Die kalten Spuren im heißen Wüstensand. Maxi Hill
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Mbalu winkt ab. Es gebe bei ihnen nichts mehr zu holen. All ihr Geld habe die Flucht verschlungen und dennoch habe man sie «verraten und verkauft», wie man es nicht mit seinesgleichen zu tun habe. Und das da – er zeigt in die Runde – das sind auch nur Menschen, die leben wollen, die sich nicht länger abfinden möchten mit den Brosamen dieser Welt…
Die Männer sind sehr verständnisvoll. Sie bereden sich noch einmal und versprechen danach, am Morgen wiederzukommen und vielleicht sogar einen LKW zu organisieren. Dazu müsse die Gruppe jedoch unbedingt an diesem Platz bleiben, zu dem man sie genau aus diesem Grund geführt habe.
Dieser Platz, der ihnen Schutz und Ruhe bietet, war mit ihren ungeübten Augen in der gelben Silhouette der steinigen Wüste nicht zu erkennen gewesen. Auch hatten sie den Anschein, sie seien zwei Stunden lang zurückgelaufen, weg vom rettenden Meer. Mbalu lässt kein Hadern gelten. Jetzt ist Hoffnung in ihm.
In dieser felsigen Dünenoase unter ein paar spärlichen, hohen Kameldornenbäumen und ausladend niederen Schirmakazien schlagen sie ihr Nachtlager auf. Endlich können sie einmal trinken, bis sie keinen Durst mehr haben. Am bröckelnden Steinbrunnen, der abgedeckt mit einer Steinplatte kaum als Brunnen erkennbar ist, können sie ihre Flaschen füllen für die letzte Strecke bis zum Meer. Ebenso viel wert sind die Kaktusbüsche mit den süßen Früchten, die allen munden. Auf deren gerechte Verteilung achtet Mbalu mit Argusaugen.
Das Gesetz der Wüste
Ein klappriger LKW kämpft sich über die unbefestigte Piste den Hügeln entgegen, wo Daleel, der Fahrer, vor zwei Tagen die Gruppe und den anderen LKW zurücklassen musste. Wenn sie klug waren, haben sie den LKW nicht verlassen. Wenn sie klug waren…
An den Türen dieses Gefährtes klebt ein rotes Kreuz. Niemand wird vermuten, welche Fracht er bald wieder aufnehmen wird. Fluchthilfe ist verboten, aber von etwas muss er ja leben, er, Abu Bakr und seine Frau und seine vier Kinder. Es war nicht leicht, das klapprige Gefährt abzuzwacken. Wer bringt schon eine Leistung zweimal, die nur einmal bezahlt wird.
Die Räder graben sich tiefer in den ausgefahrenen Sand. Langsam kommt er voran. Die Fahrt hinauf über die Dünen ist ebenso gefährlich wie wieder herunter. Und seine ganze Mission ist gefährlich. Er ist allein.
Daleel hatte sich abgeseilt, aus Angst, sie würden noch einmal in der Aussichtslosigkeit stecken bleiben.
Bevor er das Wagnis eingeht, will er sich noch einen Schluck aus der Flasche genehmigen. Man kann nie wissen, ob man stecken bleibt und ob man, wenn der Wagen umstürzt, überhaupt noch an sein Wasser kommt. Abu Bakr greift hinter sich und zieht den bestickten Ziegenlederbeutel hervor. Das Wasser ist lauwarm und stinkt, aber es benetzt seine aufgesprungenen Lippen wohltuend. Wie ein verdurstendes Huhn trinkt er in hastigen Schlucken.
Der Zeiger der Tankuhr zittert. Erschrocken schaut er genau. Er steht auf dreiviertelvoll, also zitterte er nur von der Erschütterung. Warum aber. Er steht doch, er fährt doch nicht.
Ein Grollen, ein Zittern, wenn man sensibel genug für diese Art Zittern ist…
Weit in der Ferne die dunkle Wand, die den Blick zum Horizont versperrt. Die das Blau des Himmels trübt und die bald alles unter sich begraben wird…
Weit vor der Wand bewegen sich die Schattenrisse von drei Kamelen. Wie eine Fata-Morgana ziehen sie ihren Weg. Unbeeindruckt. Ungläubig schüttelt Abu Bakr den Kopf. Das müssen Touristen sein. Nur diese unerfahrenen Europäer tun nicht sofort alles, um sich in Sicherheit zu bringen?
Mitten in der unwirtliche Wüste, die er ganz gut kennt und der er doch nie traut, schaltet der Mann alle Funktionen an der Armatur der klapprigen Wüstenschildkröte auf Aus, kurbelt die Fenster nach oben und zieht die Schaufel mit dem kurzen Stiel, die stets unter dem Beifahrersitz liegt, in seine Nähe. Am Ende könnte der Sand sogar die Scheiben eindrücken und vom Inneren Besitz ergreifen. Schon einmal war er von all dem Sand begraben worden. Man konnte ihn retten. Es waren Schwarzafrikaner, die ihn fanden, weil einer der Reifen vom anhaltenden Sturm wieder freigelegt worden waren. Mit bloßen Händen haben sie gebuddelt. Nur deshalb ist er bereit, auch denen zu helfen, wenngleich für ihn an Lohn nicht das Schwarze unter dem Fingernagel abfällt. Elroy hat die Verbindung, also muss er Elroy trauen. Ohne ihn hätte er nicht einen dieser Aufträge bekommen. Elroy ist das, wie er heißt: Der König, auch wenn er nur der König der Schlepper ist. Diese Arbeit ist ein gutes Geschäft geworden und man muss es hegen und pflegen, solange es anhält. Es darf kein Makel auf die Organisation fallen, für die auch Elroy vermutlich nur ein kleines Licht ist.
Noch einmal schaut er in die Richtung der gelbbraunen Wand, die unaufhörlich näher kommt. Er schirmt mit einer Hand seine Augen vor der verzweifelt strahlenden Sonne ab, mit der anderen zieht er ein Kreuz von der Stirn zum Nabel und dann quer über die Brust. Was hat sich Allah nur dabei gedacht, diese Wüste zu formen. Bald wird der Sand auch über die Sonne siegen…
Nur einen Tagesmarsch nördlicher rasten etwa dreißig erschöpfte Menschen. Die Frauen sitzen apathisch mit ihren Rücken an Steine gelehnt, die Köpfe in den Schatten haltend. Eine sehr junge Frau sitzt bei ihnen, kaum selbst den Kinderschuhen entwachsen, obwohl sich die meiste Zeit zwei Kinder an sie drängen. Diese junge Frau mit dem kastenförmigen Gesicht, dem sehr kurzen krausen Haar und den gelblichen Augen, die sich wie übergroße Glasperlen aus den Höhlen wölben, trägt einen Tarnanzug, wie ihn Rebellen tragen oder Regierungssoldaten, wenn sie im Busch operieren.
Diese blutjunge Frau bastelt aus kleinen Teilen, die sie in ihrem Rucksack mit sich trägt, bei jedem Stopp in der Wüste irgendwelchen Schmuck. Ketten, Armreifen, Ringe, die sie am Meer verkaufen will, um wieder ein paar Münzen in der Tasche zu haben. Vielleicht kaufen auch die Europäer ihren Schmuck, so wie die Touristen ihn am Flughafen gekauft haben.
Ein paar junge Männer und jene Kinder, die nicht im Schoß ihrer Mutter schlafen, spielen auf der anderen Seite des Hügels ein Steinspiel. Kanzi ist bei ihnen. Ashanti hat es erlaubt, und darüber ist der Junge sehr froh. Ashanti ist strenger mit ihm als Mama war. Sie ist wie Papa, gütig aber streng.
Die wenigen erwachsenen Männer scharen sich um Mbalu. Sie rauchen und reden. Sie fuchteln mit ihren Händen, aber ihre Gesichter sind starr.
Niemand bemerkt das Unheil, das unaufhörlich auf sie zurollt. Erst als der Sturm immer heftiger wird und sich die gelbe Wand aus Sand über den Felsen aufbäumt, verdunkeln sich die letzten Fetzen blauen Himmels. Die Jungen auf dieser Seite des Hügels hören noch die Schreie der Mütter und die Kommandos der Männer um Mbalu, sie sollen alle in den Windschatten kommen. Bevor sie es verstehen und noch ehe sie die Kraft aufbringen, drückt sie etwas zu Boden. Etwas Kraftvolles und zugleich schmerzhaft die Haut Zerschneidendes. Dann sieht man die Hand vor den Augen nicht mehr und keiner steht mehr aufrecht…
Kanzi versucht, nicht die Orientierung zu verlieren. Nur noch schemenhaft erkennt er die Leiber, die sich an den Hang des Hügels drücken. Hier bei ihm tobt der Sand viel heftiger, weil dieser Hang dem Wind zugewandt liegt. Das war es also, was die Männer mit Windschatten meinten?
Von einer starken Böe wird Kanzi zu Boden gedrückt. Mühsam kämpft er gegen den Druck auf seinen Körper an. Als er sich ein wenig hochrappelt, versinkt alles um ihn herum in gelbbrauner Dunkelheit. Sand dringt in alle Poren und macht das Atmen unmöglich. Innerhalb weniger Augenblicke ist er unter einer Schicht peitschenden Sandes begraben. Er denkt an Mama, die unter eben diesem Sand begraben liegt, durch den sie seit