Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein
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„Warum lassen sie sich so behandeln? Keiner wehrt sich, sie sind wie Schafe“, seufzte Hammer.
1.Kapitel
Zürich Mai 1975
Genau um halb neun Uhr morgens schreckte das Telefon Erich Merz an seinem Schreibtisch auf. Diese Zeit war nicht gerade seine Höchstform. Er hoffte darauf, dass der Anrufer schnell aufgeben würde. Daher ließ er es fünfmal klingeln, bevor er sich widerwillig meldete: „Ja, Merz.“
„Guten Morgen, Herr Merz!“ Sie klang attraktiv. „Hier ist Schwester Ilona vom Altersheim unter den Linden. Ihrem Herrn Großvater geht es schlecht. Könnten Sie vorbeikommen?“
Sein Opa. Wie lange hatte er ihn nicht mehr besucht? Mindestens seit zwei Wochen. Also willigte er ein.
Niemand erwartete in der Redaktion um diese Zeit schon etwas Brauchbares von ihm, so dass er ohne weiteres verschwinden konnte.
Im Altersheim fand er seinen Großvater blass und schwitzend in den Kissen liegend. Sein Atem verursachte ein hässliches Geräusch. „Es geht zu Ende mit mir, ich fühle es ganz deutlich“, sagte er mit erstaunlich klarer Stimme.
„Das glaube ich nicht“, antwortete Merz. „Es ist bestimmt nur das Wetter, das dir zu schaffen macht.“
„Wenn es soweit ist, dann weiß man es, glaube mir. Ich muss dir noch etwas erklären, was mir auf der Seele liegt. Du weißt, dass ich während des Krieges in Deutschland gelebt habe. Als Angestellter der Reichsbahn wurde ich nicht an die Front geschickt. Wir blieben einfach im Dienst.
Ich war öfters eingeteilt um Züge voller Juden zusammenzustellen, die in die Lager geschickt wurden. Oft haben uns die Leute angefleht, ihnen zu helfen.
Eines Tages habe ich ein paar Goldstücke angenommen, gegen das Versprechen, die Familie zu retten. Wirklich konnte ich gar nichts tun, es gab eine bewaffnete Begleitung in die Lager. Einem guten Kameraden habe ich davon erzählt, und schließlich haben wir von vielen Leuten Wertsachen angenommen, ohne auch nur einem einzigen je geholfen zu haben.
Jetzt weißt du, woher mein Vermögen stammt, das du jetzt erbst. Ich und Konrad haben uns geschworen, nie mit jemandem darüber zu reden. Ich glaube, er ist inzwischen gestorben.“
Seine Stimme versagte. Man hörte nur wieder das gurgelnde Röcheln eines Sterbenden, das jedem in schauriger Vorahnung durch Mark und Bein fährt.
Außer seinem Enkel Erich in diesem Moment. Der nahm gar nichts mehr wahr. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand auf den Kopf geschlagen. Kalt und heiß wechselten sich in schneller Folge ab. Dazu flimmerte ihm vor den Augen. Was hatte er da gehört?
Gold von Juden, die in die Lager geschickt wurden. In die Konzentrationslager. Bilder tauchten in seinem Kopf auf. Schreckliche Bilder. Sein Opa war einer dieser miesen, so eine Nazi..., nein nicht Ratte oder Sau gewesen. Auch kein Geier. Die warteten schließlich anständig, bis das Unvermeidliche eingetreten war. So sehr er sich anstrengte. Er fand einfach kein passendes Wort.
Ausgerechnet sein Opa. Erich hatte sich bisher ab und zu mit unrechtmäßig verschobenem Reichtum während des Zweiten Weltkrieges beschäftigt. Dazu hatte er ein paar Artikel veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Vermögen von deutschen Familien oder Firmen befassten. Dass es reiche Deutsche gab, die durch den Krieg große Summen verdient hatten, war allgemein bekannt. Die durften doch nicht einfach so davonkommen.
Enteignete Vermögen waren einfach an Parteigrößen verteilt worden. Solches regte ihn besonders auf. Erich wollte für Gerechtigkeit sorgen. Die Schuldigen entlarven, die mit dem gestohlenen Geld lebten, als wäre nichts gewesen.
Bisher konnte er jedoch nichts wirklich Konkretes aufdecken. Er wusste, dass er von Opa etliche Millionen erben würde. Deshalb hatte sich nicht besonders angestrengt, selbst etwas zu erarbeiten. Seine Arbeit war bisher mehr ein Zeitvertreib gewesen, als eine Berufung, an die er selbst glauben wollte.
Erich verließ das Zimmer und die Wohnung ohne einen Blick zurück.
Der Kaffee aus dem Automaten auf dem Gang schmeckte scheußlich. Er passte deshalb irgendwie zum Geruch, der durch die Flure des Heimes waberte.
Nachdem er sich nach einiger Zeit etwas gefasst hatte, schlurfte er zurück. Mit deutlich sichtbarem Ekel in der Miene stellte er sich an das Bett. „Wie konntest du nur? So etwas tun?“, presste er hervor
Aber sein Großvater lag jetzt ruhig da, mit offenen Augen, die an die Decke starrten. Er war inzwischen, wie man so sagt, sanft entschlafen.
In Merz stieg ein unbändiger Hass auf. Keine Antwort. Einfach schnell gestorben. Er verspürte das Bedürfnis, ihn zu schütteln. Aber gleichzeitig graute ihm davor, ihn noch einmal anzufassen.
***
Nachdem ein Arzt den Tod festgestellt hatte, Opa hatte jede lebensverlängernde Maßnahme abgelehnt, ging er ziellos spazieren. „Ich werde das Geld nicht anfassen“, sagte er zu sich. „So könnte ich nie mehr ruhig schlafen.“
Aber was sollte er tun? Seinen Namen mit der Wahrheit beschmutzen? Wie sollte er seiner Frau erklären, warum sie nicht erbten?
Völlig unmöglich. Sie hatten oft Pläne gemacht, wohin sie fahren würden und was sie alles kaufen wollten.
Opa Merz war schließlich schon über neunzig, sie die einzigen lebenden Verwandten. Sein Vermögen hatte Opa gut angelegt. Etliche Häuser gekauft, Wertpapiere und Bargeld auf der Bank.
Dabei fiel Erich ein, dass er sich jetzt um viele Dinge kümmern sollte. Er musste alle benachrichtigen. Formalitäten erledigen, die Beerdigung organisieren. Es würde auffallen, wenn er sich nicht sofort damit beschäftige. Eigentlich wollte er sich am liebsten irgendwo verstecken, wie es eher seiner Natur entsprach.
Sich richtig besaufen wäre jetzt das Beste, dachte er.
Warum konnte der das nicht mit ins Grab nehmen und mir ein schönes Leben lassen?
Wieder und wieder, ging ihm das durch den Kopf. Musste man doch für alles einmal zahlen, wie Opa oft gesagt hatte? Gerade er, dem ein so leichter Tod geschenkt wurde? Und seine Schuld hatte er einfach an ihn weitergegeben.
***
Seit dem Tod seines Großvaters waren zwei Wochen vergangen. Die wichtigsten Dinge waren erledigt. Erich Merz wollte sich zum ersten Mal wieder seiner Arbeit widmen. Er saß im Büro, aber ihm fiel nichts ein, zum Schreiben. Wieder schreckte ihn ein Anruf aus seiner Lethargie auf.
„Ich bin doch gar nicht da“, brummte er vor sich hin.
„Guten Morgen. Hier ist Schwester Ilona vom Altersheim unter den Linden. Aus der Wohnung ihres Herrn Großvaters sollten Sie noch ein paar persönliche Sachen abholen.“
„Persönliche Sachen?“, fragte er erstaunt. „Wir haben eine Räumfirma beauftragt, um alles zu entsorgen.“
„Ja, es handelt sich um