Täubchen alla Boscaiola. Martin Schlobies
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Er schimpfte und fluchte solange, bis plötzlich unerwartet sein Hund schweifwedelnd vor ihm stand, im Maul tatsächlich ein junges Kaninchen, was Signor Botello einen Moment von seinem Ärger über den Zaun ablenkte. Er lobte ihn und klopfte ihm den Hals, und um diesen kurzen Zwischenfrieden in seinem Herzen dauerhafter zu machen, strengte sich auch der Himmel an. Der Nebel riß auf, so schnell wie er am Morgen aufgezogen war, und löste sich in Fetzen auf, die rasch in der Wärme vergingen. Eine strahlende Mittagssonne beleuchtete die Gegend, die wenige Minuten vorher noch so gespenstisch und unheimlich erschienen war.
Signor Botello stand vor einem funkelnagelneuen Drahtzaun mit festen Pfosten; die Erde noch frisch aufgeworfen, wo sie eingegraben waren. - Und wie zum Hohn, dort, wo der alte Militärweg verlief, sah Signor Botello ein Tor mit einem Schloß. Das zerschossene Blechschild, das vor den Gefahren des Waldbrandes warnte, hing an seinem Platz. - Doch das Plakat, das er selbst dort hatte anbringen lassen, war fort.
Der neue Zaun teilte den alten Schießplatz mitten durch. Die Hälfte des Geländes, die Toccabelli gehörte, war eingezäunt, und damit war auch der alte Militärweg versperrt, dort, wo er in Richtung der Erzgrube weiterführte, an der Ruine des alten Clubhauses vorbei. Das bedeutete für alle, die gewohnt waren, dort entlang zu gehen, einen beträchtlicher Umweg, denn der alte Maultierweg, der der Gemeinde gehörte, der Sintiero, führte in einem großen Bogen zur Landstraße und dann erst in Richtung der Erzgrube.
Der Hund war mit seinem Kaninchen beschäftigt. Die Vögel, die während des Nebels verängstigt geschwiegen hatte, fingen wieder an zu singen. Die Schwalben jagten in ihrem ersten Übermut hoch oben über den Himmel. Die Lichtung des alten Schießplatzes lag da in stillem Frieden, noch tauglänzend das hohe gelbe Vorjahresgras. Tief am Boden schon das neue, grüne, frisch gesprossene Gras. Mit feuchten Blättern die niedrigen, immergrünen Eichen, die die Lichtung umstanden, und von dort, wo Toccabellis Land lag, hörte Signor Botello jetzt auch ein freudiges Grunzen von Schweinen.
Doch all dieser Frieden und die Schönheit der Natur konnte Signor Botellos Gemüt nicht erreichen. Der neue Zaun regte ihn immer mehr auf; - wobei er keinen Moment an seiner eigenen Berechtigung zweifelte, einen Zaun ziehen zu lassen, den Vorgänger des Zaunes nämlich, der ihn jetzt so aufbrachte. - Er schimpfte und fluchte solange, daß ihm schwindlig wurde und er sich an dem verhaßten Zaun festhalten mußte, - bis er wieder zu sich kam und seinen Hund neben sich fühlte, der besorgt die Schnauze an seinem Hosenbein rieb und ihn fragend anblickte. Als Signor Botello begriff, daß er für einen Moment die Besinnung verloren hatte, bekam er es mit der Angst zu tun und ging bedächtig und ein wenig zitternd und schwankend nachhause.
Luisa erschrak, als sie ihm die Haustür aufmachte, denn Signor Botellos Gesicht war hochrot, er zitterte und sah krank aus.
„Um Gottes Willen! Wie siehst du aus!? Soll ich den Arzt rufen?“
„Laß mich mit dem zufrieden!“, knurrte Signor Botello, ließ sich von ihr ein Glas Wasser bringen und befahl ihn in Ruhe zu lassen.
In seinem Arbeitszimmer führte er einige Telefonate, mit dem Gemeindeamt, mit dem Bürgermeister, mit seinem Rechtsanwalt; Telefonate, die alle ergebnislos verliefen, und schließlich zog er sich in das Wohnzimmer zurück, scheuchte die Katze fort, die auf dem Kaminsims schlief, setzte sich in seinen Lieblingssessel und verfiel in dumpfes Brüten.
13. Kapitel
Zur gleichen Zeit saß neben der Landstraße, etwas außerhalb von Castellina, ein junger Mann auf einem steinernen Wegweiser direkt am Rande des Grabens. Hinter ihm ließ ein Pflaumenbaum seine schweren Zweige hängen, die voller Früchte waren. Ein paar Schritte entfernt hatte er sein schwarzes Auto abgestellt. Es war Angelo Toccabelli, der zweite Sohn Signor Toccabellis.
Angelo drehte sich eine Zigarette, da kam ein anderer junger Mann mit seinem Wagen vorbeigefahren. Es war Pietro, Angelos Freund. Pietro hielt an, als Angelo ihn erblickte, stieg aus, ging zu ihm. Sie begrüßten sich, Angelo bat ihn um Feuer, und sie redeten ein wenig miteinander. Wer die beiden jungen Männer nicht kannte, hätte sie für Brüder halten mögen, so ähnlich sahen sie sich. Auch ihre Kleidung, in der Schwarz vorherrschend war, ähnelte sich. Nur ein besonderer Zug im Gesicht Pietros war anders, - oder vielleicht nur stärker ausgeprägt als bei Angelo, - er wirkte entschlossener - und kaltblütiger.
Nach ein paar Sätzen stand Angelo auf und versuchte, von den Pflaumen zu pflücken, doch sie hingen zu hoch.
„Du, mach mir eine Räuber-Leiter!“, sagte er. Pietro wollte sich gerade selbst eine Zigarette anzünden, steckte sie weg, stellte sich mit dem Rücken an den Stamm und verschränkte die Hände ineinander, grinste und fragte:
„Wie alt bist du?“
„So alt wie du!“, sagte Angelo, „aber offenbar hungriger!“, stieg auf Pietros Schultern und erntete zwei Hände voller Pflaumen, die er ins Gras warf, dort, wo es nicht so hoch war.
„Teilen wir!“, sagte er.
Pietro schüttelte den Kopf und erzählte ihm, daß er am Abend an die Küste fahren wolle, in die Stranddiskothek, zum Tanzen. Jetzt schüttelte Angelo den Kopf. Pietro sagte ihm, daß es dort hübsche Mädchen gäbe, Touristinnen, und Angelo schüttelte wieder den Kopf.
„Ich muß noch etwas erledigen!“, sagte er.
„Was denn?“, fragte Pietro neugierig, doch Angelo wollte es ihm nicht verraten.
„Und was sagt Porcia dazu, wenn du tanzen gehst?“
„Sie darf nicht! Ihr Vater ist so altmodisch!“ Angelo grinste nur.
„Und wenn sie es aber erfährt?“, fragte er.
Pietro zuckte nur mit den Schultern, stieg wieder in sein Auto und fuhr weiter. Aus dem Wagen heraus winkte er Angelo noch einen Abschiedsgruß mit der Hand zu.
„Mädchen?“, murmelte Angelo, „Die Mädchen sollen alle zum Teufel gehen! - Außerdem habe ich schon eines!“
Und als er die Pflaumen aufgegessen hatte, stand er auf, setzte sich in seinen Wagen und fuhr die Landstraße zurück, zum Ort. Und er wußte nicht, ob die Bauchschmerzen, die er jetzt bekam, von den Pflaumen herrührten oder von seinem Vorhaben.
14. Kapitel
Zwei Stunden später - denn solange brauchte Angelo, um sich aufzuraffen, endlich das Vorhaben auszuführen, das er sich schon lange vorgenommen hatte, - ging in Signor Botellos Wohnzimmer die Tür auf. Luisa blickte besorgt in den inzwischen halbdunklen Raum, wo Signor Botello immer noch im Sessel saß, in derselben Haltung, wie zuvor. Sein vorher hochrotes Gesicht hatte inzwischen wieder die gewöhnliche Farbe angenommen, ja, er war eher blaß, er schien aus dem Fenster zu stieren und bewegte sich nicht. Sie rief leise und ängstlich: „Botello! Botello! Was ist mit dir?“ Er blieb unbewegt, antwortete nicht. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Sollte ihm doch etwas zugestoßen sein? - Aller Groll, alle Bitterkeit, die sich in ihr in den schweren Jahren ihrer Ehe angesammelt hatten, waren mit einem Male verflogen und sie war nur noch erfüllt von heißer Sorge um diesen Mann.
Zögernd trat sie an ihn heran, flüsterte ihm ins Ohr:
„Botello!“, und berührte ihn vorsichtig an der Schulter, - da knurrte er unfreundlich,
„Du sollst mich in Ruhe lassen!“ Nie hatte