Tödlicher Aufguss. Axel Birkmann

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Tödlicher Aufguss - Axel Birkmann

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fast leeren Gelände. Besucher wurden um diese Zeit nicht mehr hineingelassen. Alois packte den Müll von McDonalds in eine Tüte und stieg aus.

      An der Pforte stellten sie sich kurz vor und fragten nach Dr. Wahlmeier.

      »Haben Sie einen Papierkorb?«, fragte er die Dame am Empfang.

      »Ja, natürlich.«

      Kreithmeier reichte ihr mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen die braune Papiertüte mit dem gelben M und sagte höflich »Danke«. Ohne einen Kommentar warf die Dame den Müll in ihren Papierkorb. Ihr aufgesetztes Lächeln hatte sich in einen bitterbösen Blick verwandelt.

      »Fahren Sie mit dem Aufzug in den Keller. Der Doktor erwartet Sie. Dort hinten.«

      Sie zeigte auf eine Edelstahltür im Korridor.

      »Danke!«

      Dr. Wahlmeier erwartete vor dem Aufzug die beiden Polizisten. Ohne große Begrüßung bat er sie ihm zu folgen. Der Doktor war ein stattlicher Mann von über 1,90 Größe und in den besten Jahren. Er hatte einen grünen OP-Anzug an, eine weiße Haube auf dem Kopf und an den Händen Hygienehandschuhe. Sein Gesicht war markant, die wenigen Haare, die unter der Haube hervor schienen, waren leicht ergraut. Sein Schritt kräftig, fast militärisch. Dr. Wahlmeier sah für Alois Kreithmeier nicht wie ein Arzt aus. Hätte er ihn ohne seinen Beruf zu wissen, auf der Straße angetroffen, hätte er bei ihm auf Bauunternehmer oder Bundeswehroffizier getippt. Vielleicht hatte er ja gedient, als Stabsarzt beim Heer.

      »Kommen Sie, folgen Sie mir«, rief er immer wieder mal kurz nach hinten, während er mit eiligem Schritt durch die Katakomben des Erdinger Krankenhauses stolzierte. Melanie und Alois mussten sich anstrengen mit dem großgewachsenen Mann Schritt zu halten. In einem weiß gekachelten Raum mit Edelstahlschränken an beiden Längsseiten blieb er stehen und sagte:

      »Hier drinnen liegt der Tote aus der Therme. Ich geh davon aus, dass Sie schon einige Leichen gesehen haben, brauche also mit keinen Überreaktionen Ihrerseits zu rechnen. Und ziehen Sie die bitte an.«

      Ohne auf eine Antwort zu warten, warf er jedem ein Paar AIDS Handschuhe zu, öffnete eine Stahltür des Kühlregals, zog eine Edelstahlbahre auf Rädern aus einem der Fächer und stellte sie mitten in den Raum. Auf der Bahre lag ein Toter, der mit einem weißen Tuch abgedeckt war.

      »Fahren wir den Toten in den Sektionsbereich. Da haben wir mehr Platz.«

      Dr. Wahlmeier öffnete eine Tür und schob die Leiche auf dem Gestell in einen anliegenden Raum.

      Der Raum sah aus wie eine Metzgerei, dachte Kreithmeier. Alles war in Edelstahl gehalten. Mitten im Raum standen drei schwere Tische mit Waschbecken, einer Ablaufrinne und einem Wasseranschluss. Halogenlampen und Strahler gaben dem Raum etwas Futuristisches, wie aus einem Science Fiction Film. Alles glänzte, alles war klinisch sauber. Es war schwierig für ihn, sich vorzustellen, wie hier unten an Leichen herum geschnippelt wurde.

      Der Doktor hatte den Wagen neben einen der Seziertische gestellt und schob die Wanne mit dem Toten auf das Gestell. Obwohl Kreithmeier schon ein paar Mal in der Pathologie, in Freising oder auch in München gewesen war, war dies ein Platz, an dem er sich unbehaglich fühlte.

      Er hoffte insgeheim, dass er nie eines unnatürlichen Todes sterben müsste, denn dann würde auch er hier aufgebahrt und ausgeweidet wie ein Truthahn zum Erntedankfest. Es schüttelte ihn. Melanie nahm das alles nicht mit. Sie starrte das weiße Tuch an, wie ein Zuschauer der darauf wartete, dass der Magier ein weißes Kaninchen darunter hervor zauberte. Ihr Blick verriet Neugier, Interesse und eine hohe Erwartungshaltung.

      Kreithmeier konzentrierte sich wieder auf den Arzt, nachdem er die Sektionsabteilung der Erdinger Pathologie eingehend mit seinen Augen abgetastet hatte. Das war ganz einfach nicht seine Welt, aber er schätzte die Arbeit der Gerichtsmediziner. Ohne sie war es manchmal nicht möglich einen Fall zu lösen. Vor allem mit ihrer akribischen Arbeit bei DNA Spuren an den Toten, insbesondere bei Kapitalverbrechen, Vergewaltigungen und Misshandlungen. Selbst mit den kleinsten DNA Spuren unter Fingernägeln oder Hautabschürfungen konnten sie oftmals den vermeintlichen Täter identifizieren.

      Bis jetzt hatte der Arzt nicht viel gesprochen. Kreithmeier war gespannt, warum er sie so spät abends noch sehen wollte und es nicht bis zum nächsten Morgen gereicht hätte. Außerdem musste er auf sein verdientes Feierabendbier zunächst verzichten und sein Abendessen bestand bisher nur aus einer Tüte Popcorn und einem Big Mac. Das war nur ein bisschen Abendbrot im Gegensatz zu sonst.

      Der Arzt zog jetzt vor ihren Augen die weiße Stoffabdeckung langsam vom Gesicht des Toten.

      »Das ist der Mann, der heute in der Therme, um genauer zu sagen, im Salzstollen nach einem Aufguss tot aufgefunden wurde. Die Thermenleitung hatte sofort einen Notarzt bestellt, aber der konnte auch nur noch den Tod des Mannes feststellen. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Herzinfarkt. Tatsächlich stellt ein Saunagang einen ausgeprägten Herz-Kreislaufreiz dar. Das Herz pumpt in ruhigem Zustand mit 60 - 70 Schlägen etwa 6 Liter Blut pro Minute in den Kreislauf. Bei einem Saunagang mit dem empfohlenen üblichen Badeablauf und einer Saunatemperatur von 80 - 90 Grad Celsius steigt das Herzminutenvolumen auf 10 - 12 Liter Blut je Minute bei einem Puls von 120 - 130 Schlägen an. Während des Aufgusses erhöht sich diese Anzahl zusätzlich nochmals um 15 - 20 Schläge. Dies entspricht jedoch nur etwa der Hälfte der maximalen Kreislaufbelastung und auch ein untrainiertes Herz schafft 180 - 200 Schläge pro Minute und kann bis zu 20 Liter Blut und mehr pumpen. Also für einen gesunden Menschen, wie er hier vor uns auf dem Tisch liegt, überhaupt kein Problem.«

      »Woher wissen Sie, dass er gesund ist?«

      »Wir haben ihn obduziert.«

      »So schnell.«

      »Ja! Staatsanwältin Lehner hatte ihn heute Nachmittag frei gegeben, weil meine ersten oberflächlichen Untersuchungen ergeben hatten, dass der Mann kerngesund war und ein Herzinfarkt, selbst in der heißen Atmosphäre einer Sauna, äußerst selten vorkommen kann. Bei einem Saunabesuch steigt der Blutdruck im Gegensatz zu einer sportlichen Leistung kaum an. Die Ursache hierfür liegt darin, dass die Blutgefäße in der Haut zur Wärmeabwehr weitgestellt werden. Ein Puls von 120 in der Sauna hat, aufgrund des verringerten Widerstandes, gegen den das Herz arbeiten muss, eine geringere Kreislaufbelastung zur Folge als der gleiche Puls bei einer sportlichen Betätigung. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass deshalb auch Personen mit erhöhtem Blutdruck eine Sauna besuchen können.«

      »Und in diesem Fall hier?«

      »Ich habe schließlich feststellen können, dass der Mann zwar keine körperliche Arbeit verrichten musste, er war eher ein Büromensch, aber er war außerordentlich fit und sein Herz kerngesund. Sein Name ist übrigens Markus Backhaus.«

      »Woher wissen Sie das schon?«, fragte Melanie und sah sich das Gesicht des Toten eindringlich an. »Das war ein hübscher Mann.«

      »Das stimmt, Frau Schütz, so weit ich das beurteilen kann: Gepflegte Zähne, feine Hände, einen guten Friseur und einen Körper, auf den er geachtet hat. Die Saunaleitung hat eine verwaiste Liege entdeckt, auf der die üblichen Badesachen lagen, eine Tageszeitung, eine Lesebrille und ein Schlüsselband für seinen Spind im Umkleidebereich. Die örtliche Polizei hat alles eingesammelt und auch den Spind geleert. Darin haben sie dann Haus- und Wagenschlüssel und eine Geldbörse mit seinem Personalausweis gefunden.«

      »Wo sind die Sachen jetzt?«, fragte Melanie.

      »Sie sind in einer Schachtel in meinem Labor. Ich werde Sie ihnen später aushändigen. Polizeiwachtmeister

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