Das ungeteilte Vertrauen. Norbert Johannes Prenner

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Das ungeteilte Vertrauen - Norbert Johannes Prenner

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„ich bin total ausgedorrt.“ „Bitte, vor Ihnen“, gab sich der Ressortchef für Innenpolitik wohlerzogen, denn er wusste, der Chefredakteur schätzte nun einmal gutes Benehmen. Schließlich nahm man an dem zugewiesenen Tisch Platz, wenngleich sich die Augen nur langsam an das schummrige Halbdunkel der sparsamen Beleuchtung gewöhnten und die ängstliche Blicke einiger Weniger, die über das uralte Ziegelgemäuer glitten, sich noch vorbehielten sich in Sicherheit zu wiegen, nur vorsichtig dem bereits servierten, frischen Wein zuwandten.

      Auch schien an reichlich vorhandenem Sodawasser kein Mangel. „Wolfi“, sagte Carl zum Chefredakteur, „bitte sag´ doch ein paar Worte, bevor wir - du weißt schon. Ist alles feierlicher dadurch, oder?“ „Es wird Zeit, dass dem Schleichhandel endlich der Kampf angesagt wird, was?“ rief Dr. Brock voreilig in die Runde. Alle nickten stumm. „Ja, der Graue Markt“, sagte Carl, „als ob die Kaufleute nicht schon genug Ärger mit der blöden Marken-verrechnung haben!“ „Es ist eine Katastrophe“, fuhr Brock fort, „weil tatsächlich die gesamte legale Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist.“ „Wartet noch, wir holen uns nur ein Weckerl vom Buffet“, bat Carl. Erich schloss sich ihm an. Auf dem Weg durch die engen Gänge meinte Carl:“ Ich bin schon froh, dass es hier noch was zu essen gibt. Zumindest müssen wir noch nicht wie die Berliner aus der Luft versorgt werden, was, Erich?“ „ Das tät´ uns noch fehlen“, seufzte Erich und fixierte die mit Essig- und Salzgurken gefüllten Gläser, den Topfenaufstrich, Bohnensalat, die kalten Schinkenfleckerl und einige Käsesorten mit starrem Blick, die in der gläsernen Vitrine aufgereiht waren.

      „Preisfreiheit heißt das Zauberwort jetzt, hab´ ich gelesen.“ „Ja“, sagte Erich, „sie soll das Allheilmittel für sämtliche wirtschaftlichen Sorgen sein. Unser oberster Wirtschaftsplaner ist zumindest ein überzeugter Anhänger dieser Idee“. „Was wünschen die Herren?“ fragte die Dame hinterm Buffet. „Also, ich nehm´ ein Wachauerlaberl und ein kleine Portion vom Liptauer, bitte“, bestellte Carl, „und was hat er noch gesagt?“ wandte er sich zu Erich, „bei freien Preisen ist der Konsument der Herr der Produktion. Nicht wie bei den behördlichen, die uns dieser Rolle angeblich beraubt. Wenn die ÖVP schon einmal das Herz für die Konsumenten entdeckt, wird man leicht misstrauisch, was?“ Erich lächelte und zuckte mit den Schultern. „Mir bitte ein Schmalzbrot mit Zwiebel, ja?“ sagte er. „Schließlich weiß keiner, wie die Wahrheit aussieht, aber es ist zumindest ein Ansporn für Leistungsfähigkeit, oder? Wer wirklich konkurrenzfähig ist, und möglichst billig produzieren kann, wird vermutlich diese Zeit durchstehen können, glaube ich.“

      „Naja, dieses sogenannte Konsumentenparadies, wenn es je existiert hat“, meinte Carl, „ ist Vergangenheit, denn der Monopolkapitalismus wird die freie Preisbildung nicht nur ausschalten, sondern wird sie verhindern, und er wird vor allen Dingen eines tun, nämlich Preis und Profit auf der Höhe halten, wir werden es ja erleben, denke ich“. „Bitte, die halten doch alle zusammen, damit das Absinken der Preise verhindert wird, das liegt doch auf der Hand“, sagte Erich und kostete im Gehen vom Schmalzbrot. Mittlerweile hatten sich allerorts zahlreiche Gäste eingefunden, auch ausländische Militärs waren darunter. Erich und Carl hatten wieder zu ihrem Tisch zurückgefunden, an dem längst rege Diskussionen liefen. „Sagt´s einmal, wo bleibt´s ihr denn solange? Ich hab´ nix trinken dürfen, bis dass ihr wieder bei uns seid, ich wäre beinahe verdurstet“, rief Dr. Brock schon von weitem. „Du ja, das schau´ ich mir aus der ersten Reihe an, dass du darauf gewartet hast“, lachte Carl. „Also, wieder glücklich vereint erlaube ich mir, euch allen zuzuprosten“, sagte der Chefredakteur und hob sein Glas. „Prost“, erschallte es vielstimmig.

      Für einen Moment trat Ruhe ein. Jeder prüfte bedächtig, in kleinen Schlucken kostend und mit der Zunge schnalzend den kalten Welschriesling, einem der häufigsten Weine des Burgenlandes. Ein wirklich rassiger Wein mit etwas höherem Säuregehalt aber fruchtigem Bukett. Nachdem man die Gläser abgesetzt hatte, rechtfertigte sich Carl: „Wir haben da draußen ein wenig politisiert. Wir haben uns gedacht, die Herren, die jetzt für die freie Wirtschaft eintreten, sollten darüber nicht im Unklaren gelassen werden, dass dann mit der Profitsicherung Schluss sein muss, die sie sich bis jetzt durchgesetzt haben. Dann darf es nämlich auch keine gesetzlichen Handelsspannen, keine Genossenschafts- und keine Zwischenhandelsgesellschaften oder dergleichen mehr geben, sonst tauschen wir unsere Rolle der behördlichen Preiskontrolle gegen die der Profitmacher ein, oder?“

      Allgemeines Gelächter. „Deinen Humor möchte´ ich haben“, sagte Leopold Lewandovsky.“ „Und deswegen hätten wir hier alle an Auszehrung sterben sollen?“ rief Dr. Brock entrüstet. „Könntet ihr vielleicht einmal eine Sekunde ernst sein?“, fragte Erich und lachte, um anzuschließen, „aber was ganz anderes, es gibt, wie ich heute gelesen habe, noch Männer, die den Mut haben, bei passender Gelegenheit energisch aufzutreten, und mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, um zu demonstrieren, dass mittlerweile auch die Geduld der Bauern zu Ende ist.“ „Was hat er denn jetzt wieder? Seit wann erklärt sich ein Stadtmensch wie du solidarisch mit den Agrariern?“, fragte der Chefredakteur ungläubig unter allgemeinem Amüsement. „Hat folgenden Grund“, fuhr Erich fort, „gewisse Kreise sind oft äußerst gehässig gegenüber der Landwirtschaft eingestellt, und die sehen nur die volle Schüssel da draußen, ohne zu kapieren, was landwirtschaftliche Arbeit tatsächlich bedeutet.“ „Aha“, nickte Carl geduldig. „Diese Herrschaften können auch nicht sehen, dass durch das Preisverhältnis zwischen Ablieferungspreis und den Kosten für landwirtschaftliche Geräte und so weiter ein schwerer Schaden entstehen wird.

      Wir Städter, meine Herren, wissen nur allzu gut, was Hungern heißt. Wir könnten zumindest einen kleinen Beitrag zur Landarbeit leisten, wenn wir auf diese Zustände in unseren Kolumnen darauf hinweisen würden, meint ihr nicht auch?“ „Ach, daher weht der Wind“, entfuhr es Carl, „aber, ich kenn´ da einen Schweinebauern in Dings da draußen, der steckt unsere ganze Redaktion in den Sack, das sag´ ich euch, soviel verdient der an den Viechern. Davon können wir mit unserem Pimperlgehalt (niedriger Lohn) nur träumen! Ich hab´ nicht das Gefühl, dass ich den unterstützen muss, eher umgekehrt!“ Alle, außer Erich, fanden Carls Einwand ziemlich belustigend. Neuer Wein wurde bestellt, auch Soda. Die Stimmung war hervorragend und beinahe konnte man vergessen, was oberhalb der 27 Treppen draußen so vor sich ging. „Als ob wir keine anderen Sorgen hätten“, warf Kurt Gruber ein, der für die Gerichtsprotokolle zuständig war. „Nehmen wir einmal die Kommunisten her. Alles, was jetzt bei uns geleistet wird, versuchen sie kleinzureden. Sogar die Zeitung einer Besatzungsmacht stellt sich in allem und jedem gegen die Republik und unsere Regierung.

      „Genau“, sagte Dr. Brock und wurde hochrot im Gesicht, „das glaube ich auch schon langsam. Die „Österreichische“ drängt die Gemeinden mit Hilfe der Ortskommandaturen zum Zwangsabonnement. Das ist eine Schweinerei sondergleichen! Wie würden die Kommunisten schreien, wenn das in anderen Zonen der Fall wäre, stellt euch das einmal vor!“ „Ich frag´ mich überhaupt, warum mit Steuergeldern die Zeitungen unserer Besatzer subventioniert werden sollen?“ fragte Gruber erbost. Vom benachbarten Gewölbegang hörte man russischen Männergesang und Gläserklirren. Eine Weile hielt man inne und lauschte. „Na servus“, sagte Carl leise, „besser, wir gehen vor denen nach Hause.“ In allen Gesichtern am Tisch lag ein wenig Angst. Angst, vorm Angepöbelt werden, Angst vor der Unberechenbarkeit des Fremden. „Ach was“, versuchte er die Kollegen abzulenken, „die Sozis werden die Quellen der Not schon verschließen, wie sie sagen, oder?“, und grinste vielsagend. „Also ich glaube, die arbeiteten Menschen haben längst durchschaut, was die Kommunisten und ihre Auftraggeber vorhaben, davon bin ich überzeugt“, meinte der Chefredakteur.

      „Eben. Und darum haben wir auch unsere ganze Hoffnung auf die Amerikaner und den Herrn Truman gesetzt. Ich sag´ euch, solange wir die Freiheit nicht haben, und Leute wie die da“, Gruber sprach leise weiter, „wie die Kommunisten unsere Demokratie ernsthaft gefährden, sollten sich die Amis von den Russen nicht über den Tisch ziehen lassen.“ In diesem Augenblick meldete sich der eher introvertierte Lokalredak-teur, der sich bisher an seiner Tischecke eher im Hintergrund gehalten hatte, zu Wort: “Alles gut und schön. Aber wie schaut die Wirklichkeit aus, wenn ich einmal fragen darf? Was

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