Wo du hingehst, will ich nicht hin!. Wilma Burk
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„Er klingt so bedrückt am Telefon. Bernd, dieser so genannte Partner von ihm, ist erkrankt. So richtig will er nicht mit der Sprache heraus, woran er erkrankt ist, aber es muss ernst sein. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich mir da meine Gedanken mache. In diesen homosexuellen Kreisen weiß man doch nie…“, teilte sie mir ihre Sorgen mit.
„Doch nicht bei Bernd und Klaus. Die beiden sind so fest miteinander verbunden wie ein Ehepaar. Bernd, siebzehn Jahre älter, hat immer gut auf Klaus aufgepasst. Ich kann mir nicht vorstellen, was die beiden trennen sollte oder wer von ihnen eine Dummheit machen könnte“, überlegte ich.
„Das sagt Karl-Heinz auch. Trotzdem mache ich mir Sorgen. Man hört jetzt so viel über Aids.“
„Warum denkst du gleich daran? Es gibt alle möglichen ernsten Erkrankungen, die Bernd haben könnte und worum Klaus sich sorgen kann.“
„Und warum sagt er mir das nicht?“
Einer Mutter ihre Sorgen ausreden zu wollen, war nicht so einfach.
Dann wechselte sie das Thema. „Komm mit! Wir gehen nach oben. Du musst dir unbedingt ansehen, was Regina aus Omis Wohnung gemacht hat.“
Wir gingen die Treppe hinauf, an der ersten Etage vorbei, hoch zu Mamas kleiner Mansardenwohnung im Dach. Nach ihrem Tod hatten Traudel und Karl-Heinz die Wohnung zuerst vermietet. Nachdem jedoch vor Kurzem der Mieter aus der Mansardenwohnung ausgezogen war, zeigte Regina Interesse daran.
„Es wird höchste Zeit, dass ich mich selbständig mache. Andere haben das mit Einundzwanzig längst getan“, hatte sie gesagt.
Traudel fand es zwar unvernünftig, da dann drei ehemalige Kinderzimmer bei ihnen im Erdgeschoss leer standen, doch verstehen konnte sie es auch.
Als wir die steile Treppe nach oben gingen, musste ich daran denken, wie stolz mich Mama hier zum ersten Mal hinaufgeführt hatte, nachdem sie aus Berlin hergezogen war, um für Traudel die Kinder großzuziehen. Und eben diese Treppe war sie noch im hohen Alter tagtäglich auf und ab gelaufen, obgleich ihr schon sehr die Beine schmerzten. Zu meiner Überraschung fand ich im Wohnzimmer noch den alten Wohnzimmerschrank vor, den sich Mama und Papa einmal angeschafften, als sie geheiratet hatten. Dass Regina den behielt.
„Davon trennt sie sich nicht“, erklärte Traudel. „Irgendein altes Stück zu haben, scheint heute bei den jungen Leuten beliebt zu sein. Wenn ich so sehe, was da vom Flohmarkt manchmal weggetragen wird. Bei uns wäre das in den Müll geworfen worden.“
Doch dies war das einzige alte Möbelstück im Wohnzimmer. Ansonsten gab es Stühle mit bizarren Lehnen, jede Menge Polsterkissen auf dem Fußboden und in der Mitte einen ovalen Tisch. Auf dem kleinen Balkon im Dach stand eine Liege und in den Blumenkästen blühten Geranien wie bei Mama. Im Schlafzimmer gab es neben einem Garderobenschrank und einem Polsterbett Bücherregale, die vom Boden bis zur Decke reichten. Regina war eine Leseratte. In der kleinen Küche fand ich dann wieder Spuren von Mama. Da hing noch die alte Kaffeemühle an der Wand. Auf dem Tisch stand ihr altes Brotkörbchen und auf einem Paneel standen in Reih und Glied, die alten Metzen für Zucker, Mehl, Hülsenfrüchte, Reis und mehr. Auch Mama hatte die schon von unserer Großmutter geerbt.
„Dass Regina dafür Sinn hat“, wunderte ich mich.
„So kontrastreich wie sich die jungen Leute heute einrichten, so kontrastreich kommen sie mir manchmal auch vor“, erklärte Traudel, ging noch einmal ins Wohnzimmer und wies auf den kleinen Schreibtisch mit einem Computer. „Eben hat sie einen Kursus für Buchhaltung beendet. Und nun sieh dir das an! Hier liegen schon wieder andere Lehrbücher herum. Sie hofft wohl, bald ihren Kfz-Meister machen zu können.“
Julchen schnüffelte in allen Ecken, es roch nach Regina, doch wo war sie? Als wir wieder hinunter zur Terrasse gingen, nahm ich Julchen lieber auf den Arm und trug sie wegen ihrer kurzen Beine die steile Treppe hinab.
„So arbeitet Regina also mit Fleiß daran, einmal alles zu übernehmen, was ihr hier aufgebaut habt“, sagte ich, als wir uns wieder auf die Terrasse gesetzt hatten.
„Ja. Dank sei der Emanzipation! Ein Mädchen als Kfz-Mechaniker, das wäre früher ausgeschlossen gewesen. Denke nur mal daran, was du noch geworden bist, eine Stenotypistin, ein typischer Frauenberuf. Über ein Büro konntest du nie hinauskommen. Und Regina wird einmal nicht nur eine Werkstatt leiten.“
„Und doch bleibt sie eine Frau, wird heiraten und Kinder bekommen …“
,,Ja, sicher!“
„Meinst du nicht, es könnte dann Probleme geben?“
„Ach, was! Das findet sich. Ist doch bei uns auch gegangen“, reagierte Traudel abwehrend.
„Mit Hilfe von Mama, die sich um die Kinder gekümmert hat“, erinnerte ich sie. „Das half euch, es zu schaffen. Susanne dagegen hat es damit ohne Mama viel schwerer.“
„Das stimmt zwar, trotzdem hoffe ich, dass Susanne nicht alles aufgibt und mit Robert herkommt. Auch wenn Robert als Oberarzt vielleicht gut verdienen würde, besser ist es, wenn sie von ihm unabhängig bleibt.“
„Ist der Preis nicht ein bisschen hoch, den sie bis jetzt bereits für ihre Unabhängigkeit bezahlt hat, so gehetzt wie sie immer ist? Und haben die Kinder nicht mitbezahlt, wenn sie herumgeschoben wurden, weil Susanne und Robert zu oft nicht wussten, wo sie die Kinder lassen sollten? Sie waren ihnen ja bei ihren beruflichen Anforderungen fast im Weg.“
„Susanne hat immer einen Ausweg gefunden ...“
„Weil Margot einspringen konnte. Sie hat Zeit für alle drei gehabt“, unterbrach ich sie, obgleich ich sah, wie sich eine ungeduldige Falte auf Traudels Stirn bildete.
„Es kam nicht nur auf Margot an!“, widersprach sie mir sofort. „Schließlich gibt es Kindergärten. Außerdem werden Kinder frühzeitig viel selbständiger, wenn sie sich unter anderen Kindern zu behaupten lernen.“
„Ein Gärtner stützt einen jungen Baum, bis er kräftig genug ist, gerade und allein ...“
„Oder er verbiegt ihn dabei! Was soll der Vergleich?“, fuhr sie mir ins Wort.
„Ich will damit sagen, ob Kind oder junger Baum, sie sollten gestützt werden, bis sie stark genug sind, allein zu stehen und sich nicht mehr jedem Wind beugen zu müssen“, fuhr ich unbeirrt fort.
„Und diese Stütze kann nur die Mutter sein? Das ist Unfug! Nur durch Erfahrung wird ein Mensch klug. Was soll falsch daran sein, wenn ein Kind frühzeitig lernt, wie es sich in einer Gemeinschaft, z. B. Kindergarten, durchsetzen kann?“
„Und was ist mit denen, die dies nicht schaffen? Wie hilflos und verlassen müssen sie sich ohne die Mutter fühlen.“
„Wer zuviel Schutz erfährt, wird unselbständig“, tat Traudel es ab.
„Und deine drei? Sind sie nicht besonders beschützt von ihrer Großmutter aufgewachsen? Und sie behütete Kinder noch so, wie sie es von der Generation vor ihr gelernt hatte, so, wie auch wir in ihrem Schutz groß geworden sind.“
„Na, eben, war das nicht manchmal überbehütet?“
„Wenn