wie Hulle. Peter Baldinger
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Es waren Sommerferien und Tobias und ich fanden alles total öde. Alle waren verreist. Auch Tobias Eltern! Der einzige Lichtblick.
Schon ab 11 brieten wir bei ihm auf dem Balkon in der Sonne. Zwischendurch zischten wir Cola.
Nachmittags mampften wir Ravioli mit Tabasco und radelten zu ‚Boots‘ einem neuen Plattenladen. Ich kaufte mir eine Scheibe von ‚Birth Control‘ und eine von ‚Gentle Giant‘.
Wir machten Halt im ‚Maulwurf‘, einer Drogenkneipe in der Lavesallee. Dröge Pinte, Musik von den ‚Doors‘, olle Holztische, Kerzen, hellgelbe Wände, wirklich das allerletzte. Shorty war da. Er zeigte uns einen LSD-Trip. Ein kleines putziges Ding. Der hatte es nötig.
Weil er immer noch nicht kapierte, dass er uns nicht beeindrucken konnte, zeigte er uns seinen neuen Ohrring.
„Wollt ihr euch nicht auch ein Loch stechen lassen. Das sieht gut aus“, sagte er.
„Ich falle lieber mit meiner Intelligenz auf, als mit Äußerlichkeiten“, ballerte Tobias ihm vor den Bug. Beleidigt drehte er sich zur Seite und wir zogen weiter.
Auf dem Schützenfest verdrückten wir ne Bratwurst und vernichteten ne Lüttje Lage. Der Schnaps, der eigentlich ins Bier darunter laufen sollte, landete voll in meiner Fresse. Tobias lachte dreckig.
Wir wollten Lene besuchen. Pech. Es war nur Elke da und die wollte gerade gehen. Also zuckten wir wieder los.
Unten vor meiner Haustür stand Meschan und fummelte an der Vespa rum. Zusammen gingen wir zu mir hoch, tranken Tee und hörten die neuen Platten. Beide recht dufte. Dabei muckelte jeder für sich alleine rum. Ich las von ‚Sartre‘ ‚der Ekel‘. Meschan blätterte den ‚Stern‘, was er immer bei uns machte und weshalb ich ihn in letzter Zeit nur noch selten einlud. So ein Langeweiler. Tobias schrieb Tagebuch.
Abends hängten wir Meschan wieder ab und düsten zu meinem Alten. Der war zum Glück nicht da. Aber ich hatte die Erlaubnis, wann ich will, zu kommen und mich zu bedienen. Ich fischte Bier aus dem Kühlschrank und wir glotzten einen Jerry Lewis, der gerade in der prachtvoll großen, neuen Glotze lief. Der Wodka und Rum turnte auch ganz gut.
Tobias wurde dann nölig. Es war ja auch ein echt klebriger Tag gewesen, aber er ließ es an mir aus.
„Ich muss dir mal sagen, dass du einfach nicht genug Leute kennst. Du sitzt immer nur zu Hause rum und liest“, meckerte er.
„Na und? Schließlich gehen mir Leute auch oft auf den Senkel. Dir doch auch“, konterte ich.
„Stimmt, aber ich versuche wenigstens mit ihnen auszukommen. Du dagegen bist Leuten gegenüber feindlich eingestellt und stößt ihnen dauernd vor den Kopf. Außerdem bist du unsicher. Das merken die Leute“, motzte er weiter.
„Und du bist perfekt, oder was? ‚Carnegie‘, das ist doch Schund!“ blaffte ich zurück. D. Carnegie: ‚Wie man Freunde gewinnt‘, war Tobias‘ ‚Bibel‘. Er hatte das Buch irgendwann mal im Kaufhaus auf dem Grabbeltisch gefunden und schon drei Mal gelesen.
„Jedenfalls perfekter als du“, sagte er, „und ich arbeite weiter daran.“ Dazu sagte ich nichts.
Weil wir uns so langweilten, trampten wir zwei Tage später einfach los: Deutschland angucken.
Zuerst nach Kassel. Dort lief die Kunstshow: Documenta 6. Ganz dufte. Auf Wiesen gesessen und Persiko getrunken. Kritzelbilder gemacht und an die Wände zwischen die anderen Bilder gehängt und die Reaktionen der Leute beobachtet. Nachts auf einer Schaukel in einem Park Bier gebechert. Dabei wild geschaukelt. Tobias verlor sein Geld und den Pass. Lange krochen wir mit einem Einwegfeuerzeug rum, bis wir alles wiederfanden. Dann war es aber schon nach elf und wir mussten in die Jugendherberge einbrechen, um in unsere Betten zu gelangen.
Am nächsten Tag ging's nach München. Die ganze Strecke mit nur einer Hippieschleuder: ‚Ford Transit‘. Bergauf verreckte er fast immer.
In München stiefelten wir als erstes in einen 'Wienerwald', lasen Zeitungen, die wir vorher aus so Kästen geklaut hatten und schlugen uns die Bäuche voll.
Einen ganzen Tag lungerten wir im Deutschen Museum rum. Kostete nur eine Mark Eintritt. Dafür gab es eine Menge knorker Vorführungen.
Nürnberg war doof: Studenten in Sandalen.
In Würzburg waren wir im Kino: ‚die Welt in zehn Millionen Jahren‘, ein Zeichentrickfilm. Recht dufte. Das Weizenbier später turnte auch gut - in der ‚Hühnerdiele‘. Höhö.
Von Würzburg aus latschten wir die Landstraße entlang nach Estenfeld, weil da erst die Autobahn war. Wir waren angekotzt, weil es ewig weit war. Nach der letzten Tanke hatte die Landstraße außerdem keinen Weg mehr an der Seite. So stolperten wir also im Graben lang. Plötzlich lag vor uns ein Geldschein. Ich bückte mich und hob ihn auf. Dann bückte sich Tobias. Wir steckten das Geld weg und sahen uns um. Die Autos rauschten an uns vorbei, die Fahrer beäugten uns. Wir suchten noch etwas den Graben ab, aber nicht lange.
Auf der Autobahnauffahrt sahen wir vorsichtig in unsere Taschen: ein Tausender und einen Hunderter. Wow!
Bis nach Göttingen brauchten wir drei Karren. Dort stiegen wir in einem Hotel ab. 34 Mark, ganz schön happig. Aber wir hatten es ja.
Vor der Glotze tranken wir eine Flasche Schlehenfeuer (Wildfruchtlikör). Davon waren wir schnell breit und gingen Steak mampfen. Hinterher zogen wir durch ein paar Kneipen.
Die Flasche Portwein, die wir auch noch gekauft hatten, entkorkten wir erst am nächsten Morgen im Zug nach Hannover.
Am darauffolgenden Samstag trafen wir uns auf dem Flohmarkt. Tobias kaufte sich ein Mainzelmännchen aus Gummi, die er neuerdings sammelte. Lene sahen wir auch. Sie hatte schon wieder einen neuen Freund im Arm. Diesmal ein älterer.
„Wie kann man nur so mit seinen Gefühlen rumschmeißen“, kommentierte Tobias das. Aber wir waren natürlich nur voll eifersüchtig.
In der Stadt gönnten wir uns, in Erinnerung an die dufte Reise, ein Bier und ein Heringsbrötchen von ‚Nordsee‘. Dann zuckten wir zu ‚Brinkmann‘ (Elektrokaufhaus) und ich kaufte mir einen neuen Verstärker. 598 Mark mit Boxen. Reichlich teuer, aber ein echt gutes Teil. Wir fuhren zu mir, schlossen alles an und hörten Platten.
Elfte Klasse. Kurssystem. Das ich mal so weit käme, das hatte niemand erwartet, ich sowieso nicht. Eigentlich auch nur weil ich in das Caesarbuch: ‚De Bello Gallico‘ eine kleine Übersetzung geklebt hatte. Ich hatte schön viele Fehler eingebaut und schüchtern gestottert. Nicht so Lex, der mit der selben Methode aufgeflogen war und abgehen musste. Er hatte heftig protestiert und gesagt, dass ich auch geschummelt hätte. Aber die Lateinlehrerin hatte gesagt, es wäre immer noch ihre Sache, das zu beurteilen, und wenn sie etwas nicht ausstehen könnte, so wäre das petzen. Rache ist Blutwurst.
Aufgeregt stellte ich mich in eine der Schlangen, um mich in Kurse einzutragen. Begeistert begaffte ich die supervielen neuen Millies. Die Schule war jetzt richtig voll damit.
„Hallo“, sagte jemand hinter mir.
Ich drehte mich um und