wie Hulle. Peter Baldinger
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„An die Instrumente“, sagte der Bruder und stöpselte eine E-Gitarre in einen Gitarrenverstärker. Er reichte sie mir und holte eine zweite aus dem Schrank, zusammen mit Rhythmusinstrumenten, wie Rasseln, Schnarren, Klappern, Trommeln und so nen Quatsch. Mir wurde etwas mulmig, weil es bestimmt drei Uhr war. Aber der Bruder hatte seine E-Gitarre nun auch eingestöpselt und klampfte los.
Zaghaft machte ich mit und auch Tobias trommelte etwas rum. Beatrice lehnte sich aus dem Fenster und quarzte eine. Danach versuchte sie, zu dem Chaos zu singen.
Plötzlich ging die Tür auf und Schmetter erschien in einem langen Nachthemd. Er wetterte:
„Was ist denn hier los? Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?“ Er erkannte mich und sagte:
„Was machst du denn hier? Schluss jetzt! Verschwindet! Aber sofort!“ Und schlug mit aller Kraft die Tür zu.
Wir verdünnisierten uns.
In der nächsten Musikstunde (wegen welcher Millie hatte ich nur diesen Musikkurs belegt?) holte Schmetter mich nach vorne und ich sollte einen Bolero-Rhythmus auf einer kleinen Trommel vorklopfen. Klappte natürlich nicht. Er genoss es sooo sehr und schrieb null Punkte auf.
In der Schule war eine Fete. An einem Montag! Tobias kam mit, obwohl er in Misburg auf ein Gymnasium ging. Die großen Fenster der Mensa waren mit Vorhängen abgehängt. Rote Scheinwerfer und ‚Dschinghis Khan‘ Musik - auweia! Das war ohne Bier nicht auszuhalten. Wir zuckten zur Bude, tranken das Bier gleich auf ex, da am Eingang zur Mensa Lehrer Bolz stand und aufpasste.
Kaum wieder drin, dackelten wir ein zweites Mal los, weil es ohne Bier wirklich nicht auszuhalten war. Danach waren wir schon ganz gut angetörnt. Tobias tobte wie wild zu ‚Slade‘ und machte Lisa an. Die war knuffig. Blonde Haare, Stupsnase und Rubens-Rundungen. Ich sah den beiden zu und wippte sogar etwas zur Musik, während ich mit Martin und Stella quasselte. Stella zwinkerte mir zu – ein Zeichen. Wir ließen Martin stehen und schoben nach draußen.
Der Rasen war nass vom Abendtau und meine Botten undicht. Außerdem musste man Angst haben, dass man im Dunkeln in Hundetretminen trat. Ich griff Stellas Hand. Das war ganz einfach gewesen. Mein Herz pochte aber wie Hulle. Die Lichter der Autos die das Rudolf-von-Bennigsen-Ufer entlangrasten, flackerten durch ihre magischen Augen. Meine Lippen berührten ihre Stirn. Ihre Haare dufteten nach Shampoo und Vanille. Lachend befreite sie sich, tanzte, drehte sich herum, die Arme ausgebreitet, bis zum Eingang zur Mensa.
Der Schweißgeruch der tobenden Leute verschlug mir den Atem.
Um zehn war alles vorbei. Tobias, Martin und ich zogen in die ‚Südstadt-Klause‘, der ödesten Kneipe unter der Sonne.
Ein Geschichtslehrer aus der Schule und ein anderer alter Knacker hingen an der Theke. Der Geldspielautomat arbeitete alleine hinter ihren Rücken. Mit geröteten Augen griente er uns an und hob kurz die Hand, die dann aber doch das Bier griff.
Wir fläzten uns an einen der Tische. Martin popelte und schmierte das Zeug auf einen Bierdeckel.
„Alte Sau“, rief Tobias und lachte höhnisch. Die Wirtin stellte ein Frischgezapftes drauf. Tobias und Martin quatschten intensiv über die Band ‚Slade‘. Die fand ich echt primitiv. Deshalb strich ich über die Innenfläche meiner Hand und versuchte mir einzubilden, dass es Stella täte.
Sturmfreie Bude. Ich lud ein paar Leute ein, um einen Grund zu haben, Stella einzuladen: Uwe, Martin, Sabine, Lene, Tobias. Tobias nuckelte an einer Flasche Jambosala rum. Martin strich sich immer wieder durch die Haare. Er trug sein buntes Hemd zwei Knöpfe offen, so dass etwas von seiner Brust zu sehen war. Mann, fand der sich toff.
Ich setzte mich ins Wohnzimmer auf die Ledercouch und beobachtete wie Stella und Sabine tanzten. Stella war schnell aus der Puste. Kein Wunder, sie tobte ja auch ekstatisch rum. Da haute sie sich neben mich hin und schlug ihre Füße unter ihre Beine ein. Prima Ringelsocken.
Seit dem Abend vor der Mensa berührte ich sie manchmal, als sei es eine ‚Vorstufe‘ unseres Zusammenseins. So strich ich ihr durch die dicken, braunen Haare. Sie freute sich und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Weil sie nur ein T-Shirt anhatte, fühlte ich einen ihrer Busen auf meinem Oberarm liegen. Ich wagte kaum zu atmen, um den Augenblick nicht zu gefährden.
„Stella, weißt du, wo mein Haarband ist“, fragte Sabine. Martin hatte ‚Yes‘ aufgelegt, was zum Tanzen ungeeignet war. Stella sprang auf und half suchen.
„Ich muss wieder los“, sagte Lene und ich brachte sie zur Tür. Sie zog mich in den Hausflur und küsste mich ganz sehr mit Zunge und so. Das war total komisch, so als würde das Blut im Körper falsch rum fließen. ‚Könnte sie sich nur in Stella verwandeln‘, dachte ich und drückte sie ganz fest an mich.
„Ich muss jetzt wirklich gehen“, sagte sie dann zärtlich und entklammerte sich. „Ihr seid eh alle betrunken“, setzte sie traurig hinzu und stapfte die Treppen runter.
Tobias rief alle möglichen Millies an. Karine kam daraufhin. Sie und Tobias tranken fiesen Wodka aus einer verschnörkelten Flasche, den sie mitgebracht hatte. Dann verschwanden sie im Zimmer meiner Schwester, wo Tobias bestimmt seine Hände wandern ließ.
Wie immer lungerte ich in der ersten großen Pause in Stellas Nähe herum.
„Hast du am Wochenende schon was vor?“ fragte ich sie, als mal gerade kein anderer mit ihr quatschten wollte, „ich weiß eine Fete. Aber wir könnten auch zum Griechen essen gehen oder ins Kino.“
„Ich fahre nach Berlin“, sagte sie.
„Was? Das ist ja toll“, erwiderte ich locker, aber in Wirklichkeit enttäuscht. „Was machst du denn da? Die Stadt ansehen?“
„Du bist ganz schön neugierig“, fuhr sie fort, “ich treffe Bimmi.“
„Bimmi?“ fragte ich.
„Meinen Freund“, sagte sie keck und tippte mir mit ihrem Finger auf die Nase. Es klingelte und sie ging zurück in den Klassenraum. Ich blieb stehen und kämpfte mit den Tränen.
In der zweiten großen Pause trottete ich wie eine gehirnlose Hülle mit Martin zu Winni. Winni wohnte alleine in einem riesigen Apartment gleich gegenüber der Lüdersschule. Er mixte Cocktails an seiner Bar. Wir hörten blöde ‚Styx‘-Musik auf der gigantischen Stereoanlage. Am Plattenspieler stand die Warnung, dass der Motor so stark sei, dass er einem den Arm abreißen könne. Winni hatte auch einen eigenen Flipperautomat. Ich war zu aggressiv und tilte das Ding dauernd. Winni war eh unschlagbar, schließlich kannte er die Maschine auswendig. Ich überredete die beiden, dass wir uns den restlichen Unterricht schenkten. Nach Stundenplan wäre bei mir Mathe mit Stella dran gewesen. Da wollte ich auf keinen Fall hin.
Am späten Nachmittag trottete ich nach Hause. Die Sonne schien, aber sie wärmte nicht all zu sehr. Tonnenweise Kastanien lagen auf dem Fußweg rum. Ich kickte ein paar durch die Gegend. Sie rollten und hüpften ewig weit, die breite Allee entlang.