Licht am Ende vom Filz. Julianne Becker
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Es war Mai geworden und in Ermangelung eines Besuches meiner Kinder beschloss ich, mir selbst Blumen zu Muttertag zu schenken. Isis kam ätherisch mit mir zum Blumenladen und suchte sich zwei kleine bepflanzte Schalen aus, die wollte sie unbedingt rechts und links neben sich auf dem Altar stehen haben. Mein Argument, die würden dort mangels Licht sicher eingehen, traf dabei auf taube Ohren - und die Pflanzen gingen auch später nicht ein. Schließlich fiel mein Blick auf einen spiralig gedrehten Bambusstab, und das war's: Nach dem hatte die Göttin wohl gesucht, ich spürte ihre plötzliche Zufriedenheit, ihn wollte sie in der Hand halten. Und mir selbst kaufte ich einen großen Blumenstrauß, nach all diesen anstrengenden Monaten hatte ich mir den verdient. Es war auch ganz genau ein Jahr vergangen, seit der Bauer mir die Wolle geschenkt hatte und das Abenteuer mit den Lichtfilzlingen begann.
Am Muttertag selbst saß ich schon morgens ganz lange und glücklich meditierend vor dem Altar. Ich musste einfach immer wieder dieses schöne und harmonische Arrangement bewundern. Die Blumenschalen und der spiralige Krummstab passten wirklich perfekt zur Göttin. Und erst da fiel mir auf, was Muttertag auch bedeuten konnte: Ich feierte den Tag der Großen Mutter! Und bei dieser Erkenntnis öffnete sich etwas in mir zu einer großen emotionalen Weite und in unendlicher Dankbarkeit umarmte ich die ganze Schöpfung.
Da fiel mir Lady Africa wieder ein und ich dachte an die Woche nach meinem Geburtstag, wo die afrikanische Dame darauf bestanden hatte, auf gleicher Augenhöhe mit der im Rohbau fertigen Göttin Isis zu sitzen. Warum bestand die Puppe damals so sehr darauf? Vielleicht war da überhaupt keine Arroganz im Spiel, wie ich erst vermutet hatte, denn der Charakter der Puppe blieb mir ja sehr suspekt. Wollte Lady Africa mich auf etwas anderes aufmerksam machen? Und da erst erkannte ich, worauf die Puppe mich vor Monaten schon hatte hinweisen wollen: Dass sie, die Lady Africa, ebenfalls die Göttin repräsentierte, nur eben in der geschichtlich älteren, archaischen Ausprägung. Isis und Lady Africa gehörten zusammen.
Und wenn man es genau nahm, bildeten sie auch die extremen Ausprägungen weiblicher Schönheit. Kein Wunder, dass ich diese drallen weiblichen Formen genauso liebte wie die schlanken, ja eigentlich liebte ich alle Körperformen, und das bei Männern und Frauen. Das wurde mir nun erst bewusst und hatte sich gegenüber früher offenbar radikal verändert. Vielleicht erlaubte ich nun einfach nur nicht mehr, dass eine körperliche Erscheinung mich von der Wahrnehmung der menschlichen Essenz darin hinderte.
Menschen, die nach objektivem Standard schön genannt wurden, kamen mir nun manchmal sogar schon eher wie gemachte Puppen vor, ich konnte deren Essenz oft kaum noch wahrnehmen, die schienen irgendwie klinisch viel "sauberer" zu sein. Das also lernte ich von meinen Göttinnen. Und dass diese schwarze Puppe auch das Licht der Göttin hielt, hätte mir eigentlich schon bei dem Namen auffallen müssen, den die Indigos meiner Puppe gegeben hatten. "Big Mama" hieß doch "Große Mutter" und das war auch die ursprüngliche Anrede der Göttin, bevor jede Kultur ihr einen anderen Namen gab.
Die Trommeltrance
Bettina hatte nicht nur meine Lady Africa gekauft, nein, sie war auch sonst so begeistert von den Lichtfilzlingen und deren Talenten, dass sie mit der Idee an mich herantrat, ich solle ihrer zweiten Trommel-Gruppe ein passendes Maskottchen channeln und das wurde, wie wir bereits wissen, eine Eidechse. Allerdings konnten sich dann nur drei Mitglieder der Gruppe mit der Bestellung anfreunden und so stand die bunte Eidechse mit den vielen Ornamenten auf dem Rücken am Ende nur für die Zusammenarbeit der drei, aber das stellte sich erst Wochen später heraus.
Ich kannte natürlich nur den Anfängerkurs und wollte bei einer Trommelsession der Profis dabei sein, wollte mich einfühlen und die Gruppe kennen lernen, um genau die richtige Tierfigur für sie entwerfen zu können, so dachte ich wenigstens damals, als wäre ich nicht schon oft eines Besseren belehrt worden. Nun, auf jeden Fall wollte ich mich ganz auf die Gruppe einstellen und es so richtig gut machen, es stimmte so.
Bettina hatte ihre Idee der Gruppe vorgetragen und mich dann eingeladen. Ich war pünktlich und freute mich schon sehr darauf. Meine Lady Afrika saß auf einem Kissen direkt neben Bettina und ich nahm auf der anderen Seite der Puppe Platz und öffnete mich der Inspiration für einen passenden Lichtfilzling. Die Gruppe trommelte sich erst einmal ein. Ich liebe diesen improvisierten Trommelsound und genoss das Konzert.
Als es sich dann nach der Pause in eine längere Trommel-Improvisation steigerte, ließ ich mich von den Trommelschlägen davontragen und glitt in eine traum-ähnliche Trance. Und da sah ich Lady Africa, die echte Frau hinter der Puppe, in einer Runde von trommelnden schwarzen Frauen sitzen. Und dann erschien mir noch einmal meine eigene Inkarnation, in der ich das Wissen um die Puppen nach Afrika gebracht und diese Menschen angeleitet hatte, magisch mit Puppen zu arbeiten. Und dann verschmolzen beide „Filme“ zu einem und ich war selbst Lady Africa. Nach meinem Tod bereute ich meine Aktion und fühlte mich verantwortlich dafür, dass meine Magie in falsche Hände fiel und später solche Auswüchse (Duduu) angenommen hatte, denn ich nahm hellsichtig auch alle Konsequenzen über die nächsten Jahrhunderte wahr.
Und dann wechselte die Szene wieder und ich sah einige der Frauen im Kreis sitzen, die ich aus dem jetzigen Leben kannte: Manuela, Barbara, Bettina, also genau die, die von der Puppe auch so besonders berührt wurden. Ich sah nur Frauen, Männer hatten damals und in dieser Runde nichts zu sagen. Und in dieser Runde berieten wir, wie wir auf die Veränderungen reagieren sollten, denn das Patriarchat klopfte mit aller Macht an unsere Türen. Eine Invasion stand bevor. Die Szene verschwand.
Nun befand ich mich über Afrika, aber ich flog so hoch oben über dem Kontinent, dass ich ihn vom Weltall aus als Ganzes erkennen konnte. Und schon verwandelte sich der ganze Kontinent Afrika in ein Sprungtuch in Form seiner Umrisse und um das Sprungtuch herum sah ich lauter Lichtfilzlinge sitzen, die es festhielten, nur Lady Africa flog neben mir und leitete alle Lichtfilzlinge an, das Sprungtuch zu halten.
Dieses Bild verschwand auch wieder und diesmal flog ich mit meiner Mama Africa ganz dicht über den Boden dahin und wir befreiten die Geister aus den Puppenkörpern, die da seit Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten gefangen waren, wir zogen alle Nadeln aus den Puppenkörpern heraus und hoben den Bann auf, der sie an bestimmte Menschen und ihren Fluch oder die magische Beschwörung band. Zum großen Teil waren diese Menschen schon gestorben, für die der Zauber ursprünglich gewirkt wurde oder die ihn erschaffen hatten, und die Geister saßen immer noch in den Puppenkörpern fest und litten entsetzlich.
Ich nahm drei verschiedene Reaktionen auf unsere Befreiungsaktion wahr: Ein Teil der befreiten Geister kam zu mir, weil sie Vertrauen fanden, und ich schickte sie ins Licht und zu ihren eigenen Ebenen zurück. Einen anderen Teil der Geister konnte nichts dazu bewegen, die Puppenkörper zu verlassen, sie saßen verängstigt da und so übergab ich sie der Obhut der Lady Africa, um mit der Zeit doch noch den Mut zu finden, in die Freiheit zu gehen. Und ein dritter Teil berührte mich besonders: Diese Geister waren kaum befreit, als sie begannen, nach den Menschen in ihrer heutigen Inkarnation zu suchen, die sie da in einem anderen Leben hinein gebannt hatten. Nun wollten die Geister ihnen helfen, sich aus den Irrwegen von Duduu zu befreien.
Wieder flogen ich mit Lady Africa weiter, diesmal begleitet von allen Lichtfilzlingen, die hatten das Sprungtuch losgelassen und zusammen spürten wir nun Puppen, Teddybären und andere Spielfiguren an vielen Orten auf und befreiten die Geister, die ungeliebt von besseren Zeiten träumten. Wir gaben ihnen Liebe und boten ihnen den Weg ins Licht und die Rückkehr zu ihren Ebenen an.
Langsam ebbte das Trommelkonzert ab und trug mich in einem schönen Ausklang aus der Trance zurück in den Raum. Erst jetzt merkte ich, wie sehr mich das Erlebte von ganzem Herzen