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gerudert, bevor der Vater des Knaben überhaupt im Ansatz hatte protestieren können. Die Explosion und unmittelbar darauf folgend die Kaperung des Schlauchbootes samt Sohn war wohl zu viel für die Verarbeitungskapazität seines Gehirns. Der Junge schien das eher spannend zu finden.

      Kapitel 2

      Etwa zur gleichen Zeit saßen Horst Jung, Heiner Janetzky und Franz Hilpertsauer an der Theke in der »Pepper Bar«. Weil sie nach dem Dienst zusammen direkt dort hingegangen waren, würde es noch eine Weile dauern, bis weitere Kollegen zum wöchentlichen Stammtisch eintrafen. Jedenfalls waren die drei derzeit sehr entspannt. Das lag nicht daran, dass ihr Chef Thomas Sprengel im Urlaub weilte, sondern weil sich passend zu der vorweihnachtlichen Zeit alle Menschen zu vertragen schienen und im Heidelberger Morddezernat hauptsächlich Routineaufgaben auf dem Programm standen. Außerdem war es ihnen möglich, hin und wieder Überstunden abzubauen, oder wie heute einfach pünktlich zu gehen, um in aller Ruhe ein kühles Pils zu genießen. Ein kleiner Snack sollte das Ganze dann noch abrunden.

      »So gut müsste man das jetzt haben«, seufzte Heiner wehmütig, als er an seinen Chef dachte. »Die liegen bestimmt gerade unter Palmen am Strand und lassen sich von vorne bis hinten bedienen.«

      »Höre ich da etwa Neid aus deiner Stimme?«, witzelte Horst arglos, weil er ausgesprochen guter Stimmung war. Der Stammtisch hatte ihn davor bewahrt, mit Heike nach einem neuen Kleid Ausschau halten zu müssen. Er konnte nicht wissen, dass sie rücksichtsvollerweise genau diesen Abend dafür ausgewählt hatte, weil sie seine Abneigung diesbezüglich kannte. Noch bevor seine Frau ihn gefragt hatte, ob er mitkommen wollte, hatte sie sich bereits »fürsorglich« mit ihrer Freundin Lisa verabredet, die ohnehin die bessere Beraterin in derlei Fragen abgab. Wie erwartet hatte Horst tatsächlich den Stammtisch – leider, leider – vorgeschoben. Nur die Frage danach hatte sie ihm selbstverständlich nicht ersparen wollen, weil ein latent schlechtes Gewissen nie schaden konnte.

      »Du gönnst den beiden das nicht. Gib es zu!«, setzte Horst sogar noch nach.

      »Wo denkst du hin? Natürlich!«, zeigte sich Heiner irritiert, der den Schalk in Horsts Augen nicht sehen konnte. »Ich wäre nur auch gerne mit meiner geliebten Frau ...« Etwas resigniert brach er den Satz ab, um lieber noch einen kräftigen Schluck von seinem Pils zu nehmen.

      Sofort bereute Horst seine unbedachte Bemerkung, weil er hätte wissen können, was seine als Scherz gedachte Provokation prompt angerichtet hatte. Heiner war erst vor wenigen Wochen von seiner Frau verlassen worden. Ihn hatte das Schicksal so manches Kollegen ereilt, dessen Ehefrau ab einem gewissen Punkt einfach kein Verständnis mehr für das immer wieder ohne Vorankündigung auftretende Ausbleiben ihres Ehemannes nach Dienstschluss aufbrachte. Horst wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Er selbst hatte riesiges Glück mit seiner Heike, die in dieser Hinsicht eine endlose Geduld zu haben schien. Vielleicht lohnte sich aber auch einfach das Warten so sehr? Und bei Heiner hatte es sich nicht gelohnt? Mann, wie war er denn heute drauf. »Es tut mir leid«, brachte Horst etwas hilflos hervor.

      Heiner trank sein Bier aus. »Schon in Ordnung. Ist ja meine Schuld, dass ich dein Späßchen nicht verstehen wollte.«

      Franz fasste den Trübseligen teilnahmsvoll an der Schulter.

      »Noch´n Bier, Heiner?«, kam Beatrice, die Barfrau, sofort, als sie sein leeres Glas bemerkte, stutzte aber, als sie die plötzliche Gemütsveränderung an Heiner wahrnahm. Es gab wohl selten etwas, das Barkeeper von Stammgästen nicht wissen. Sie rieb ihm aufmunternd seinen Unterarm, der matt auf dem Tresen lag. »Na, nun lass mal den Kopf nicht so hängen, Süßer. Das wird schon wieder«, versuchte sie ihn mit einer glockenklaren Stimme aufzumuntern. Diese Stimme passte perfekt zu ihrer elfenartigen Erscheinung mit blondem Haar, heller Haut und grazilem Körperbau – aber die Anrede »Süßer«? Auch wenn Barfrauen öfter gewohnt waren, Klartext zu reden, ging das mit ihrem sonstigen Typ so gar nicht zusammen, ging es Horst für einen Augenblick durch den Kopf.

      »Ein Melancholiker sollte eigentlich keinen Alkohol trinken«, wehrte Heiner ein weiteres Pils ab. »Und statt süß bin ich wohl eher ziemlich bitter.« Immerhin zeigte sich der Ansatz eines müden Lächelns auf seinem Gesicht, als er sich selbst auf den Arm nahm. »Hast du nicht etwas ohne Alkohol, das trotzdem die Stimmung hebt?«

      Beatrice blickte ihn aus ihren großen, grünen Augen einen Augenblick mitfühlend an, schien sich auf seine Stimmung einzulassen und nickte anschließend nur kurz. »Kommt sofort, Herr Kommissar.«

      »Ist halt nicht leicht mit den Frauen«, versuchte auch Franz neben einem festen Griff der Schulter mit ein wenig Männerweisheit die Laune seines Kollegen wieder zu heben.

      Heiner schaute Franz etwas genervt an. »Und das weißt gerade du so genau?«

      Oh, oh. Was hatte er da bloß mit seinem nicht sehr weitsichtigen Späßchen angerichtet. Die Unterhaltung drohte in eine Abwärtsspirale zu geraten. Bestürzt wollte der junge Kommissar vom Thema ablenken. Franz hatte zumindest keine Partnerin mehr gehabt, seit Horst in der Abteilung arbeitete. Das waren inzwischen vier oder fünf Jahre? Für ihn wäre das unvorstellbar. Doch bevor er reagieren konnte, antwortete Franz ganz die Ruhe selbst: »Du hast es erfasst. Deshalb lebe ich ja schon so lange alleine, obwohl ich bereits auf die fünfzig zugehe. Nur weil ich nicht immer am Jammern bin, heißt das nicht, dass mich das nicht auch hin und wieder niederdrückt. Aber auf diese Weise bin ich immerhin frei, wenn die Richtige kommen sollte. Das ist mir allemal lieber, als Kompromisse einzugehen und den entscheidenden Moment am Ende zu verpassen.« Er klopfte Heiner noch einmal auf die Schulter, bevor sich seine Hand wieder um sein Bierglas bemühte.

      »Entschuldige, Franz, ich wollte dir nicht auf den Fuß treten«, reagierte Heiner etwas betreten auf das offene Wort seines Kollegen zu dessen eigener Gemütsverfassung.

      »Tata! Hier habe ich einen alkoholfreien Cocktail für dich.« Sie stellte ein Glas mit einem fliederfarbenen Getränk vor ihrem schwermütigen Gast auf die Theke und beendete damit ungewollt den stürmischeren Teil des Gesprächs.

      Heiner zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. »Ist das nicht ein bisschen zu feminin, so farbmäßig?«, drückte er zunächst seine Zweifel aus.

      Beatrice rollte die Augen. »Männer haben schon komische Prioritäten. Mach halt die Augen zu und trink erst einmal«, blieb sie von ihrer Wahl überzeugt.

      Auch Horst und Franz waren gespannt, was Heiner dazu sagen würde. Der schloss tatsächlich die Augen und nahm einen vorsichtigen Schluck ... und noch einen. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Beatrice dankbar an: »Passt wunderbar. Was trinke ich da eigentlich?«

      »Eine ›Abendsonne‹ ... Ja, ich komme.« Beatrice wandte sich einem anderen Gast zu, bevor Heiner noch etwas erwidern konnte.

      »Genial«, Horst grinste breit.

      »Was?«, wollten die anderen beiden wissen.

      »Na«, Horst holte groß aus, »mit einem weiblich anmutenden Cocktail gegen das von einer Frau verursachte Leiden. Das ist doch eine geradezu homöopathische Vorgehensweise.« Ihr junger Kollege schien an diesem Abend zu Hochform aufzulaufen.

      Franz schmunzelte in sich hinein, während Heiner den Kopf auf die Theke sinken ließ und vernehmbar stöhnte. Dennoch musste er über Horsts Unsinn in einer Art Galgenhumor lachen. »Du gehst jetzt mal besser rüber an den Tisch. Da sind inzwischen ein paar Kollegen gekommen, die sich bestimmt noch viel mehr über deine geistreichen Späße freuen.«

      Horst wechselte nicht ungern die Gesellschaft, weil er dort keinen weiteren Schaden anrichten konnte. Manchmal hatten Fettnäpfe einfach eine

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