Zwerge der Meere. Michael Schenk
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Für einen Moment nahm das Gesicht des Königs einen wehmütigen Ausdruck an. „Weil wir uns einst geliebt haben. Aber das ist lange her.“
Sie erwiderte seinen Blick forschend und nickte dann langsam. „Ja, es ist lange her.“
Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, aber da klopfte es an die Tür der Bibliothek. Die Königin zuckte die schmalen Schultern. „Ich werde deinem Willen entsprechen und den Raum verlassen. Ich mag es nicht, wenn Männer wie eifersüchtige Rüden aufeinander prallen.“
Während sie den Raum verließ, trat Jolos-Tar ein.
Der Handelsherr des Hauses Tar war eine imposante Erscheinung und es gewöhnt, sich in Szene zu setzen. Das üppige Leben hatte seine Gestalt beachtlich gerundet und er versuchte, seinen stattlichen Bauch unter kostbaren Stoffen und Schmuck zu verbergen. Er wirkte behäbig, aber man durfte ihn nicht unterschätzen. Sein Geist war scharf und seine Zunge spitz und dies kombinierte Jolos mit der Fähigkeit, seine Gegner zu täuschen.
„Königliche Hoheit, es ist mir eine Freude, Euch wieder wohlbehalten im Palast zu wissen. Angelegenheiten von großer Bedeutung verlangen Eure Entscheidung.“
„Treten Sie näher, Handelsherr Tar.“ Leos trat wieder an seinen Schreibtisch, deutete auf einen Stuhl und setzte sich. „Nehmt Platz und erklärt mir Euer Begehren.“
Tar ließ sich seufzend nieder. „Ihr seht mich in tiefer Sorge und Betrübnis, Eure Hoheit. Drei der besten Schiffe Telans sind auf hoher See verschwunden.“
Schiffe des Hauses Tar, sonst hätte der Handelsherr allenfalls Befriedigung darüber empfunden, dass die Konkurrenz unter den Verlusten litt, wie der König vermutete. „Es bleiben immer wieder Schiffe auf See, Handelsherr. Niemand beherrscht das Meer. Es gibt und nimmt, wie die Gezeiten kommen und gehen.“
„Ich rede nicht von einem Unglück, Hoheit.“ Das Gesicht des Handelsherrn verzog sich zu einem Lächeln, das der König als schmierig empfand. „Die drei Schiffe verschwanden in kurzer Zeit in einem eng begrenzten Seegebiet.“
„Also möglicherweise Korsaren.“ Der König legte die Fingerspitzen aneinander. „Obwohl es mich überraschen würde, wenn sie erneut einen Übergriff wagen. Wir haben sie damals vernichtend geschlagen und ihre Schiffe verbrannt. Nur eines ließen wir entkommen.“
„Es könnte eine andere Gruppe dieser Bestien sein“, stieß Tar hervor. „Ich erwarte, dass Ihr Schiffe entsendet und diese Mörder bestraft, Eure Majestät.“
„Eine Strafexpedition entsenden?“ Leos lachte leise auf. „Wenn es einen Überfall auf deine Schiffe gegeben hat, Handelsherr, dann sind die Angreifer längst fort.“
„Dann verlange ich Begleitschutz für meine Schiffe.“
„Du verlangst?“ Der König erhob sich hinter seinem Schreibtisch, stützte sich auf die Tischplatte und sah den Handelsherrn drohend an. „Ich kenne meine Pflichten, Handelsherr Tar, und Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern.“
„Natürlich nicht, Eure Hoheit.“ Tar hielt dem Blick des Königs stand. „Aber die Kapitäne der Handelsschiffe wären beruhigt, wenn ich mit der Nachricht zu ihnen zurückkehre, dass Eure Majestät alles tun werden…“
„…für die Sicherheit der Handelswege zu sorgen, nicht wahr?“ Leos lächelte kühl. „Und für die Sicherheit Ihres Profits.“
„Eure Hoheit, Ihr tut mir Unrecht.“ Der Handelsherr räusperte sich. „Das Reich blüht durch den Handel auf. Die drei verschwundenen Schiffe sind ein Anzeichen von Gefahr, die ganz Telan betreffen kann.“
Der König nickte. „Dem stimme ich zu.“ Er trat hinter dem Schreibtisch hervor und schritt, an dem Handelsherrn vorbei, zu einem der Wandregale. Nachdenklich betrachtete er eine dort aufgespannte Karte. Schließlich wandte er sich Tar wieder zu.
„Hören Sie zu, Handelsherr Tar und hören Sie mir genau zu. Die Flotte von Telan kann nicht jedem Handelsschiff Geleit geben. Dazu gibt es zu viele Handelsschiffe und zu wenige Kriegsschiffe. Jedes der Häuser würde den gleichen Schutz beanspruchen und dies mit Recht tun, das wissen Sie, Handelsherr.“ Der König kam wieder zu seinem Schreibtisch zurück und lehnte sich mit dem Gesäß an. „Ich kann auch keine Strafexpedition befehlen, wenn wir den Schuldigen und das Ziel nicht kennen. Wenn Sie also Schutz für ihre Schiffe wollen, dann müssen Sie bedenken, dass dieser Schutz allen Schiffen gleichermaßen gelten muss.“
Jolos-Tar erwiderte den Blick des Königs. „Was werdet Ihr also unternehmen, Eure Hoheit?“
„Das Königreich von Telan ist groß und seine Grenzen müssen geschützt werden. Also haben wir eine große Armee. Wir treiben Handel mit fernen Reichen über weite Distanzen und so müssen auch die Seewege geschützt werden. Dazu braucht die Flotte Schiffe, Handelsherr. Viele Schiffe.“
Tar wusste, worauf der König anspielte. „Schiffe kosten Geld. Sie müssen gebaut und unterhalten werden und ihre Besatzungen erwarten gute Bezahlung. Wollt Ihr Euch nun dafür rächen, dass ich im Senat die Zustimmung zum Ausbau der Flotte verweigerte? Mit allem Respekt, Eure Hoheit, doch eine so mächtige Flotte lässt sich nur durch einen mächtigen Feind rechtfertigen.“
„Es geht mir nicht um Ihre Zustimmung im Senat“, behauptete Leos-Hod-Telan und wusste, dass der Handelsherr dies nicht glaubte. „Es geht um Ihr Verständnis, dass uns Schiffe fehlen.“
„Also wollen Eure Hoheit nichts unternehmen?“
„Natürlich werde ich etwas unternehmen, Handelsherr.“ Der König seufzte. „Ich werde Schiffe entsenden, die nach den verschwundenen Handelsschiffen suchen. Und ich werde Ihrer Bitte entsprechen und den Handelsschiffen Schutz durch die Flotte gewähren. Aber das ist mit einer Bedingung verknüpft.“
„Und mit welcher, Eure Hoheit?“
„Wie ich erwähnte, die Flotte hat nicht genug Schiffe, um jedes Handelsschiff zu begleiten. Ab sofort werden daher die Handelsschiffe in gefährlichen Seegebieten nur im Konvoi fahren.“
„Eure Majestät, ich muss protestieren. Das schränkt die Möglichkeiten des Handels ein.“ Tar schüttelte schockiert den Kopf. „Manchmal ist es schon schwer genug, die Ladung für ein einzelnes Handelsschiff aufzutreiben. Wenn nun mehrere…“
„Einem Konvoi kann ich auch eine Eskorte durch die Flotte beigeben“, warf der König ein.
Handelsherr Tar seufzte abgrundtief. „Nun ja, die meisten Routen sind sicher. Zumal unsere Schiffe sehr schnell und stark sind. Nur das Südmeer bereitet mir Kummer. Mir und den anderen Handelshäusern, natürlich.“
„Natürlich.“ Der König lächelte. „Allerdings hat das Haus Tar den Hauptanteil am südlichen Handel.“
Tar zuckte die Schultern. „Wie die Fügung es bestimmte, Eure Hoheit.“
„Der südliche Handel“, murmelte Leos-Hod-Telan versonnen. „Über das Südmeer ins Königreich der Anram. Ein mächtiges Reich, wie wir es sind, wenn nicht noch mächtiger.“
„Glaubt Ihr…?“
„…das die Anram hinter dem