamroten Haar; dazu das in herrlichen Blau- und Grüntönen schimmernde Kleid.

      Aber der Schnitt! Mein Gott!

      Dazu trug Pauline grüne Chevreaulederstiefel mit zum Kleid passenden, blauen Applikationen. Und wie stets, war sie mit kostbarem Schmuck behängt wie ein Weihnachtsbaum. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch am Leben war, wo in dieser gewalttätigen, gierigen Welt schon für weniger als eine billige Uhr gemordet wurde. Das war Pauline, die schwatzhafte Intrigantin par excellence. Also Julia, auf in den Kampf und nicht gekniffen.

      „Hallo, Pauline! Welche Freude Sie zu sehen. Darf ich Ihnen meine Schwester Karla vorstellen? Karla, und das ist Madame Pauline Bocara, meine beste und treueste Kundin, eine exzellente Kunstkennerin“, säuselte Julia zuckersüß.

      Die beiden Frauen reichten sich die Hände. „Ach, Sie haben eine Schwester? Wie nett“, war Paulines magerer Kommentar. Sie hatte keine Zeit, brannte darauf ihre sensationelle Neuigkeit loszuwerden. Außerdem war ihr diese Karla mit den intelligenten, durchdringenden Augen und dem kühlen Lächeln auf Anhieb unsympathisch.

      „Gefallen Ihnen die Arbeiten des Künstlers?“, fragte Julia. „Wo ist er überhaupt? Ich habe ihn noch gar nicht zu Gesicht bekommen“, schleimte Julia so gekonnt, dass ihr fast schlecht wurde bei dem Gedanken an so viel Falschheit.

      „Ob mir die Bilder gefallen? Also wirklich, Julia! Sie sollten mich aber wirklich besser kennen. Diese ausgekotzten Farbtöne und diese deprimierenden Motive“, rief Pauline empört. Die sogenannte feine Gesellschaft drückte sich gern drastisch aus. Das war modern und schließlich konnte man sich ja fast alles erlauben, wenn man nur genügend Geld besaß. Schlimmstenfalls wurde man den Exzentrikern zugeordnet – und das war schick.

      „Diese sogenannten Kunstwerke sind ja noch schlimmer, als die Nachrichten im Fernsehen“, schrillte Pauline.

      „Kennen Sie den Künstler, Pauline?“

      „Natürlich kenne ich den Perversling. Er ist genauso widerlich wie seine Bilder.“

      „Wo ist er?“

      „Ich weiß es nicht. Vermutlich bumst er irgendjemanden. Sie können sich nicht vorstellen, was mir seine Freundin vorhin erzählte“, flüsterte Pauline verschwörerisch, und ihre tiefliegenden, mit schwarzem Kajal umrandeten Augen funkelten vor Sensationslust.

      „Was denn, Pauline?“, tat ihr Julia den Gefallen zu fragen.

      Karla verdrehte die Augen und seufzte innerlich. Sie hasste Klatsch!

      „Also gut, meine Liebe. Ihnen kann ich es ja anvertrauen, aber Sie müssen es für sich behalten, denn seine Freundin erzählte es mir im Vertrauen. Sie sagt, dieser Angeber Voltaire kann immer! Das hat mir seine Freundin Mijou gesagt. Stellen Sie sich das nur mal vor, Julia. Er pumpt an seinem Penis und dann hat er einen Ständer nach dem anderen. Manchmal macht er es ihr so häufig hintereinander, dass sie am nächsten Tag kaum laufen kann. Das hat sie wirklich gesagt.

      Aber natürlich ist das nicht normal! Voltaire hat sich seinen Schwanz operieren lassen. Ich glaube auf Mallorca. Ja, genau! Auf Mallorca war es. Mijou lernte ihn dort kennen, als sie in einer anderen Privatklinik einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließ. Die Klinik in der er war ist ein Geheimtipp für alles Mögliche. Zwar sehr teuer, doch absolut diskret“, sagte Pauline verschwörerisch.

      „Was haben Sie denn, meine Liebe?! Sie sind ja kreidebleich. Aber, aber, so schlimm ist das, was ich Ihnen erzählte, doch auch nicht. Sie sind ja ein Sensibelchen, Julia. Kommen Sie, nehmen Sie hiervon einen kräftigen Schluck, dann wird Ihnen gleich besser.“

      Pauline reichte Julia einen goldenen, mit Brillanten und Smaragden verzierten Flachmann.

      Nach einem herzhaften Schluck kehrte die Farbe in Julias Wangen zurück. „Mein Kreislauf. Die Luft hier“, murmelte sie.

      Pauline nickte verständnisvoll und verschwand. Mit Kranken wollte sie lieber nichts zu tun haben. Man wusste ja nie!

      „Mir ist schlecht“, murmelte Julia und erhob sich mit butterweichen Knien. „Ich fürchte, ich muss mich übergeben.“ Karla legte fürsorglich ihren Arm um Julias Schultern und führte sie zu den Waschräumen. Nachdem Julia die Tür hinter sich verriegelt hatte, setzte sie sich auf den mit Fell bezogenen Toilettendeckel.

      Rote Nebelschwaden waberten vor ihren Augen, und ihr Magen zog sich krampfhaft zusammen. „Diese verfluchte Gastritis“, stöhnte sie gequält. Sie erzitterte unter einem Anfall von Schüttelfrost der sich unvermittelt in glühende Hitze verwandelte. Ihr Innerstes schien zu verglühen; Atemnot überfiel sie. Stöhnend japste sie nach Luft.

      „Ist alles in Ordnung, Kleines?“, fragte Karla besorgt.

      „Es geht schon wieder“, flüsterte Julia.

      „Hast du mich verstanden, Liebes?“

      „Ich komme gleich“, erwiderte Julia dieses Mal lauter. Von einer Sekunde auf die andere vergingen die Kälte- und Hitzewallungen. Sie richtete sich auf und streifte das Zittern ab wie eine Schlangenhaut. Ruhe und Gelassenheit vertrieben den in ihr tobenden Aufruhr und beruhigten ihren angegriffenen Magen. Die Übelkeit verging und Julia atmete erleichtert auf. Sie strich sich übers Haar

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