wie Hulle. Peter Baldinger
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Vier Rocker fetzten an. Völlig ohne ersichtlichen Grund packte einer von ihnen Yogi an seinen dünnen Haaren und schüttelte ihn und schleifte ihn daran über die Wiese. Die anderen passten auf, dass Tobias und ich gar nicht erst aufstanden. Yogi jaulte auf vor Schmerzen und da hatte der Kerl ihm ein großes Haarbüschel ausgerissen, das er in den Tümpel warf, wo es wie blondes Entennest umhertrieb. Dann machten sie sich vom Acker.
Yogi wimmerte. Ein Viertel seiner Haare fehlte. Er ließ sich nicht davon abbringen, die Bullen zu holen. Also suchten wir eine Telefonzelle.
Als zwei Polizisten kamen, machten sie nichts weiter, als einen Krankenwagen zu rufen.
Die Erstehilfeleute des Krankenwagens wiederum packten Yogi ein und düsten los. Die zwei Polizisten wollten dann noch alles ganz genau wissen, kritzelten was in ein Büchlein und entließen uns.
Tobias und ich stiegen auf unsere Räder und rasten wortlos zur Pennerbank. Da saßen Bonzo und Kretsch. Denen erzählten wir, was passiert war und Bonzo schlug wütend den Hals einer Weinflasche ab und Tobias und ich schütteten das Zeug auf Ex in uns rein. (Kostete mich starke Überwindung, wegen meiner Glasscherben-Phobie.) Kretsch erhob sich, öffnete wie selbstverständlich seinen Hosenladen inmitten der Mütter und ihrer am Wasser spielenden Kinder und pisste in den Brunnen. Schimpfend räumten sie das Feld.
Tobias und ich zischten zu Tobias, der sturmfreie Bude hatte. Wir knallten die Heimorgel bis zum Anschlag hoch und ‚rockten‘ - dazu Ananastee und geglotzt.
Nachts ins ‚Apollo‘ Kino gedüst und zu Pasolinis ‚120 Tage von Sodom‘ gebechert.
Hinterher völlig ausgerastet. Durch die Stadt bis zur Eilenriede getobt. Noch mehr gesoffen. Mitten auf die Straße gelegt. Leute angeschrien. Barrikaden errichtet.
Dann war totale Ruhe.
Meschan, Shorty, Kretsch und ich jockelten abends in einem ‚geliehenen‘ VW-Bus los nach Köln. Schnell waren alle gefährlich betrunken. Auf einem Autobahnparkplatz schliefen wir dann. Wir mussten alle drinnen schlafen, weil es arschkalt war. Das stank mächtig.
Am nächsten Morgen in Köln, das Wetter war für Juni wirklich säuisch, kauften wir als erstes einen Kasten Bier, mit dem wir den Kölner Dom besichtigten. Gut angetörnt hatten wir unseren Spaß mit den Besuchern des Doms. Nach ein paar Warnungen hatten die Domheiligen die Schnauze voll von uns und warfen uns raus.
Wir hatten vor, bei einem Open Air Konzert, bei dem ‚Genesis‘ als Hauptgruppe spielen sollte, umsonst reinzukommen. Es fand in einem Radrennstadion statt. ‚Manfred Manns Earth Band‘ spielte zuerst. Wir lungerten auf dem Parkplatz rum (es hatte endlich aufgehört zu schiffen) und hatten den dritten Kasten in Arbeit und ich war reichlich blau, wenn nicht sternhagelvoll. ‚Manfred Mann‘ war mäßig und ‚Gentle Gaint‘, für die ich vielleicht sogar bezahlt hätte, fielen aus.
Mein Alter hatte mir aus seinem Amt Fraß aus Bundeswehrbeständen besorgt. Das Zeug würgte ich mir rein. Dann zechte ich mit den Jungs weiter. Aber schnell wurde mir kotzschlecht und ich verbrachte den Nachmittag in den Büschen.
Als ‚Genesis‘ anfing, wurden die Tore aufgemacht. Das war natürlich superdufte. Besoffen wie ich war, verlor ich Meschan, Shorty und Kretsch im Getümmel. Ich setzte mich ganz oben in das Stadion. Die Musik war astrein - ein spirituelles Erlebnis. Die Sterne am Himmel, die Lightshow und das Lichtermeer aus Feuerzeugen und Wunderkerzen - echt toff.
Im Morgengrauen erwachte ich wieder auf dem Autobahnparkplatz. Als wär‘ ich gar nicht in Köln gewesen. Null Erinnerung daran, wie ich die anderen wiedergefunden hatte und wie wir hierher gefahren waren. Die anderen ratzten. Es stank bestialisch. Meine Knie waren ganz weich, der Magen rebellierte und mein Herz jagte. Ich kletterte umständlich raus und schlug die Schiebetür zu.
Hinter dem Parkplatz war ein kleiner, schwarzer See. Es fing gerade an zu dämmern und dicke Nebelschwaden krochen aus dem Wasser. Ich trabte los, um den Schüttelfrost loszuwerden, steigerte mich rein und rannte schließlich, bis mein Körper taub wurde.
Als ich um den See rum war, wachten auch die anderen auf. Wir würgten uns ein Bier rein und düsten zurück.
„Ihr müsst unbedingt mal kommen und den Eierlikör meiner Mutter probieren. Sie macht den besten Eierlikör der Welt“, hatte Astrid aus meiner Klasse versprochen und einen Schmollmund gezogen. Ihre Zottelhaare bis über die Ohren waren auch sehr knuffig.
Da Sommerferien waren, holten Tobias und ich sie in einem Zentrum für geistig Behinderte ab, in dem sie jobbte. Die Behinderten, die sie betreute, mussten im Akkord Plastikdeckel von hinten in leere Füllerpatronen stöpseln, was irgendwie fies wirkte.
Astrid führte uns in die Kantine und wir mampften schrottiges Schnitzel. Danach ging‘s mit der Bahn nach Döhren zu Astrid nach Hause.
Wir quetschten uns auf eine harte Eckbank in der Küche. In den hellen Sonnenstrahlkegeln wehte nur ein ganz klein bisschen Staub. Martin, der ja auch in meiner Klasse war, kam auch. Er wohnte gleich um die Ecke, sonst hätte er es bestimmt nie geschafft zu kommen. Wie konnte er nur Hawaiihemd tragen - würg!
Die quirlige Mutter setzte uns den Eierlikör vor. Sie hatte hunderte Liter von dem Zeug in der Badewanne gepanscht. Ein altes Rezept von der Oma und so weiter, mit echter Vanille und echten Eiern. Aber ganz lecker, knallte auch ganz dufte. Aber sie fragte uns blödes Zeug über die Schule und was wir mal werden wollten und so. Das nervte richtig, weil wir so nicht mit Astrid flirten konnten.
Deshalb haute Tobias ganz plötzlich ab. Hätt‘ er mich ja mal mitnehmen können! So musste ich anstandshalber noch ne halbe Stunde länger bleiben. Dann fetzte ich aber auch los. Martin blieb noch, weil er nichts gegen Mütter hatte - der Arme.
Nachts, ich hatte schon gepennt, klingelte es Sturm. Es war zwei Uhr. Muttern kam aus dem Schlafzimmer vor und fragte wütend: „Was ist das denn?“
Woher sollte ich das denn wissen? Ich sah aus dem Fenster nach unten. Tobias - er schwankte im Stehen. Ich bediente den Summer und versuchte Muttern zu beruhigen.
„Also, so was! Seid wenigstens leise“, stöhnte sie und ging wieder ins Bett.
Tobias‘ Kleider waren triefend nass.
„Ich war in den Kiesteichen baden“, rief er belustigt.
„Schscht“, fauchte ich, „nicht so laut.“
„Das war affengeil. Alleine und das viele schwarze Wasser um mich, richtig irre“, sagte er etwas leiser.
„Eierlikör oder Bier?“ fragte ich ihn.
„Bier“, sagte er und wir prusteten, weil uns der Eierlikör zu den Ohren heraushing.
Ich legte von ‚Peter Hammill‘ ‚Over‘ auf, aber nur ganz leise.
„Warst du bis jetzt unterwegs?“
„Klar. Von Astrid bin ich zu Carmen. Ihre Freundin war auch da. Die ist auch ne prima Millie. Wir haben Wein und Bier getrunken. Dann sind Carmen und ich in die Eilenriede gezischt. Da haben wir einen wegen Reparaturen in Holz eingepackten Brunnen gefunden. Konnte man von oben reinklettern. Haben wir gemacht. Wir konnten uns nicht sehen - nur fühlen. Die Hände sind gewandert.