Rückstoß. Timo Körner

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Rückstoß - Timo Körner

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aber ich konnte mich dort unbemerkt, fast unsichtbar hindurch bewegen. Es machte mir immer großen Spaß, andere zu beobachten, während sie sich unbeobachtet fühlten. Erst wenn sich Menschen wirklich unbeobachtet fühlen, kommen die wahren, finsteren, menschlichen Abgründe an den Tag.

      Sicherlich macht jeder Mensch im Laufe seines Lebens einmal einen blöden Fehler oder trifft die eine oder andere falsche Entscheidung, aber meine Beobachtungen hatten mich gelehrt, dass es durchaus Menschen gab, die von Grund auf bösartig waren und die bewusst immer und immer wieder die falschen Entscheidungen trafen. Sei es, weil sie sich immer wieder vor anderen profilieren mussten, oder weil es ihnen in irgendeiner Form Vorteile oder gar Profit brachte, oder weil es ihnen ganz einfach Spaß machte, wenn sich andere Individuen durch sie physisch oder psychisch schlecht fühlten.

      Im Laufe der Zeit schärften sich meine Sinne und spezialisierten sich immer mehr darauf, Menschen solcher Art schon nach kurzen Momenten zu erkennen.

      Mir war nicht klar, warum ich das tat und warum es mich so sehr reizte, aber ich lebte es mit Genuss, wenn sich meine Annahmen bezüglich des Verhaltens bestimmter Menschen mit einer Trefferquote von nahezu einhundert Prozent bestätigten. Dass sich meine Annahmen bestätigten, wusste ich durch Beobachtung und Verfolgung der jeweiligen Personen.

      Häuptling

      Im Grunde betrieb ich dieses Tarnen, Beobachten und Verfolgen nur als eine Art Training und zum Zeitvertreib, bis zu jenem schicksalhaften Tag an dem ich mal wieder ein „Trainingsobjekt“ mit seinen „Freunden“ beobachtete.

      Diese Freunde hatten ihre Köpfe bis zum Anschlag in dem Hintern ihres „Häuptlings“. Er war so ein Kandidat der menschlich verkörperten Bösartigkeit. Vor meinem Miethochhaus fuhr er mit seinem protzigen schwarzen Mercedes vor und stellte ihn auf dem großen Wendeplatz ab. Ich sah diese Typen nicht zum ersten Mal und ich bemerkte schnell, wer der Alpha-Mann war und wie dunkel seine Seele war. Er selbst hatte leicht braune Haut, schwarze Haare und eine sportliche Statur von zirka einen Meter achtzig Größe. Wir hatten gerade Frühsommer, sodass aus seinem weißen T-Shirt seine recht muskulösen Arme herausragten. Auf beiden Unterarmen waren Schriftzüge tätowiert, die ich aber aus dieser Entfernung nicht lesen konnte. Er trug eine goldene Halskette mit starken Gliedern und einem Dollarzeichen als Anhänger. Sah schon etwas lächerlich aus, er war aber trotzdem keine Person, mit der man sich anlegen möchte. Er sprach die Sprache dieses Landes akzentfrei, sodass ich annahm, dass er hier geboren war. Von seinen beiden Lakaien ordnete ich den einen der gleichen Abstammung zu, ebenfalls dunkle Haut und schwarzes Haar, kurz geschoren. Den Zweiten hatte ich auf einen Meter neunzig geschätzt, aber etwas schlanker, nicht so sportlich-kräftig, wie die beiden Braunen. Seine dunkelblonden Haare waren allerdings genau so kurz geschoren, wie bei Häuptling und seinem anderen Lakaien.

      Die drei Gangster bewegten sich von dem Mercedes ihres „Häuptlings“ weg, zu einem nahegelegenen, von einer Wiese umgebenen Spielplatz, hinter einem der nahe beieinanderstehenden, hohen Plattenbauten. Der Spielplatz war von den Häusern aus nur schlecht einzusehen, weil er von hohen Büschen und einigen Bäumen umgeben war. Ich folgte den drei Herren, die alle im Alter von Anfang zwanzig waren, zu einer Stelle an der ich sie beobachten konnte, sie mich aber nicht wahrnehmen konnten. Ich lehnte mich an einen Baum, dessen Umfang mich gut verdeckte und verfolgte das Tun der drei.

      Sie saßen einfach nur auf einer der Bänke, die um den Spielplatz herum aufgebaut waren und rauchten einige Zigaretten und später einen Joint. Es fing an, mich zu langweilen, sie zu beobachten und wollte der Situation gerade den Rücken kehren, als der Häuptling einen etwa zehn jährigen Jungen zu sich rief, der voller Stolz und Freude mit einem kleinen Beagle-Welpen an der Leine in der Nähe des Spielplatzes herumspazierte. Der Junge ging zögerlich zu den dreien herüber.

      Der Häuptling stellte sich hin und fragte den Jungen, wie der Hund hieß. Noch bevor der Junge antworten konnte, holte Häuptling sein rechtes Bein aus und gab dem Welpen einen unglaublich harten Tritt. Der kleine Hund flog empor und wurde erst durch die Leine abgestoppt, die sich zwischen seinem Halsband und dem Handgelenk des kleinen Jungen befand. Der kleine Hund fiel zu Boden und blieb reglos liegen. Für mich war klar, dass er tot war. Der kleine Junge blieb mit offen Mund, wie erstarrt stehen und blickte auf seinen kleinen Hund. Kreidebleich rannte er zu dem Hund und trug ihn weinend fort. Die drei Halbaffen lachten laut, während Häuptling dem Jungen noch hinterherrief, dass Hunde auf Spielplätzen nicht erwünscht wären. Ich hörte den Jungen laut weinen, während er mit dem kleinen Hund auf dem Arm nach Hause rannte. Mir stockte der Atem. Ich befand mich selber in einer Art Schockzustand, weil ich mit so einer Kaltblütigkeit nicht gerechnet hatte. Nicht von einem Moment auf den anderen. Ich spürte einen starken Schmerz, der durch meinen gesamten Körper fuhr. Ich erinnere mich noch heute genau daran, dass das der Moment war, der alles verändert hat. Dieser Moment sollte mein Leben von Grund auf in eine andere Bahn leiten.

      Die Gutmenschen unter Ihnen, liebe Leser, hätten jetzt wahrscheinlich nach Begründungen gesucht, warum der Häuptling das getan hatte, was er tat. Vielleicht hatte er ja eine schwierige Kindheit oder seine Eltern waren schuld an seinem Werdegang. Mir war es und ist es egal, welchen Weg jemand in seinem Leben gegangen ist. Der normale Menschenverstand kann, auch ohne tiefgründige Ausbildung spüren, was gut oder schlecht ist. Und das, was der Häuptling tat, war von Grund auf schlecht. Nicht nur schlecht dem armen kleinen Tierkind gegenüber, sondern auch der Seele des kleinen Jungen gegenüber.

      Mir war klar, was ich zu tun hatte. Für so einen Menschen ist auf unserem Planeten kein Platz und doch ist unsere Welt voll von diesen Individuen.

      Dass ich kein Gott bin, war mir klar und ich sah es auch nicht als „Gott spielen“ an, was ich seitdem tat. Ich versuchte nur, das kleine Stück Welt, in dem ich Einfluss nehmen konnte, von gesellschaftlichem Unrat und Makulatur, wie es dieser Häuptling von den Dreien darstellte, zu befreien.

      Ich bereitete mich vor. Ich notierte jedes Mal, wann und wo ich den schwarzen Mercedes des Häuptlings sah und wie lange er dort verblieb wo und wem er etwas Gras oder Kokain verkaufte. Nach etwa vier Wochen hatte ich eine sehr genaue Struktur notiert, wann und wo ich Häuptling alleine und unbeobachtet antreffen würde. Diese Struktur prägte ich mir ein, sodass ich sie im Kopf hatte.

      So suchte ich in der Struktur nach einem Ort, an dem ich mir den Häuptling in aller Ruhe vornehmen konnte und kam relativ schnell auf einen alten Luftschutzbunker im nächsten Stadtviertel, welcher früher oft von Musikgruppen als Proberaum benutzt wurde, jedoch bereits seit Langem ungenutzt war. Das verriet mir die dicke Rostschicht, die sich am Schlüsselloch des Vorhängeschlosses befand, welches die Tür des Bunkers sicherte. Das Vorhängeschloss war mit einem Bolzenschneider, den ich neben einem Tapeziertisch, einem Baustrahler und drei Eimern, auf einer nahegelegenen Baustelle mitgehen ließ, schnell geknackt.

      Nachdem ich einige Sicherungen wieder einschaltete, war eine schwache Beleuchtung vorhanden. Ich sah mich in dem Bunker um. Es war ein finsteres Gebäude mit Wänden, die größtenteils noch immer weiß waren. Hier und dort waren schwarze Schimmelflecken in den Ecken zu finden. Einige Wände hatten durch die Bands, die im Laufe der Jahre durch die Räumlichkeiten gingen, verschiedenste Graffiti geerntet.

      Nach dem Eingang stand man in einem kleinen Foyer, von dem zwei Korridore fortführten. Ein Korridor nach links bis an die linke Außenwand des Bunkers und ein Korridor nach rechts bis an die rechte Außenwand des Bunkers. Von den Korridoren, die jeweils etwa hundertfünfzig Meter lang waren, führten unzählige kleine Räume ab. Einer nach dem anderen, Raum an Raum. In der zweiten Etage war diese Korridor-Raum-Anordnung dieselbe. Im zweiten Weltkrieg mussten in diesen Bunkern, im Falle von Luftangriffen, sehr viele Menschen Zuflucht finden. Durch die starken, massiven Wände drang kein Ton draußen hinein, woraus ich schlussfolgerte, dass auch kein Geräusch von drinnen heraus gelangte.

      Perfekt!

      Das

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