Zwerge der Meere. Michael Schenk

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Zwerge der Meere - Michael Schenk

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aus dem Weg, Fennegman!“, schrie ein stämmiger Fischer. „Wenn du zu feige bist, ich bin es nicht. Ich lasse es nicht zu, dass diese… diese… dass sie unsere Familien töten!“

      Der Mann schlug nach Fennegman, der in einer eleganten Drehung auswich und als der Stämmige losrannte, stellte der kleine Mann ihm ein Bein und warf sich mit einem Satz auf seinen Rücken. Blitzschnell drehte er einen Arm des Mannes auf den Rücken, griff in dessen Haarschopf und zwang ihn so, nach Benderskart zu blicken.

      „Kannst du es sehen, du Narr? Bei allen Seeteufeln, gäbe es eine Möglichkeit, den unseren beizustehen, dann würde ich der Erste sein, der ins Dorf rennt. Seht euch diese Wesen an! Mit was wollen wir sie töten? Mit unseren Fischspeeren oder den Messern? Verdammt, seht doch hin! Wir haben nichts, mit dem wir diese Kreaturen töten können.“

      Er hatte recht.

      Viele Menschen, die zuvor auf die Straßen geeilt waren, versuchten nun verzweifelt, wieder in die Häuser zu gelangen, um dort Schutz zu finden. Aber die Bohlentüren, so stark sie auch sein mochten, hielten dem Ansturm der Angreifer nicht lange stand. Andere Bewohner hatten sich auf dem zentralen Platz gesammelt, wo der Älteste, Sere Amderman und der Schmied Schloochman versuchten, eine Verteidigung zu organisieren. Ein oder zwei Jagdbogen, einige Speere und massive Knüppel waren die Waffen. Ein einziges Schwert wurde geschwungen. Jene alte und verschrammte Klinge, die der Wirt Tolkman hinter seinem Tresen aufgehängt hatte und die von angeblichen Ruhmestaten kündete. Diese Männer hatten einen Ring um Frauen und Kinder gebildet und stemmten sich den Angreifern entgegen. Sie hatten keine Chance gegen die starken Kieferzangen.

      Fennegman war froh, keine Details sehen zu müssen. „Wir müssen retten, was zu retten ist“, sagte er eindringlich. „Die Boote sind unsere einzige Fluchtmöglichkeit, an Land werden die Kreaturen uns erwischen und töten.“ Er deutete auf einige der Männer. „Ihr bereitet mit Wandeman die Boote vor. Sie müssen in seichtes Wasser, damit wir rasch ablegen können. Torbjong, mein Sohn, du wirst mit den anderen Jungen zu unserem Haus eilen. Nehmt an Vorräten und Trinkwasser, was ihr findet und bringt es her. Und beeilt euch.“

      Der Weg zu Fennegmans Haus schien noch relativ sicher. Die Angreifer begnügten sich im Augenblick damit, Benderskart heimzusuchen, wo sie mehr als genug Opfer fanden.

      Fennegman zog den Kopf des unter ihm liegenden Mannes zur Seite. „Und du, wenn du wirklich so wagemutig bist, dann folge mir. Wir werden versuchen, von den Menschen Benderskarts so viele wie möglich zu retten.“

      Der Mann starrte ihn ungläubig an und als Fennegman von ihm abließ und in Richtung auf das Dorf rannte, nickte er und folgte dem kleinen Mann. Hinter ihnen begannen die anderen, nach kurzem Zögern, Fennegmans Anweisungen zu folgen. Immer wieder warfen sie schockierte Blicke zurück, während sie erneut zum Strand hinunter eilten, um die Boote vorzubereiten.

      Die Fangboote schienen das einzige Fluchtmittel und das Meer der einzige Fluchtweg zu sein. Dazu brauchten sie Nahrung und Trinkwasser. Hastig wurden Fische von den Trockengestellen gezerrt und in die Rümpfe geworfen, Eimer und Fässer folgten, Speere und Netze wurden bereitgelegt.

      Fennegman und der andere, er hieß Malteman, rannten auf Benderskart zu und je näher sie kamen, desto mehr fragten sie sich, welche Tollkühnheit sie dazu antrieb, denn alle Instinkte drängten danach, diesen Ort weit hinter sich zu lassen. Aber da waren die Menschen, die den Angreifern praktisch hilflos ausgeliefert waren.

      Fennegmans Beine schmerzten. Er war körperliche Arbeit gewohnt, aber er brauchte auf seinem Boot und am Strand nie weit und schnell zu laufen. Ächzend blieb er stehen. „Warte, wir müssen sie zu uns rufen“, keuchte er. „Rufen… müssen wir.“

      Malteman hörte ihn nicht. Er rannte weiter und würde bald den Rand des kleinen Dorfes erreichen. Er begann zu schreien, winkte dabei mit den Armen, um die Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Einige sahen ihn wohl, denn er deutete dann zum Strand hinunter. Fennegman warf einen raschen Blick zu seinem Haus, das ein gutes Stück abseits auf der Düne stand. Torbjong hatte es soeben erst erreicht, begleitet von einer Gruppe Jungen. Henafraw würde wissen, was zu tun war und sie würde sich beeilen.

      Von Losterman und seinem Sohn war Nichts zu sehen, aber das war auch kein Wunder. Was in Benderskart vor sich ging war unübersichtlich. Soweit Fennegman sehen konnte, bewegten sich nur noch die Bestien in den Straßen. Lediglich auf dem Marktplatz schien es noch schwachen Widerstand um Schloochman und den Ältesten zu geben. Leblose Menschen lagen in den Straßen und viele von ihnen waren grausam verstümmelt. Der Tod machte keinen Unterschied in Geschlecht und Alter.

      Zwei Frauen und zwei Kinder rannten auf Fennegman zu, herbeigerufen durch Maltemans Geschrei. Fennegman winkte. „Zum Strand! Hinunter zu den Booten!“

      Er glaubte nicht, dass sie ihn überhaupt hörten. Die weit aufgerissenen Augen schienen fern jeden Verstehens. Eine der Frauen presste einen Säugling an ihre Brust, stolperte und fing sich gerade noch. Fennegman seufzte schwer und sah erneut nach Benderskart hinüber.

      Er glaubte für einen Augenblick, Losterman erkennen zu können, war sich aber nicht sicher. Fennegman ballte die Hände hilflos zu Fäusten. Hätte er eine wirkliche Waffe besessen, so hätte er kaum gezögert, sich in den Kampf zu stürzen. Vielleicht war es daher gut, dass er keine besaß. Er wäre, wie die anderen, einen sinnlosen Tod gestorben.

      Am Ortsrand von Benderskart tauchte nun tatsächlich Losterman auf und Fennegman winkte ihm hastig zu. Der Fischer zerrte seine Frau und seine Töchter mit sich, von seinem Sohn war nichts zu sehen. Eines der Mädchen knickte ein und ihr Vater zog es rücksichtslos mit sich, ihre Beine schleiften strampelnd über den Sand. Fennegman begriff, welches Grauen die Familie erlebt haben musste und es war noch nicht vorbei.

      Hinter den Fliehenden erschien der chitingepanzerte Leib eines Angreifers und er zögerte nicht, die Verfolgung aufzunehmen.

      „Beeilt euch!“, schrie Fennegman und eilte der Familie entgegen. Er hatte keine Vorstellung, was er gegen die Bestie unternehmen könnte, aber er konnte auch nicht tatenlos zusehen, wie sich der Tod Losterman und den Seinen näherte.

      Diese Kreaturen bewegten sich unglaublich schnell. Dabei schienen sich ihre Leiber zwischen die sechs Gliedmaßen zu ducken und die Unterseiten der drei Körpersegmente berührten fast den Boden. Fennegman fiel auf, wie ruhig der Körper wirkte, während sich die Gliedmaßen hektisch bewegten. Die Kieferzangen waren leicht geöffnet und die Facettenaugen des Wesens wirkten matt und ohne Leben.

      Losterman befand sich zwischen Fennegman und dem Verfolger und der würde die Familie lange vor dem kleinen Mann erreichen. Fennegman beeilte sich, spürte schmerzhafte Stiche in der Seite und überlegte fieberhaft, welche Waffe ihm verfügbar war. Er hatte nur das Fischmesser, welches in seinem Gürtel steckte. Eine kümmerliche Waffe gegen die mächtigen Kieferzangen. Er tastete an die Scheide und berührte dabei auch den Gürtel. Der Gürtel…

      Immerhin, der Gürtel bestand aus breitem und dickem Leder und er hatte eine schwere Metallschließe. Wenn man mit Wucht zuschlug, konnte diese Schnalle üble Verletzungen hervorrufen, vielleicht sogar bei dieser Kreatur. Jedenfalls würde sie Fennegmans Reichweite vergrößern. Während des Laufes löste er die Schnalle, nahm das Fischmesser in die eine und den kräftigen Lederriemen in die andere Hand.

      Das Wesen hatte die Lostermans fast eingeholt und machte im vollen Lauf einen Satz nach vorne. Die Frau war ein Stück hinter ihrem Mann, die Bestie sprang auf ihren Rücken und die Zangen schlossen sich. Losterman schien das nicht bemerkt zu haben, aber das kleine Mädchen, das er mit sich zerrte, sah die Bestie und schrie gellend. Ihre Schwester, durch die Hand der toten Mutter festgehalten, hatte keine Chance. Schon setzte der Angreifer zum nächsten Sprung an. In diesem Moment

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