Doppelte Fährte. Günther Tabery
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„Aber gerne, das mache ich gleich morgen früh. Bitte ruhe dich jetzt aus. Es ist wichtig, dass du wieder zu Kräften kommst.“
Martin schloss die Augen. Veronika hielt seine Hand und blieb die ganze Zeit bei ihm.
Am Nachmittag öffnete sich die Tür zum Krankenzimmer und zwei Streifenpolizisten kamen herein. Sie baten Armin und Daniel kurz draußen zu warten, da sie Martin einige Fragen zum gestrigen Unfall stellen wollten. Veronika durfte bei Martin am Bett sitzen bleiben. Nachdem die Personalien von Martin aufgenommen wurden, stellten die Polizisten sicher, dass es zuvor keine Verbindung zwischen Martin und dem Fahrer gegeben hatte. Beide waren sich zuvor noch nie begegnet. Martin beschrieb genau, wie er in das Hotel eingeladen wurde und weshalb er überhaupt mit in diesem Auto saß. Ganz wichtig waren Martins Schilderungen von der Fahrt vom Hotel in die Innenstadt von Heidelberg. Dabei sollte er in allen Einzelheiten erzählen, wie sich der Fahrer benommen hatte. Ob er etwas Auffälliges in seinem Verhalten bemerkt und ob er etwas Besonderes gesagt oder getan hatte. Aber Martin war nichts weiter aufgefallen. Der Fahrer machte einen gesunden und ruhigen Eindruck. Vielleicht dachte Martin, könnte der Fahrer etwas gestresst gewesen sein, man hätte das vielleicht in seinem Gesicht sehen können, aber mit hundertprozentiger Sicherheit könne er das nicht sagen. Die Polizisten bedankten sich bei Martin, wünschten gute Besserung und verließen den Raum. Veronika ging mit ihnen hinaus. Draußen bat sie die Polizisten nach dem Namen des Verunglückten oder ob sie wüssten, wann seine Beerdigung stattfinden würde. Sie erklärte ihnen, dass es für Martin wichtig wäre, an der Beisetzung teilnehmen zu können. Sie verwiesen Veronika an das Polizeirevier Heidelberg. Alles Weitere würden sie dort erfahren.
Die Beerdigung fand eineinhalb Wochen später statt, nachdem die Leiche von der Kriminalpolizei Heidelberg freigegeben wurde. Es waren nur wenige Menschen auf dem kleinen Leimener Friedhof zusammen gekommen, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Martin und Veronika standen abseits bei den älteren Frauen und Männer, die wahrscheinlich bei vielen örtlichen Beerdigungen Anteil nahmen und nicht zum näheren Familienumfeld dazu gehörten. Von seinem Platz aus sah Martin zu den Trauernden hinüber. Er sah in der Mitte eine ältere Frau, sie mochte zwischen siebzig und achtzig Jahre alt sein. Vielleicht war sie seine Mutter. Daneben standen ein Mann im mittleren Alter, seine Frau und zwei kleine Mädchen. Diese vier Menschen waren offenbar der Familienkern gewesen. Andere Angehörige gab es nicht. In den hinteren Reihen waren wohl seine Freunde und Bekannten. Eine traurige Szene, dachte Martin. Michael Hainsberger hatte offenbar keine große Familie und nur wenige Freunde gehabt. Auch vom Hotel war Martins Ansicht nach niemand da. Der Pfarrer hielt in der Grabkapelle die Andacht. Zwei Ministranten trugen Weihrauch und Schiffchen. Mit dem Lied: „So nimm denn meine Hände“, wurde die Prozession zum Grab begleitet. Dort angekommen weihte der Pfarrer das Grab und den Toten und sprach die abschließenden Worte, nahm eine Schaufel und schüttete eine Schippe Erde ins Grab: „Staub zu Staub und Asche zu Asche. Aus der Erde bist du gekommen, zur Erde wirst du wieder zurückkehren.“ Die Glocken läuteten. Anschließend durften alle Angehörigen und Mittrauernden eine Schippe Erde ins Grab streuen und Abschied vom Toten nehmen. Der Familie wurde kondoliert. Veronika und Martin hielten Abstand und beobachteten die Gruppe. Dann trafen sich die Blicke von Martin und einer älteren, trauernden Frau. Sie kam langsam zu den beiden hinüber gelaufen. Als sie vor Martin stand fragte sie mit matter Stimme: „Sie sind der Mann, der mit Michael in dem Auto saß?“
„Ja, das stimmt.“
„Ich habe Sie an Ihren Verletzungen erkannt. Ich bitte Sie, kommen Sie mit zu unserem Leichenschmaus. Sie und ihre Frau sind herzlich eingeladen.“
Martin und Veronika bedankten sich und nahmen die Einladung an.
Nach dem Seelenamt, das in der örtlichen katholischen Kirche abgehalten wurde, trafen sich alle in einem kleinen Nebenraum im Restaurant Sternenhöhe in Leimen.
Es gab Butterkuchen, Gebäck, Kaffee und Tee.
„Ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen“, begann Martin mit gedämpfter Stimme.
Frau Hainsberger bedankte sich. Ihre Augen blickten matt in die Martins. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Es war kein Unfall, so wie wir alle dachten.“
Martin verstand nicht, was sie ihm damit sagen wollte. Er nickte langsam und gab ihr zu verstehen, dass sie ihm weiter berichten solle.
„Aber ich wusste ja nicht, dass er Drogen nahm! Nein, das wusste ich nicht. Es ist so traurig.“
In Martins Kopf blitzte es unaufhörlich. Sein linkes Auge zuckte heftig. Hatte er eben richtig gehört: Drogen? Hatte der Mann Drogen genommen? Aber das war ihm gar nicht aufgefallen. Nichts deutete darauf hin, dass der Mann nicht klar war im Verhalten und Denken. Er blickte Veronika an. Daraufhin fragte er: „Sagen Sie, Frau Hainsberger, was für Drogen sollte Ihr Sohn denn genommen haben?“
„Ich weiß nicht mehr, wie sie heißen. Ich glaube es war irgendetwas mit „Ekstase“. Sie wurde bei der Obduktion in seinem Blut gefunden. Ich kann es nicht glauben. Das passte so ganz und gar nicht zu ihm. Er war ein vernünftiger und ehrlicher Junge. Gewissenhaft behandelte er immer sich und andere. Nein, das ist für mich ganz unvorstellbar. Aber es muss ja so gewesen sein, denn sie haben es ja herausgefunden.“
Da kam der Mann mittleren Alters zu der Gruppe dazu. „Tante Edelgard, möchtest du noch eine Tasse Tee?“
„Nein danke Rudolf, das ist sehr lieb von dir. Darf ich vorstellen? Das ist mein Neffe, Rudolf Wegard.“ Rudolf nickte höflich und lächelte Veronika und Martin an. „Rudolf war der Cousin von Michael. Und das hier ist der Mann, der mit Michael im Auto saß und überlebte.“
Rudolf sagte mit gedämpfter Stimme: „Es ist unfassbar. Wir können es nicht glauben. So ein tragischer Unfall. Wer hätte gedacht, dass Michael Drogen genommen hatte. Das sah ihm gar nicht ähnlich.“
„Auch Ihnen mein Beileid“, Martin reichte ihm die Hand.
Rudolf nickte dankend. Er blickte sehnsüchtig zu der Frau hinüber, die mit ihren beiden Kindern noch am Tisch saß. Diese wich seinen Blicken aus. Schließlich kam sie mit ihren Kindern zur Gruppe dazu: „Tante Edelgard, wir müssen jetzt leider schon gehen.“
„Das ist in Ordnung meine liebe Carla.“ Die beiden Frauen umarmten sich.
„Bitte bleib noch ein bisschen“, bat Rudolf und strich ihr über den Arm.
Sie sah ihn nicht an, wies seine Hand von sich und sagte leise und bestimmt: „Lea und Paula, kommt, wir müssen jetzt nach Hause.“
Die beiden Mädchen verließen zusammen mit Carla den Leichenschmaus. Rudolf bekam einen tristen Gesichtsausdruck, drehte sich um und setzte sich wieder zu seinem Kaffee.
„Bitte entschuldigen Sie“, erklärte Edelgard Hainsberger, „wir sind alle sehr traurig heute.“
Martin und Veronika blieben noch einige Momente bei der Trauergesellschaft. Anschließend verließen sie das Restaurant und fuhren zusammen in ihre gemeinsame Wohnung nach Bruchsal.
Die gesamte Fahrt über sagte Martin kein Wort. Er schaute gedankenvoll aus dem Fenster. Veronika ließ ihm seine Ruhe und sagte ebenso nichts.
Zu Hause angekommen brühten sie sich einen heißen Weihnachtstee auf und setzten sich auf die Wohnzimmercouch. Nach einem kurzen Schweigen unterbrach Martin die Stille: „Das