Geh in die Wueste. Christine Jörg
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Gabi hatte sich verändert. Nachdem großen Besäufnis hatte der Arzt festgestellt, dass sie tatsächlich schwanger war. Stefan und sie heirateten binnen kurzer Zeit. Schließlich war es für die Beiden bereits vorher beschlossene Sache, dass sie nach Ende von Gabis Studium heiraten würden. Nun war es eben etwas früher.
Ruth wurde gebeten als Trauzeugin zu fungieren. Sie wehrte sich zwar und wollte der Hochzeit nicht beiwohnen. Es kostete Stefan und Gabi viel Mühe, sie trotz allem zu überreden. Und so wurde sie Gabis Trauzeugin.
Während der standesamtlichen Trauung waren die wenigen Hochzeitsgäste sehr glücklich und strahlend. Nur Ruth konnte an der Zeremonie keinen Gefallen finden und vergoss hie und da eine Träne. Gleich nach der Trauung verabschiedete sie sich und verließ die kleine Gesellschaft.
Gabi würde bis zum Ende des Sommersemesters in München wohnen. Für die Referendarzeit, die danach begann, wollte sie sich im Raum Neu Ulm bewerben. Stefan lebte bereits in der Nähe und dort wollten sich die Beiden niederlassen.
Problemlos würden die jungen Frauen Nachmieter für die Wohnung finden. Beide würden im Juli ihre Zelte in München abbrechen und getrennte Wege gehen.
Gabi war nun sittsam verheiratet. Sie ging nicht mehr viel aus. Ab und zu konnte sie Ruth dazu überreden mit ins Kino zu gehen. Wenn sie sie jedoch mit anderen Freunden zu einem Konzert oder Theaterstück schicken wollte, blockte Ruth störrisch ab.
*
Ende April erlitt Gabi eine Fehlgeburt. Die jungen Frauen machten sich Vorwürfe. Hatte das Besäufnis die Tragödie hervorgerufen? Gabi und Stefan hatten sich sehr auf das Baby gefreut und auch beruflich alles so weit eingeplant. Es war ein Tiefschlag. Vor allem Ruth fühlte sich mitschuldig. In ihrem Gram hatte sie auf die Freundin keine Rücksicht genommen und nur an sich gedacht. Wie sollte sie das wieder gutmachen?
Ruth vergrub sich vollkommen in ihren Büchern. Im Augenblick zählte nur noch das Studium. Außerdem wollte sie sich schon einmal auf ihre Arbeit als Referendarin an der Realschule in Lindau vorbereiten.
Nachdem sie Fernandos Abschiedsbrief bekommen hatte, wagte Ruth es nicht mehr zu ihren Eltern zu fahren. Wie sollte sie ihnen auch erklären, was vorgefallen war? Es war ihr peinlich, außerdem wusste sie, dass ihre Eltern Fernando ins Herz geschlossen hatten. Wie sollte sie ihnen erklären, dass es aus war? Auch hatte sie vor der Reaktion ihrer Eltern Angst. Bestimmt würden sie Ruth erklären, dass das absehbar war. Und von wegen, das hatten wir doch gleich gewusst und so weiter. So etwas wollte Ruth im Augenblick nicht hören.
Ruths Mutter kam jedes Jahr im Frühjahr für ein Wochenende nach München um mit ihrer Tochter durch die Stadt zu bummeln und vielleicht ein Theater oder Konzert zu besuchen. So auch in diesem Jahr.
Wie immer holte Ruth ihre Mutter vom Bahnhof ab. Sie fuhren mit der S-Bahn zur Wohnung und brachten das Gepäck in Sicherheit.
Gabi hielt sich während des Wochenendes bei Stefan auf. Also hatten die zwei Frauen sturmfreie Bude.
„Ich habe dir und Gabi Käse und Wurst mitgebracht“, sagte die Mutter, während sie die Tasche ausräumte und einen Rock mit Bluse auf den Bügel hängte, den Ruth ihrer reichte.
Während Frau Häberle nach dem Kleiderbügel griff, den ihre Tochter ihr zuschob, schaute sie Ruth prüfend an.
„Du bist dünn geworden“, stellte sie schließlich fest. „Überhaupt, du siehst gar nicht gut aus. Lernst du zu viel? Isst du zu wenig? Oder bist du krank?“ Man sah Frau Häberle an, wie sie sich Sorgen um das Wohl ihrer Tochter machte.
„Natürlich ist alles in Ordnung“, versuchte Ruth so munter wie nur möglich zu antworten.
Sie lächelte ihre Mutter sogar freundlich an. „Mama, du brauchst doch nichts mitbringen. Wir sind hier in München und bekommen alles.“ Dabei blickte sie in die Reisetasche der Mutter.
„Ja, aber trotzdem“, beharrte ihre Mutter. „So einen guten Käse wie im Allgäu kriegst du hier nicht.“ Sie bückte sich, holte das Paket mit Käse und Wurst aus der Tasche und drückte es ihrer Tochter in die Hand. Ruth trug alles in die Küche, verstaute das Paket unbesehen im Kühlschrank und kehrte ins Zimmer zurück.
Ruths Mutter stand mit einem Brief in der Hand da und wartete auf sie. Nun streckte sie ihn ihrer Tochter entgegen: „Übrigens, da sind Grüße für Fernando. Vielleicht kannst du sie ihm mit deinem Brief schicken. Er freut sich bestimmt.“
So, nun war es so weit. Jetzt musste sie ihrer Mutter reinen Wein einschenken. Der Moment vor dem sie sich so sehr gefürchtet hatte, war da. Wie sage ich es meiner Mutter? Deswegen hatte sie sich bis jetzt vor dem Geständnis gedrückt.
Zuerst sah Ruth sich suchend um, doch es war niemand da, der ihr helfen konnte. Immer noch zögerte sie. Ihre Mutter stand vor ihr und hielt ihr einen Brief entgegen, den sie gar nicht annehmen wollte. Sie wusste ja auch nicht, was sie damit sollte. Es war fast, als verlangte man von ihr, dass sie ein heißes Eisen anfasste. Ruth begann zu zittern.
Schließlich streckte sie langsam und zögernd ihre Hand aus und nahm den weißen Umschlag entgegen. Der wäre ihr beinahe entglitten.
Mit leiser, tränenerstickter Stimme sagte sie schließlich: „Mama, Fernando hat vor etwa sechs Wochen seine langjährige Verlobte geheiratet.“
Ihre Mutter wurde bleich. Sie ließ sich auf den Sessel fallen, der genau hinter ihr stand: „Was?“, war das Einzige, was sie dazu sagen konnte. Das Entsetzen war ihr ins Gesicht geschrieben.
„Hast du gewusst, dass er verlobt war?“, wollte sie nach einer Weile des Schweigens von Ruth wissen.
Diese schüttelte nur den Kopf. Sie konnte jetzt nicht sprechen. Eigentlich wollte sie das Zimmer verlassen, doch ihre Mutter hielt sie auf, in dem sie schnell nach Ruths Arm griff.
„Wie lange weißt du das jetzt?“, forschte Ruths Mutter nach.
Ruth zuckte mit den Schultern. „Etwa seit drei Wochen. Aber was ändert das?“
„Nichts“, gab die Mutter zurück. „Aber weshalb bist du dann nicht nach Hause gekommen.“
„Weil ich nicht hören wollte“, Ruth war aggressiv geworden, „wir haben dir doch gleich gesagt, mit dem Kerl stimmt was nicht. Besonders nachdem ihr ihn so hochgejubelt habt.“
Frau Häberle schaute ihre Tochter mit großen Augen erstaunt an und wehrte ab. „Das ist doch Quatsch.“
„Gar nichts ist das“, widersprach Ruth energisch und schaute ihre Mutter böse an. „Ich kenn euch doch. Mit eurem kleinbürgerlichen Gehabe.“
„Das stimmt überhaupt nicht“, nun war es an Frau Häberle verärgert zu sein. „Schließlich bist du unsere Tochter und wir müssen sehen, was am besten für dich ist.“
„Ja, ja, Mama“, sagte Ruth und nickte eifrig. „Passt schon. Komm lass uns essen gehen und danach bummeln, deswegen bist du doch gekommen.“
„Ich habe keine große Lust mehr“, Frau Häberle blieb auf dem Sessel sitzen.
Ruth